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Ausgabe:

1890 Nr. 3

Spalte:

63-67

Autor/Hrsg.:

Schaff, Philip

Titel/Untertitel:

Church and state in the United States or the American idea of religious liberty and its practical effects, with official documents 1890

Rezensent:

Köhler, Karl

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63 Theologifche Literaturzeitung. 1890. Nr. 3. 64

Jahn, Dr. Alb., Dionysiaca. Sprachliche und fachliche
Platonifche Blüthenlefe aus Dionyfius, dem fog. Areo-
pagiten, zur Anbahnung der philologifchen Behandlung
diefes Autors. Altona, Reher, 1889, (X, 85 S. gr. 8.1
M 2. 25.

Der durch feine beiden Arbeiten über Bafilius Plotini-
zans u. Methodius Platonizans fowie durch andere patri-
ftifch-philologifche Unterfuchungen hochverdiente Autor
hat hier Scholien zu den Werken des Dionyfius veröffentlicht
, welche beweifen follen, dafs diefer Schriftfteller nicht
nur aus den Werken der Neuplatoniker, fondern vor Allem
aus denen Plato's felbft gefchöpft hat. Jahn unterfucht
S. 1—35 die Schrift de coelesti hierarchia, S. 35—47 de eccle-
siastica hierarchia, S. 47—79 de divinis nominibus, S. 79—84
de mystica thcologia u. die Briefe und hebt in kurzen Noten
die Abhängigkeit des Areopagiten von Plato (namentlich
Sympos., Phaedr., Leges, Epp.) hervor. Da eine fyfte-
matifche Zufammenftellung fehlt (auch ein Regifter), fo
läfst fich das Büchlein nur von dem benutzen, der die
Werke des Dionyfius im Zufammenhang lieft und dabei
diefe Scholien neben fich liegen hat. Es ift das imlntereffe
der lehrreichen Mittheilungen zu bedauern. Die Frage
nach den Quellen des Dionyfius ift allerdings durch diefe
Publication wenig gefördert. Denn wenn es auch fehr
wahrfcheinlich ift, dafs er die platonifchen Werke direct
benutzt hat, fo ift das doch nicht ficher erwiefen.

Berlin. A. Harnack.

Schaff, Prof. Philip, DD. LL. D., Church and State in the

United States or the American idea of religious liberty
and its practical effects, with official documents. [Aus:
,Papers of the American Historical Association'.]
New York, G. P. Putnam's Sons, 1888. (161 u. 10 S.
gr- 8.)

Das vorliegende Buch ift laut einer Bemerkung am
Schlufs aus der Antrittsrede entftanden, welche der auch
in Deutfchland ehrenvoll bekannte Verfaffer bei feiner
Einführung als Profeffor der Kirchengefchichte an dem
Union Theological Seminary in New-York am 22. September
1887 gehalten hat. Er will die grundlegenden
Beftimmungen der nordamerikanifchen Bundesverfaffung
über Religionsfreiheit with its antecedents, surroundings
and effects at honte and abroad in das rechte Licht ftellen
und zwar vom Standpunkte des Kirchenhiftorikers und
Theologen. Von anderem Gefichtspunkte aus ift der
hier behandelte Stoff bereits vor Jahren von einem Gelehrten
deutfcher Zunge, dem Züricher Juriften Rütti-
mann, bearbeitet worden, deffen Werk (Kirche und Staat
in Nord-Amerika, Zürich 1871) von Dr. Schaff nicht erwähnt
wird. Es giebt ein inhaltlich vollftändigeres und
fchärfer umriffenes Bild des Rechtszuftandes als das
Werk des amerikanifchen Theologen; dafür bringt diefer,
was er mit Recht als fein Verdienft in Anfpruch nimmt,
den Gefichtspunkt des Kirchenhiftorikers und Kirchen-
politikers hinzu.

