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Ausgabe: | 1890 |
Spalte: | 73-74 |
Autor/Hrsg.: | Vernes, Maurice |
Titel/Untertitel: | Précis d‘histoire juive depuis les origines jusqu‘ à l‘époque persane 1890 |
Rezensent: | Siegfried, Carl |
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Theologische Literaturzeitung.
Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof. zu Berlin, und D. E. Schürer, Prof. zu Giefsen.
Erfcheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark. •
m 4.
22. Februar 1890.
15. Jahrgang.
Vernes, Precis d'histoire juive (Siegfried).
Josephi opera ed. Niese, vol. V (Schürer).
Old-Latin Biblical Texts, III (Gebhardt).
Le Palimpseste de Fleury publie par Berger
(Dert).
Stutgardiana versionis sacrarum scripturarum La-
tinae antehieronymianae fragmenta ed. Ranke
(Derf.).
Codex S. Ceaddae Latinus ed. Scrivener (Derf.).
Harris, The rest of the words of Baruch
(Schürer).
Neu mann, Der römifche Staat und die allge-
meine Kirche bis auf Diocletian, I. Bd. (Harnack
).
Kefsler, Mani, 1. Bd. (A. Müller).
Leonhard, Roms Vergangenheit und Deutfch-
lands Recht (Köhler).
Schulz, Der Gottesgedanke (Ehrhardt).
Vernes, Dir. adjoint Maurice, Precis d'histoire juive depuis
les origines jusqu' ä l'epoquepersane (Vesiecle avant
J.—C). Paris, Hachette & Co., 1889. (828 S. m.
2 Karten. 8.) Fr. 6.
Wenn wir dem Lefer mittheilen, dafs das vorliegende
Werk den Nachweis zu liefern beabfichtigt, die gefammte
Literatur des A. T.'s fei das Werk der jüdifchen Schulen
von Jerufalem in der Zeit von 400—200 v. Chr., fo möchte
derfelbe vielleicht geneigt fein, die ganze Sache mit einem
ia tttSC] "rten"';; abzuthun. AberfoleichtenKaufskommen
wir nicht davon. Auch wer, wie Unterz., durch den Verf.
nicht überzeugt ift, wird gut thun, die Beweisftücke diefes
aufserordentlich fcharf und klar gedachten Syftems zu
prüfen, welches jedenfalls einige Kernfchüffe in den Stand
der heutigen Literarkritik und die in derfelben geübte
Methode gethan hat. Ehe die Literarkritik weiter fortgeht
auf dem Wege der Reconffruction von Jl J2 J3 bis
vielleicht JIO° J101 J102 etc., wird fie gul thun, zu beachten,
was der Verf. über das Künftliche und Trügerifche derartiger
Quellenfabrik auf S. 759 763 771 781 783 794 ge-
fagt hat. Und ehe die biblifchen Hiftonker fortfahren,
mit Hülfe der Aegyptologen und Affyriologen Licht zu
verbreiten über die dunkeln Gebiete der altisraelitifchen
Gefchichte, wollen fie beherzigen, was S. 197 f. 288, zu
lefen fleht: sur le vornan des origines qn'onttrace les historio-
grapltes israchtes on esthbre de bätivun nouveau vornan; nous
contestons siviplenient le droit de donner le nom d'histoire ades
constrnctions, dont on fonrnit soi-meine le plan' (S. 289.) —
Der Verf. geht von der Beobachtung aus, dafs wir in den
Quellenwerken derisraelitifchen GefchichtekeineTrümmer
alter Ueberlieferungen, fondern freie Schöpfungen des
Geiftes haben, welche auf dieDurchführung einiger weniger
grofsartiger Grundgedanken abzielen. Die religiöfen Ideen
eines geiftigen und moralifchen Monotheismus und der Erwählung
Israels zur Verwirklichung derfelben beherrfchen
alles, was erzählt wird. Die Patriarchengefchichte ift eine
grofse Epopöe, ebenfo die Gefchichte des Auszugs aus
Aegypten und der Eroberung des heiligen Landes. Alles
Gefchichtliche ift hier nur Schein, wirkliche Erinnerungen
aus ältefter Zeit liegen nicht vor. Vieles von dem Erzählten
erweift fich aufserdem bei näherem Zufehen als
baare Unmöglichkeit. Auch haben wir hier durchaus nicht
Werke aus einem Gufs, fondern Themen mit vielerlei
Variationen, wie dasinder Weife orientalifcher Gefchicht-
fchreibung liegt. Ob die Vorväter Israels wirklich aus
Aram kamen, ob das Volk eine Zeit lang in Aegypten
gewohnt — wir wiffen es nicht. Das erfte Stück wirklicher
Gefchichte bietet uns die Epifode von Abimelech
(S. 222—228). Was wir da von Schilderungen der Zu-
ftände des h. Landes vor der Königszeit lefen, giebt
nirgend Veranlaffung, einen ausländifchen Urfprung der
Israeliten anzunehmen. Die Legende zieht fich aber auch
bef in die hiftorifchen Zeiten hinein und verdunkelt Er-
eignifse und Perfönlichkeiten bis zur Zeit des Exiles hin.
