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Ausgabe:

1890

Spalte:

54-55

Autor/Hrsg.:

Saadia, Gaon

Titel/Untertitel:

Das Buch Hiob, übersetzt und erklärt 1890

Rezensent:

Schwally, Friedrich

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Tneologifche Literaturzeitung. 1890. Nr. 3.

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Vogelstein. Rabb. Dr. H., Der Kampf zwischen Priestern und
Leviten seit den Tagen Ezechiels. Eine hiftorifch-kritifche
Unterfuchung. Stettin, Nagel, 1889. (IV, 140 S. gr. 8.)
M. 3. -

Eine Unterfuchung über das Verhältnifs diefer cul-
tifchen Beamten war erwünfcht, denn dafs die Regelung
desfelben manchen Kampf gekoftet hat, ift unzweifelhaft.
Das Thema war alfo jedenfalls gut geftellt. Auch ift die
Ausführung desfelben vom Verfaffer nicht ungefchickt
angegriffen und er ift durch gute literarkritifche Studien
dazu vorbereitet. Aber er fcheidet zu wenig zwifchen
den Thatfachen und der Verwerthung, welche er ihnen
giebt. Er lieft zu viel zwifchen den Zeilen, fo dafs man
manchmal glaubt, es werde ein Roman vorgetragen. —Vef.
denkt fich die Sache folgendermafsen: Die Abficht des Jofia,
den ehemaligen Höhenprieftern Opferrecht in Jerufalem
zuverfchaffen, fcheitertean dem VViderftandederZadokiten,
welche nur die Mitglieder der Priefterfchaft von Anatöt als
ebenbürtige Collegen anfahen und in den Adel der Arons-
föhne aufnahmen. Die übrigen Leviten wurden nur als
Diener der Priefter zugelaffen, weshalb nur wenig aus
dem Exil zurückkehrten. Vergeblich Richten Esra und
Nehemia die Leviten fowohl in ihren Einkünften als in
ihrer Stellung zu heben. Die Herrfchfucht der Priefter
liefs fie nicht aufkommen. Aufserdem waren die Leviten
anfänglich auch unter fich gefpalten, die Claffen der
Sänger und Thorwärter galten als tieferftehend. Allmählich
aber führte fie doch das gemeinfame Intereffe der Herrfchfucht
der Priefter gegenüber zufammen. Stark durch ihre
Vereinigung, wufsten fie allmählich eine cultifche Handlung
nach der andern fich anzueignen, bis fie zuletzt,
nachdem fchon der Cultus ein falt ganz levitifches Gepräge
erhalten, in ihrem Uebermuth beinahe auch das Räuchern
an fich reifsen wollten, wenigftens verlangten fie die
Rauchpfannen bis zum Altar tragen zu dürfen. Ueber
diefe Unverfchämtheit aber waren felbft die Schriftgelehrten
aufser fich, welche auf die Seite der Priefter
traten, fo dafs durch vereinte Kräfte die levitifche An-
mafsung blutig niedergefchlagen wurde. Diefen Sieg
beutete nun die Priefterfchaft mafslos aus. Eaft aus
allen eigentlich cultifchen Eunctionen wurden die Leviten
verdrängt, ja man liefs fogar die Laien zu manchen Acten
zu, um der Leviten fich zu entledigen. Auch aus dem
Beamtenftande fchaffte man fie heraus und brachte fie
durch die völlig widerbiblifche Zehntentziehung an den
Bettelftab. Nur die Thorwärterdienfte unter Oberaufficht
derPriefter und dieTempelgefänge, welche fonft Niemand
verftand, verblieben den Leviten. In diefem Nothftande
nahm fich derChronift der armen Leviten an, welcher den
Vorfatz fafste, eine Apologie derfelben zu fchreiben. Er
hütet fich freilich aufs Aeufserfte, die Privilegien der
Priefter irgendwie anzufallen, denn fonft würde er feinen
Schützlingen mehr gefchadet als genützt haben, aber er
bringt, wo es geht, das fegensreiche Wirken der Leviten
an und malt mit fchönen Farben die glückliche Zeit, wo
Piiefter und Leviten harmonifch zufammenwirkten. —
Das ift fo ungefähr das Bild, welches uns der Verf. vorführt.
Dafs er hierbei mit ftarken Procenten feiner Phantafie
betheiligt ift, wird fchwerlich in Abrede geftellt werden
können. Denn, um nur Einiges hervorzuheben, wie foll man
esfichvorftelligmachen, dafsdieLeviten, von deren geringer
Zahl der Verf. uns wiederholte Verficherungen ertheilt, einmal
zu folcher Höhe der Macht gelangt fein könnten, wie
das oben befchrieben ift? — P-benfo kann die Anficht,
dafs der Chronift ein Apologet des Levitenthums fei, nur
mit einer gewiffen Gewaltfamkeit durchgeführt werden.
Er verherrlicht den Cultus, aber ficher die Priefter nicht
weniger als die Leviten. — Auf Einzelnes einzugehen, ift
hier kein Raum. Beachtung verdienen der Erklärungs-
verfuch des Verhältnifses von Neh. 11 zu 1 Ch. 9, I ff.
42—44; die Bemerkung über die Stellung von Ex. 30

S. 57—61; die Anficht über die Zeit des Jochanän S. 77
u. a. m.

Jena. C. Siegfried.

