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Ausgabe:

1890

Spalte:

96-100

Autor/Hrsg.:

Leonhard, Rud.

Titel/Untertitel:

Roms Vergangenheit und Deutschlands Recht. Ein Ueberblick über die Geschichte des römischen Staates in ihrem Zusammenhange mit dem gegenwärtigen Rechtsleben. Eine Festschrift 1890

Rezensent:

Köhler, Karl

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Theologifche Literaturzeitung. 1890. Nr. 4.

nen hätte, weil die Sache (d. h. die nothwendige Wirkung)
des Lichtes das Gute iß. — 328, 13 f. ,dafs . . . fortfetzt':
danach fchiene K. tatliabbutun zu vocalifiren; dabei
ftimmen, abgefehen von der Stellung des laliu, Bedeutung
und Conftruction der V. Form nicht. Ich überfetze:
Der Beweis dafür, da/s fie (die Principien) beide lebendige,
thätige find, liegt darin, dajs du (d. h. Jedermann, nach
allgemeinem Einverftändnifs) dem Guten eine wirkende
Kraft zuerkennß (tuthbitu) und dem Böfen eine wirkende
Kraft zuefkennß (oder: ,deutlich erkennft, dafs G. und B.
eine wirkende Kraft ausüben'). Andere Möglichkeiten
dürften ferner liegen; für K.'s Deutung sehe ich überhaupt
keinen Platz. — S. 329 ,etwa zehn Jahre' 1. zehn
und einige J. — 330, 13 ,Mufikmachen' 1. Feßlichkeiten —
330, 14 ,üa ichrieben die Anhänger desMani' es fehlt anihn.

Was den in der Reihe der übrigen orientalifchen
Quellen als Neuheit aufgeführten Auszug aus ,Ibn al
Murtadä' (S. 343—55) angeht, fo möchte ich zunächft
wiffen, ob wir es bei dem mitgetheilten Texte wirklich
mit dem fo zu nennenden jemenifch-fchiitifchen Schrift-
fteller zu thun haben. Derfelbe hat, wie K. S. 343 mittheilt
, in einem grofsen ,religionsgefchichtlichen' Werke
u. a. die Manichäer erwähnt. Das Werk ift in Nr. 230.
231 der Glafer'fchen Sammlung in Berlin vorhanden;
aufserdem in Nr. 108 derfelben Sammlung ein Commen-
tar zu einem Abfchnitte der Einleitung, in welchem u. A.
von den Manichäern die Rede ift. Wegen des Näheren
verweift K. auf Ahlwardt's ,Kurzes Verzeichnifs', welches
mir nicht zur Hand ift; aus feiner eignen Ueberfchrift
müfste man entnehmen, dafs Ibn al Murtadä, was ja in
manchen Fällen vorkommt, fich felbft commentirt hätte.
Aber dazu ftimmt nicht der Text 349, 4 (Ueberf. 354, 7):
fo dafs ich nicht dafür bürgen kann, dafs von ,Ibn al
Murtadä' ift, was unter feinem Namen hier geboten wird.
Der Text ift im Ganzen correct gegeben '); in der Ueber-
fetzung mufs ich ändern S. 350 Z. 20f. ,erreichen—Seite'
1. find unbegrenzt (unendlich) nach allen ihren Seiten hin
(vgl. fo K. felbft S. 352, 7; 354, 14). — 350, Z. 32 v. u.
,Zufammenftofsens': vorher Z. 22 war das Wort beffer
durch ,an einander angrenzen' gegeben. — 351, 16: ,Ge-
fchlechter' des Textes fteht mindeltens durch Nachläffig-
keit des Arabers ftatt des nothwendigen Leiber. K.
fcheint dadurch irre geworden; er überfetzt nun Z. 19
,Geifter' wo im Text 347, 12 ganz richtig abdän Jwiber1,
fteht, und macht fich dadurch unnöthige Umftände. —
351, 21 verderbenbringend' 1. dem Verderben ausgefetzt
(leicht vergänglich). — 351, 30 f. ,von denen—zufammen-
gefetzt' 1. und nichts fei dem aus ihnen beiden Zufammen-
gefetztfein entzogen. — 351, 31—-352, 2 [vgl. hier unfere
Anm. ij ,Sie find—eingetreten fei' 1. Sie find verfchiedener
Meinung in Bezug auf die Accidenzen [z. B. etwa ,fchön'
und jhäfslich'J, 'welche einige fiatuiren, andere verwerfen;
ßinimcn aber darin übe rein,, dafs die Zufammcnfetzung der
Dinge jd. h. derjenigen Subftanzen, welchen jene Accidenzen
zukämen! durch die Vermifchung von Licht und
Finfternifs] zu Stande gekommen fei. — 352, 11 ,ftürzte
fich in plötzlichem Ueberfall' 1. traf im ziellofen Umherirren
. — 352, 13 ,eine Anzahl' 1. die gföfsere Anzahl (das
gros, die eigentliche Maffe der Gemeinde). — 352, 15
,ihre Geifter' 1. ihren Geiß. — 353, 3 ,Qualm' = ,Sticknebel
' 351, 9. — 353, 12—17 ,Die Sonne—vermögen' 1.
Und er [der Engel] läfst Sonne und Mond ihren Lauf
vollbringen behufs vollßändiger Ausfchöpfung'1) des in

1) Druckfehler: S. 347, 16 1. jachtaru; 348, 7 fachtalatat; ebd. 13
el-mumtazige ebd. 19 fatanhatt; 349, 12 Zaräduscht. — S. 347, 11 ift
wa l-agnäs fmrrwidrig, man erwartet lodl-abdän; S. 347, 19 il-i räd 1.
el-a räd (das Verfehen hat die Ueberfetzung des ganzen Satzes gefchädigt);
S. 348 1. Z. fehlt etwas — famm dafelbft wäre intereffant, wenn das Alter
der Hf. feft fteht.

