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Ausgabe:

1890 Nr. 4

Spalte:

90-96

Autor/Hrsg.:

Kessler, Konr.

Titel/Untertitel:

Mani. Forschungen über die manichäische Religion. Ein Beitrag zur vergleichenden Religionsgeschichte des Orients. 1. Bd. Voruntersuchungen und Quellen 1890

Rezensent:

Müller, August

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Theologifche Literaturzeitung. 1890. Nr. 4.

S. 207. Zu N/st. Aug. Alex. Severus 51, 7. 8 ift nicht
-Matth. 7, 12 (Lc. 6,31) zu vergleichen, wo das Wort in
der politiven Faffung fleht, fondern jüdifche Sprüche und
Didache c. I. Die Einführungsformel ,quod a qmbusdam
swe Iudacis sive Christian/s audicrat et teuebat1 ift daher
überrafchend genau. Juden und Chriften brauchten den
Spruch in der negativen Faffung.

S. 208. Zu N/st. Aug. I. c. 49,6 {Christian/. . . popinarii)
kann man kein rechtes Zutrauen faffen. Ohne ein Fragezeichen
darf man diefe Anekdote nicht paffiren laffen —
quartum saeadum redolet!

In dem Capitel über die Kaifer aus dem Haufe des
Severus vermifst man ungern eine Berückfichtigung der
fyrifch erhaltenen pfeudomelitonifchen Apologie (Otto,
Corp. Apol. IX). Vielleicht liefs fie N. bei Seite, weil
ihm die Zeit und die Adreffe der Schrift zu unficher
fchien; allein es ift m. E. doch recht wahrfcheinlich, dafs
fie an Severus Antoninus gerichtet ift. Sie enthält manches
Wichtige. „

S. 210 ff. 225 ff. Der Nachweis, dafs unter den ,ao'/or-
tss näv I/././.toiC)' (Verfaffung des Maximinus Thrax)
nicht nur die Bifchöfe zu verftehen find, ift gelungen.
Minder gelungen fcheint mir die Art zu fein, wie N. das
fcharfe, bei Eufebius — der einzigen Quelle — ganz
peremptorifch lautende Verfolgungsedict des Kaifers mit
der factifchen Unbedeutendheit der Verfolgung felbft
auszugleichen verflicht. Er glaubt fich bei feiner Erklärung
auf der Spur des Eufebius zu halten, interpretirt
aber in die wenigen Worte allerlei hinein (,Vermuthlich
enthielten die Mandate des Kaifers die Anweifung, gegen
die Chriften einzufchreiten. wo diefelben verdächtig
fchienen, aus Sympathie für das befeitigte Regiment
Alexander's dem gegenwärtigen zu widerftreben' . . . ,die
fyftematifche und planmäfsige Verfolgung, welche auf
die Ausrottung der gefammten Kirche ausgeht, beginnt
nicht mit Maximin' [aber wie foll man es fyftematifcher
anfangen als durch Ausrottung des gefammten Clerus?]
. . . ,Wenn die kaiferlichen Inftructionen die Weifung enthielten
, wo nöthig gegen den Clerus einzufchreiten'
. . . .der Kaifer hat nichts Anderes befohlen, als dafs die
gültigen Vorfchriften wieder einmal zur Anwendung
kamen' u. f. w.). Mein Erklärungsverfuch, einen Ausgleich
zu finden, mag falfch fein; aber auf dem von N.
vorgefchlagenen Wege kann man nur wandeln, wenn
man offen eingelteht, dafs Eufebius, obgleich er wahrfcheinlich
auf Origenes mit feinem Bericht fufst, übertrieben
und falfch berichtet hat. Den Muth, dies zu erklären
, hat N. nicht befeffen, und ich verftehe das fehr
wohl. Aber eben deshalb ift feine Darfteilung hier von
Widerfprüchen nicht ganz frei. Gewifs fprechen die
Thatfachen felbft, die N. viel beffer erhoben hat als
irgend einer feiner Vorgänger, die ficherfte Sprache.
An fie hat man fich daher in erfter Linie zu halten, und
fie wiffen nichts davon, dafs mit Maximin eine neue
Stufe der Verfolgungsgefchichte beginnt. Aber ihnen ficht
das Edict bei Eufebius fchroff gegenüber. Einfach ltrei-
chen kann man es nicht. Dann bleibt immer die ficherfte
Annahme die, dafs der Kaifer aus irgend welchen Gründen
nicht die nöthigen Mittel zur Ausführung gehabt hat.
Neumann's Schlufsworte lauten: ,Man fieht deutlich,
Maximin hat nicht daran gedacht, die Chriftenproceffe
umzugeftalten (— aber enthalten die Worte bei Eufebius
nicht eine vollkommene Umgeftaltung? —). Und ebenfo-
wenig ift er darauf ausgegangen, die chriftliche Kirche
zu vernichten (—allein wie kann man diefe Kirche (icherer
treffen als durch den Mord aller ihrer Priefter? —). Aber
fein kurzes Regiment ift doch bedeutfam. Der Staat ift
fich darüber klar geworden, dafs der Clerus die Kirche
lötet; es genügt daher, fich an ihn als den ficheren
Bürgen zu halten (— das ift doch ein entfeheidender
Umfchwung —). Und falls in Zukunft die Axt dem
Baum an die Wurzel gelegt wird, fo wird fie die Kirchen-
verfaffung treffen' — nach Eufebius wurde fchon damals

die Axt an die Wurzel gelegt; warum fie kraftlos blieb,
wiffen wir nicht —).