Bacher, Prof. Dr. Willi., Aus der Schrifterklärung des Abul-
walTd Merwän Ihn Ganäh, (R. Jona). Leipzig, O. Schulze,
1889. (VI, 113 S. gr. 8). M. 4. —

Die vorliegende Schrift — urfprünglich dem Jahresbericht
der Landes-Rabbinerfchule inBudapeft für 1888,89
beigegeben — fetzt die fleifsigen und mit mufterhafterSorg-
falt betriebenen Studien fort, welche der Verf. feit einigen
Jahren über Abulwalid veröffentlicht hat. Der Lefer findet
diefelben verzeichnet und kurz befprochen in Pünjer-Lip-
fius' theol. Jahresbericht 1883 S. 32. 1884 S. 27. 30. 1885
S. 33—35. 41. 1888 S. 24. — Aus den fprachwiffenfehaft-
lichen Schriften des Abulwalid liefse fich fo ziemlich ein
vollftändiger Bibelcommentar zufammenftellen. Der Verf.
hat fich in obiger Abhandlung bemüht, dies annähernd
zu thun, indem er eine Art exegetifcher Chreftomathie
aus A. liefert. In 17 Capiteln werden die Eigenthümlich-
keiten der Schrifterklärung des Letzteren geschildert und
durch ein reichhaltiges mühfam gefammeltes Beifpielmate-
rial erläutert. Auf S. 88—91 ift ein werthvolles Varianten-
verzeichnifs zum Bibeltexte aus A.'s Schriften hinzugefügt.
Wer des Verf.'s gediegene Art zu arbeiten kennt, wird von
vornherein nicht daran zweifeln, dafs wir hier einen neuen
werthvollen Beitrag zur Gefchichte der jüdifchen Auslegung
des A. T.'s erhalten, und nach der Lefung der vorliegenden
Abhandlung wird er in diefer Ueberzeugung beftärkt
werden.

Jena. C. Siegfried.

Saadia, Gaon, Das Buch Hiob, überfetzt und erklärt.
Nach Handfchriften der Bodlejana und der königl.
Bibliothek in Berlin, hrsg. und mit Anmerkungen ver-
fehen von Dr. John Cohn. Altona 1889. [Berlin,
Mayer & Müller.] (112 S. gr. 8.) M. 3. —

Die vorliegende Ausgabe der Hiob-Ueberfetzung
Saadia's (TlKäBI rTH»o) ift in mehrfacher Hinficht dankenswerte
Bisher war man nur auf die von Ewald in
Ewald's und Duke's Beitr. z. Gefch. d. älteft. Ausleg. I
veröffentlichten Auszüge angewiefen. Und auch unter
diefen befindet fich noch eine ganze Reihe unechter
Ueberfetzungen, die Ewald nicht ausfeheiden konnte,
da ihm nur eine (Oxforder) HS. zur Verfügung ftand.
Cohn dagegen hat 3 HS., 1 Berliner und 2 Oxforder,
benutzen können und war dadurch in der Lage, alles
Nichtfaadianifche reinlicher auszufcheiden.

Unter dem Text giebt Cohn die Anmerkungen Saadia
's zu feiner Ueberfetzung, die aber in den benutzten
HS. nicht vollftändig erhalten find. Das ift um fo bedauerlicher
, als die Ueberfetzung ohne diefelben oft
dunkel ift. Doch leiftet der Kitäb-al-amänat {ed. S. Landauer
) hier gute Dienfte.

Seite 8 werden die Citate aus Saadia, die fich bei
den rabbinifchen Exegeten finden (nämlich bei Simon
ben Zemach, Dunafch ben Labrat, ibn Ganäh, ibn Ezra,
Kimchi, Bechai), zufammengeftellt, als Beweis für die
Echtheit der vorliegenden Verfion. S. 91 —105 giebt der
Verf. ziemlich willkürlich ausgewählte Anmerkungen. Die
Varianten (S. 106—112) follten von Rechts wegen unter
dem Text flehen. — Sehr lehrreich für die Beurtheilung
des Ueberfetzungscharakters das Saadia ift die Ver-
gleichung mit dem polyglottifchen Araber.

Aus Z. A. W. 1889, 3 (Verfion d'Ifaie de R. Saadia
par J. Derenbourg, Avant-Propos) erfehe ich, dafs
fchon ein gewiffer Dr. Levy die erften Capitel der
Saadianifchen Hiobüberfetzung veröffentlicht hat. Dem
Herausgeber fcheint das entgangen zu fein. Auch ich