Die Stellung des nordamerikanifchen Staates zur
Religion hat ihre Grundlage in dem 6. Artikel der Bundesverfaffung
, welcher vorfchreibt, dafs niemals von einer
religiöfen Handlung oder Kundgebung die Befähigung
zu einem öffentlichen Amte abhängig gemacht werden
darf. Dazu tritt das von dem Verf. als die Magna Charta
der amerikanifchen Religionsfreiheit hoch gerühmte first
Amendment, der erfte Zufatzartikel, des Inhalts: ,Der
Congrefs ift nicht befugt, jemals eine Staatsreligion zu
etabliren, die freie Ausübung einer Religion zu verhindern
und die Freiheit des Wortes oder der Preffe, fowie
das Verfammlungs- oder Petitionsrecht zu befchränken'.
Das kirchenpolitifche Syftem, welches fich auf Grund
diefer Verfaffungsbeftimmungen, — über deren fclntftehungs-
gefchichte der Verf. eingehende und intereffante Mittheilungen
macht, — gebildet hat, bezeichnet Dr. Schaff
als das der freien Kirche im freien Staat oder ,die fich
felbft erhaltende und felbft regierende Chriftengemeinde
in unabhängiger, aber freundlicher Beziehung zur bürgerlichen
Regierung'. Die Beftimmungen der Bundesverfaffung
find — dies wird von dem Verf. oft und nachdrücklich
betont — keineswegs aus religiöfer Gleichgültigkeit
oder Religionsfeindfchaft entfprungen. Die Urheber
der Verfaffung waren fämmtlich, auch der von der Aufklärung
des Zeitalters am meiften angehauchte PTanklin,
gute Chriften, aber fie waren ehrlich überzeugt, dafs dem
Gedeihen des Chriftenthums die völlige Freigebung des-
felben von Seiten des Staates am förderlichften fei. Das
amerikanifche Volk fühlt fich als ein chriftliches Volk
und offenbart dies an nicht wenigen Stellen feiner öffentlichen
Einrichtungen (S. 57 ff.). Die Gefetzgebung ift
eine chriftliche, fofern fie fo, wie fie ift, nirgends anders
hätte entftehen können, als auf dem Boden des Chriftenthums
, wie denn angefehene amerikanifche Staatsmänner
und Juriften geradezu ausgefprochen haben, dafs das
Chriftenthum in Amerika einen Beftandtheil des gemeinen
Rechts {common law) ausmache. Der chriftliche Charakter
des Staatslebens zeigt fich darin, dafs der Eid gefetzlich
gefordert wird, ferner in herkömmlichen amtlichen Handlungen
des Präfidenten (Anordnung von Bettagen, Aus-
fprache chriftlicher Ueberzeugungen in öffentlichen Kundgebungen
), in der Steuerfreiheit der Kirchen, der An-
ftellung von Geiftlichen beim Congrefs, im Heere, in der
Marine und in öffentlichen Anhalten, der Fürforge des
Congreffes für Bibelverbreitung, dann namentlich auf
dem Grenzgebiete zwifchen Staat und Kirche (S. 61 ff.)
in der Gefetzgebung über die Ehe, welche nur als eine
monogamifche anerkannt wird (daher die Vielweiberei
der Mormonen von Bundeswegen unterfagt wurde, -—
in Betreff der Ehefcheidung beklagt allerdings der Verfaffer
, dafs die Gefetze mancher Einzelftaaten viel zu lax
feien, und macht die auffallende Bemerkung: it is to the
honor of the Roman Catholic Church in our country that
she upholds the sanetity of the marriage tie, — warum
nicht die proteftantifchen Denominationen, deren Kirchenzucht
doch anderwärts fo gerühmt wird?) — ferner in
den ftrengen Sonntagsgefetzen, felbft in den öffentlichen
Schulen, wo zwar confeffioneller Religionsunterricht nicht
vorkommt, dagegen faft überall die Bibel gelefen wird
und religiöfe Andachtsübungen mit Gefang und Gebet
gepflegt werden. Die Verfaffungen mancher Einzelftaaten,
namentlich der älteren, gehen in der Betonung des religiöfen
Elementes noch weiter, während die in neuerer
Zeit entftandenen meift die Sätze des first Amendment
aufgenommen haben. Ueberall aber fleht als unantaft-
barer Grundfatz feft die Enthaltung des Staates von
irgend einem Eingreifen in die inneren Angelegenheiten
einer Religionsgefellfchaft und von irgend einer Bevorzugung
oder materiellen Unterftützung der einen oder
anderen. Alle geniefsen gleiches Recht und gleiche Freiheit
, auch dem Unglauben ift die Freiheit der Bewegung
in keiner Weife befchränkt. Während des Bürgerkriegs
wurde durch eine damals entftandene National Association
to secure certain religious auicndments to the Constitution
der Verfuch gemacht, in die Eingangsfätze der Bundesverfaffung
das ausgefprochene Bekenntnifs zu dem chrilt-
lichen Gottesglauben hineinzubringen: der Verfuch blieb
vergeblich und wird von dem Verf. für ausfichtslos erklärt
(S. 38 f.). Ebenfo wenig Erfolg hat bis jetzt die
Liberal League der Freidenker gehabt, welche dafür agi-
tirt, alle religiöfen Beziehungen aus dem öffentlichen
Leben auszufegen (Eid, Sonntag u. dgl.) und den Staat
zu einem wirklich religionslofen zu machen (S. 43 ff.).
Aber die Trennung von Kirche und Staat ift und bleibt
für den Amerikaner feftftehendes Axiom. Ohne diefelbe,
fagt der Verf., ift keine religiöfe Freiheit denkbar. Kirche
und Staat haben nichts mit einander zu fchaffen; fie find
fo unzertrennlich, aber auch fo verfchieden wie Seele