2) Wurzel qcj X eine Sache ,bis an's Ende durchmachen', ,fie voll-
ftändig für lieh haben wollen'; der Fihrift (330, 24 fr.) hat diefelbe Form
von Wurzel ffj. Natürlich liegt eine alte Variante in der gemeinfamen
Quelle zu Grunde, wie K. 348, 19 = Fi. 330, 28; an letzterer Stelle hat
aber der Fi. vielleicht Unrecht.

diefer Welt vorhandenen Lichtes; und zwar wird er nicht
aufhören, deffen Ausfchöpfung zu betreiben, bis nur fefl
[mit Theilen der Pnifternifs] verknüpfte Theile übrig bleiben
, deren Ausfchöpfung zu bewirken er nicht im Stande
iß. — 353 1. Z. Es fehlt die Wiedergabe der freilich
lückenhaften arabifchen Worte und . ... iß frei von dem
Böfen der Finfiernifs.

Ich mufs abbrechen, obwohl zu Diefem und Anderem
noch Manches zu bemerken wäre. Ich fchliefse mit dem
Gefammturtheil, dafs Kefsler's Buch, foweit der engere
Kreis meiner Studien und meine philologifche Bildung
im Allgemeinen mir ein Urtheil geftatten, nützlich ift
durch mannigfachen Stoff, den er entweder neu herbeigebracht
oder beffer an's Licht geftellt hat, durch manche
gute Bemerkungen, manche feiner vielfach — nicht immer
freilich a propos — eingeftreuten Lefefrüchte. Aber feine
Angaben müffen mit Vorficht benutzt werden, und die
intereffanten und weitgreifenden Sätze, die er aufgeftellt
hat, bleiben auch ferner zu beweifen. Ob er dem oben
gegebenen Rathe über die dabei zu befolgende Methode
Gehör fchenken will oder nicht: meine aufrichtigen
Wünfche find der PVrtführung feiner, als der Arbeiten
einesfleifsigen, kenntnifsreichen und wohlgefinntenMannes
gewidmet.

Königsberg. A. Müller.

Leonhard, Prof. Dr. Rud., Roms Vergangenheit und Deutschlands
Recht. Ein Ueberblick über die Gefchichte des
römifchen Staates in ihrem Zufammenhange mit dem
gegenwärtigen Rechtsleben. Eine Feftfchrift. Leipzig,
Veit & Co., 1889. (VIII, 197 S. gr. 8.) M. 3. 50.

In drei grofsen Epochen verläuft nach dem Verf.
die Gefchichte des römifchen Rechts, entfprechend drei
grofsen Culturcpochen, welche in der Zeit von Romulus
bis Juftinian einander gefolgt find. Drei Culturfchichten
haben fich demgemäfs in dem römifchen Rechtsbuch
über einander gelagert. ,Zuerft fchuf das altrömifche
Recht einen Gefchlechterftaat, der die fittlichen Grund-
i bedingungen der Rechtsbildung auf das Schärffte ausprägte
. Sodann errichteten die bevorzugten Geifter der
ganzen Menfchheit den Bau des heidnifchen Kaiferrechts,
der den höchften Gedankenreichthum in fich fchlofs.
Endlich fchaffte das chrifthehe Weltrecht Klarheit und
Gerechtigkeit in diefen Bau hinein. — Der alten Zeit
galten Sittenftrenge und Zuverläffigkeit für die höchften
Tugenden; Gedankenreichthum und Gefühlsverfeinerung
find das Ziel der zweiten Periode; die ausnahmslofe
Menfchenliebe und Menfchenwürde hat jedoch erft die
dritte zu ihrem Grundgedanken gemacht' (S. 178). ,Wenn
die zwölf Tafeln klar und fchroff waren wie die Men-
fchen, zu denen fie redeten, wenn die Schriften der ju-
riftifchen Denker des Kaiferthums fich an einen auser-
wählten Kreis wenden, fo will jetzt (im byzantinifchen
Reich) der Kaifer zu einem nach Abftammung und Bildung
überaus gemifchten Volke reden' (S. 179). Jede
diefer Epochen hat gewiffe Plrträgnifse gebracht, welche
in dem Rechtsleben der Gegenwart fortwirken und der
Menfchheit als unvergänglicher Erwerb bleiben werden.
Dies zu erweifen ift die Aufgabe, die fich der Verf. geftellt
hat. Ueber die von ihm vertretene rechtsgefchicht-
liche Auffaffung fteht dem nicht-juriftifchen Berichterftatter
kein Urtheil zu. Er kann nur fagen, dafs durchweg eine
geift- und lebensvolle Gefchichtsbetrachtung zu Tage
tritt, fowie dafs kein gebildeter Lefer den Ausführungen
des Verf.'s ohne hohes Intereffe, und ohne reiche Belehrung
zu finden, wird folgen können. Einzelnes fordert
zum Widerfpruch heraus. Dafs dem alten Römervolk
die Weltherrfchaft ,wider feinen eigentlichen Wunfeh
als die unvermeidliche P"olge einer uneigennützigen Welt-
anfehauung' zugefallen fei (S. 21), wird fchwerlich allgemeine
Zuflirnmung finden, und dafs in der deutfehen