Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1890 Nr. 26

Spalte:

660-661

Autor/Hrsg.:

Harttmann, Karl Frdr.

Titel/Untertitel:

Harttmann‘s Kasual- und Passionspredigten. 3. u. 6. Bd. 2. Aufl 1890

Rezensent:

Wächtler, August

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

659

Theologifche Literaturzeitung. 1890. Nr. 26.

660

I, 85, .Das Wandein des Sterns vor den Magiern her ift
von dem Augenfchein zu verftehen'. 1,89. Jefu Ab-
ficht, als er in die Wüfte ging, war, den Eindruck, welchen
er bei feiner Taufe empfangen hatte, innerlich zu
verarbeiten' u. f. w. I, 93; ,die Reife Pauli nach Arabien
gefchah, um jeder Beeinfluffung durch ältere Apoftel
auszuweichen und fich in der Stille für feinen hohen
Beruf vorzubereiten'. I, 202. (Wo fteht das?) Jefus wendet
Joh. 1, 52 das Bild von der Himmelsleiter an; denn
er ift die rechte Verbindung zwifchen Himmel und Erde'.
I, 96. (Ift er wirklich dort als Himmelsleiter und nicht
vielmehr als das perfönliche Bethel gedacht?) ,St. Paulus
fchweigt 14Jahre lang überfeine hohen Offenbarungen'.
I, 133 (ergiebt fich das wirklich aus 2 Cor. 12, 2—4?).
.Warum keine Engelserfcheinungen heute mehr? Weil
Gottes Wort den Weg zur Seligkeit klar anzeigt'. I, 141.
,Die Diener der Kirche reichen uns das hochzeitliche
Kleid, in dem wir vor Gott beftehen können'. I, 159.
,Mücken feigen und Kameele verfchlucken ift einerfeits
ein Bild von der höchften Genauigkeit in der Beobachtung
der Speifegefetze'(?) u. f. w. I, 161. ,Die Montaniften
drängten den Mittelpunkt, die Lehre von der Rechtfertigung
des Sünders aus Gnaden, aus dem Centrum
der chriftlichen Anfchauung in die Peripherie'. II, 5. ,1m
Mittelalter fcheidet die griechifch-orientalifche Kirche
aus'. II, 32. ,Uie Religion ift etwas dem Menfchen Angeborenes
'. II, 106. ,Die Wiedertäufer trieben ihr Höllenwerk
'. I, 164. Andere unklare und willkürliche Gedanken
finden fich I, 80. 94. 107. 120. 145. 200. 216. 217. II, 2.
13. 53. 106. 109. 115. 129. 130. 164. 176. 191; ungenaue
und ungenügende Behauptungen II, 23. 36. 41. 5c. 54.
156. 157. 159. 170, 171. Bei den Fragen der Glaubenslehre
klingen die Ausfagen vielfach aufserordentlich naiv
und rationalifirend. Das Wunder zu Cana ,befteht darin,
dafs Jefus einen fonft langfam fich vollziehenden Vorgang
in der Natur (denn alljährlich wird das Waffer der
Rebe zu Wein) in einen Augenblick zufammendrängt'O).

I, 97. Das Wunder von der Stillung des Meers ,geftattet
allegorifche Anwendung'. I, 115 (die andern nicht? und
weshalb gerade dies?). Der Ausdruck Luc. 10, 18 ift
,hochpoetifch, und es ift überflüffig, dabei an irgend eine
finnlich wahrnehmbare, beftimmte Begebenheit zu denken
'. I, 134. (Weshalb ift das nur hier .überflülfig' und
anderwärts unerlaubt?) ,Von einer Entwicklung eines
einfachften Organismus zu immer vollkommneren Ge-
ftalten und endlich zum Menfchenleibe im Sinne Dar-
win's ift in der heiligen Schrift nicht die Rede'. II, 117.
,Was die Schrift dem „neuen Menfchen" zufchreibt, mufs
auch der erfte Menfch gehabt haben'. II, 120. (Weshalb?)
.Glauben fordert beides, Chriffenthum und Heidenthum,
altes wie modernes, hinfichtlich des Anfangs der Dinge
oder der Schöpfung. Das geftehen ehrliche Materialiften
zu. Drum bekennen wir mit dem nicaenifchen Glau-
bensbekenntnifs: Ich glaube' u. f. w. II, 117. Gott forgt
für das Fortbeftehen der Welt ,1) durch Einführung der
Naturordnung, 2) durch Erhaltung der Naturkräfte (Centri-
fugal- und Centripetalkraft), 3) durch Erhaltung der er-
fchaffenen Dinge'. II, 127. ,Gott zieht die freien Handlungen
und die Gebete kraft feiner Allwiffenheit und
Allweisheit bei feiner Weltregierung in heilige Erwägung'