Sie ift zum Teil eingegeben von jüdifcher Eigenliebe (vgl.
S. 459 u. a.), zum Theil von theologifchen Gefichtspunkten
beherrfcht. Die letzteren haben die ganze Gefchicht-
fchreibung gehaltet, fie find diefelben, welche wir bei den
fogen.Propheten finden, deren Literatur eine durchweg pfeu-
donyme und pfeudepigraphifche ift. Die Gedanken, welche
uns in diefer ganzen Literatur immer wieder begegnen,
find die der nachexilifchen Reftauration; folgt alfo daraus,
dafs die Abfaffungszeit eben diefer Schriftwerke in die
Jahrhunderte vom 4. bis 1. v. Chr. fällt. — Wir können
hier nicht in das Einzelne eingehen. Nur einige Hauptbedenken
gegen den ganzen Aufbau feien ausgefprochen.
Erftens hätten wir hier die aufserordentliche Erfcheinung,
dafs eine Literatur, deren Schönheit und nachwirkende
Kraft der Verf. S. 779 f. in fo beredten Worten preift, ent-
ftanden fein follte, als die Sprache, in der fie verfafst
ward, bereits im Ausfterben begriffen war. — Sodann
wird durch die theologifchenGefichtspunkte diefer Literatur
wohl die Tendenz der SchriftwerkeundderRahmen erklärt,
in den die gefchichtlichen Bilder eingefpannt find, aber
nicht die Fülle der einzelnen Thatfachen. Auch diefe
zum gröfsten Theil der Erfindung der Schriftfteller zuzu-
fchreiben, z. B. im Jefaiabuche folche beftimmte Angaben
des Ortes und der Umftände, wie fie c. 7 erfcheinen, als
rein phantaftifch zu betrachten, wird man fich auf die vom
Verf. angegebenen Gründe hin nicht entfchliefsen können.
Die fiction literaire, welche dem Jefaia das Coftüm der
affyrifchen, demjeremia und Ezechiel das der chaldäifchen
Periode verleiht, fetzt einerfeits eine kaum glaublicheKunft
voraus, andrerfeits fieht man nicht recht ein, weshalb fie
eigentlich überhaupt gemacht ift? Mit dem blofsenpour-
quoi noir. von S. 805 ift die Sache nicht abgethan; wir
wünfchen zu wiffen pourquoi. — Endlich fällt nach des
Verf.'s Ausführungen die ganze hebräifche Literatur ge-
wiffermafsen wie vom Himmel herunter. Sie erfcheint ohne
jede hiftorifche Vorbereitung. Die theologifche Schule
tritt plötzlich auf den Plan. Sie fchafft alle Gattungen
der Literatur, alle Formen der Poefie und der Profa. Alle
Meifterwerke des A. T.'s kommen zum Vorfchein wie
aus der Piftole gefchoffen. Das ift ohne Analogie in der
Literaturgefchichte und, eine folche Betrachtungsweife hat
am wenigften das Recht, fich gefchichtlich zu nennen.
Jena. C. Siegfried.
Josephi, Flavii, opera, edidit et apparatu critico instruxit
Benedictus Niefe. Vol. V. De Judaeorum vetustate
sive contra Apionem libri II. Berlin, Weidmann, 1889.
(XXVII, 99 S. gr. 8.) M. 5. —
Die beiden erften Bände von Niefe's grofser, für
lange Zeit grundlegender Jofephus-Ausgabe umfaffen die
erfte Hälfte der Archäologie (f, hierüber Theol. Litztg.
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