S. 213. Der ,erfte aller Gegenpäpfte' war nicht Hippolyt
, fondern — was der Verf. hier nur überfehen hat —
Natalis. Hievon abgefehen läfst fich fragen, ob die
Spaltung innerhalb der orthodoxen Partei in Rom nicht
fchon beftanden hat, bevor Hippolyt Bifchof der kleineren
Hälfte geworden ift. Hippolyt läfst den Zephyrin
fo wenig wie den Kailift für einen rechtmäfsigen Bifchof
gelten {Philos. IX, J: Zsfpvgiiov öiIjteiv roui'Covzog zi v
SAy.hjo/ai', denfelben Ausdruck braucht er für Kailift).

S. 231 f. In dem Abfchnitt über die Kirche z. Z. des
Philippus Arabs, der mit befonderer Sorgfalt gearbeitet
ift und manches Neue bietet, hebe ich die Datirung des
Octavius des Minucius Felix und die Unterfuchungen
über die Schrift des Origenes gegen Celfus hervor (f.
auch den Excurs). Doch fcheint mir der geiftreiche
Verfuch, die Jubelfeier des taufendjährigen römifchen
Reichs als Veranlaffung der Bücher gegen Celfus nach-
zuweifen, nicht völlig gelungen zu fein. Man erwartet,
dafs diefer Anlafs ftärker hervortrete, wenn er wirklich
den Anftofs zur Schrift gegeben hat. Doch hat der Verf.
allerdings gute Gründe beigebracht. Bei feiner virtuofen
Kenntnifs der Worte des Origenes und fpeciell der
Bücher gegen Celfus hätte man ferner erwarten rnüffen,
dafs die Gedanken, die Origenes VIII, 68—71 entwickelt
hat, fchärfer betont worden wären. Sie hätten den beften
Schlufs des Buches gebildet, und die an fich ziemlich
bedeutungslofe Frage nach dem Chriftenthum des Kaifers
— der Verf. hat fie in ausgezeichneter Weife behandelt —
wäre von anderen, viel wichtigeren Fragen abgelöft
worden: ,feit wann hat man in chriftlichen Kreifen auf
den Sieg der Kirche im Reich gehofft?' ,wann dämmerte
die Vorftellung auf, das Weltreich könnte einft chriftlich
werden?' ,in welchem Mafse befafs Origenes diefe Vorftellung
?' ,unter welchen Verhältnifsen hat der Glaube,
die Kaifer könnten einft Chriften werden — Tertullian
hat von chriftlichen Kaifern beiläufig einmal als von etwas
Abfurdem gefprochen —, ja es habe fchon chriftliche Kaifer
gegeben, fich entwickelt?' DiefeFragen find im Zufammen-
hang einer Unterfuchung über die Vorftufen der
chriftlichen Staatskirche zu behandeln. Der Verf.
hat fehr Vieles zur Beantwortung derfelben in feinem
Werke verftreut; aber eine zufammenhängende Unterfuchung
von Juftin und Melito ab, die Verfaffungsgefchichte
der Kirche ebenfo berückfichtigend wie den Umfchwung
in den Gemüthern, in den Erwägungen und in der Politik
der Chriften, wäre fehr wünfehenswerth.

Dem ausgezeichneten Werke des Verfaffers wünfehe
ich den beften Fortgang. Der fchwierigere Theil der
Arbeit fteht noch bevor; aber ich zweifle nicht, dafs die
Ergebnifse dem entfprechend noch reichere fein werden.
Berlin. A. Harnack.

Kessler, Prof. Dr. Konr., Mani. Forfchungen über die
manichäifche Religion. Ein Beitrag zur vergleichenden
Religionsgefchichte des Orients. 1. Bd. Vorunter-
fuchungen und Quellen. Berlin, G. Reimer, 1889
(XXVIII, 407 S. gr. 8.) M. 14. —

Der Unterzeichnete hat erft nach langem Zögern
und auf wiederholtes Erfuchen der Redaction d. Bl. fich
entfchloffen, den nunmehr erlchienenen erften Band von
Kefsler's grofs angelegtem Werke zu beforechen. Das-
felbe in allen Theilen gleichmäfsig ficher/und daher im
Ganzen gerecht zu beurtheilen, müfste man feine Studien
in diefelbe Weite gedehnt haben, deren Umkreis
bei dem Verf. aufser den zunächft nothwendigen femiti-
fchen Dialekten auch das Affyrifche, das Perfifche in
feinen verfchiedenen Stufen, dazu theologifche, insbesondere
kirchengefchichtliche Stoffe umfafst. Eine in
jeder Weife gleich durchgearbeitete, vollkommen ausge-