II, 129 (— als .werthvolles Material?'). .Wenn bei St.
Paulus die befondere Weifung fehlt, dafs die ordnungs-
mäfsig eingefetzten Diener am Wort auch die Sacra-
mente verwalten follten, fo liegt es daran, dafs eine befondere
Veranlaffung zu einer fo felbftverftändlichen Vor-
fchrift(!) nicht vorlag'. II, 160. ,Was die Gegenwart Chrfti
im Abendmahl anbetrifft, fo neigen die Kirchenlehrer
der erften Jahrhunderte zu der Annahme einer Verwandlung
der Elemente in Leib und Blut Chrifti, bis der Abt
zu Corbie in der Picardie, Paschafius Radbertus, zur Zeit
Karl's d. Gr.(?) die Verwandlung (Transfubftantiation)
lehrte, eine Lehre, die unter Innocenz III. 1215 kirch-
licherfeits angenommen wurde'. II, 172. Ferner vgl. II,

in. 118. 120. 124. 125. 126. 128. 167. 177. I, 36. 106.
107. 133. 199. 185. Dafs der Verfaffer über die Bekennt-
nifsfchriften, ihre Gefchichte und ihr richtiges Verftänd-
nifs nicht genügend unterrichtet ift, ergiebt fich aus den
oben angeführten Belegen und aus dem, was er II, 112
über das altkirchliche Dogma von der Trinität ausführt.

Das vorliegende Buch ift alfo, wie es jetzt geftaltet
ift, überhaupt nicht oder nur für ein befchränktes Publicum
brauchbar. Es ift keinem Lehrer zuzumuthen, mit
folchen Erörterungen vor feine Schüler zu treten. Ich
könnte die Beifpiele aus der vorliegenden Arbeit noch
bedeutend vermehren; aber es ift genug. Schon die bisherige
Ausführlichkeit will begründet fein. Sie foll be-
weifen, dafs das oben gefällte abfällige Urtheil nicht
durch den theologifchen Standpunkt des Verfaffers, fondern
durch die fachlichen Mängel feiner Arbeit veran-
lafst ift, wenn auch vielleicht beides nicht völlig unabhängig
von einander ift. Sie foll ferner dazu beitragen,
dafs das jetzt einmal wieder überhand nehmende fcham-
lofe Treiben anonymer Recenfenten, die der buchhändle-
rifchen Reclame oder dem kirchlichen Parteiintereffe
billige Dienfte leiften, nach Kräften eingefchränkt werde.

Magdeburg. W. Bornemann.

Harttmann's, Karl Frdr., Kasual- und Passionspredigten.

Hrsg. von weil. Pfr. Karl Chr. Eberh. Ehmann. 3. u.
6. Bd. 2. Aufl. Heilbronn, Scheurlen's Verl. (8.)
M. 7. 50.

Inhalt: 3. Paffionspredigten. Hrsg. v. Dek. Otto Schott. (VIII,
370 S.) 1890. M. 3. 50. — 6. Leichenpredigten. Neue Sammlung.
Aufs neue hrsg. v. Dek. Otto Schott. (XV, 475 S.) 1889. M. 4. —

Die wiederholten Auflagen beweifen es fchon, dafs
K. F. Harttmann's Predigten ihren Werth behalten und
bis in unfere Zeit Anerkennung gefunden haben. Der
Verfaffer ift i. J. 1815 geftorben. Sein auch in die neueren
norddeutfchen Gefangbücher aufgenommenes Lied
, kindlich bricht der heifse Tiegel' wird feinen Namen in
der evang. Chriftenheit deutfcher Zunge erhalten. In
Süddeutfchland Rheinen auch feine Predigten heute noch
Eingang zu finden. Der Band Paffionspredigten enthält
80 mehr oder weniger ausgeführte Betrachtungen über
das Leiden Chrifti, welche entweder einen Abfchnitt der
Leidensgefchichte auslegen und anwenden oder auf
Grund eines andern Bibeltextes fich über das Leiden
Chrifti verbreiten. Die ganze Leidensgefchichte bis zum
Begräbnifs ift berückfichtigt; über einzelne Abfchnitte
find mehrere Predigten aufgenommen. H. hat es ganz
befonders verftanden, den Hörern zu Herzen zu reden,
nicht in aufregender oder erfchütternder Sprache, fondern
in fchlichter und einfältiger Darlegung der bibli-
fchen Wahrheit. Diefe will er der Gemeinde bezeugen
und thut es ohne apologetifche Künfte und gelehrten
Apparat, aber aus tiefer Liebe und reicher Erfahrung
heraus. Die mannigfaltige und anfaffende Anwendung,
welche er überall macht, ift immer eine wahrhaft geift-
liche, auch ,die Glaubigen' fördernd und tiefer gründend.

Noch werthvoller erfcheinen uns die 112 Leichenpredigten
, welche der Pierausgeber nach der Aufeinanderfolge
der biblifchen Bücher, denen die Texte entnommen
find, geordnet hat. Gegenüber der Klage des Herausgebers
, dafs heute der Rückfall in die heidnifche Unfitte
der Lobreden an Gräbern in erfchreckender Allgemeinheit
wahrzunehmen fei, während H.'s Predigten zeigen,
dafs der befte Troft und die ftärkfte Mahnung in der
einfachen Verkündigung des göttlichen Wortes liege, ift
zunächft daran zu erinnern, dafs hier keine Grabreden, fondern
Leichenpredigten geboten werden. Was die ,Per-
fonalien' anbetrifft, fo ift zwar aus den mitgetheilten
Proben zu erfehen, dafs H. nicht in Lobreden verfallen
ift, aber über die ganze Art der Verwendung liefse fich
erft ein ficheres Urtheil gewinnen, wenn diefe ,Perfo-