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Ausgabe:

1890 Nr. 2

Spalte:

657-660

Autor/Hrsg.:

Meinke, Ernst

Titel/Untertitel:

Hilfsbuch für den evangelischen Religionsunterricht in den oberen Klassen höherer Schulen. 2 Tle 1890

Rezensent:

Bornemann, Wilhelm

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Seite 1, Seite 2

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657 Theologifche Literaturzeitung. 1890. Nr. 26. gjg

Raufcher und Wifeman, der Bifchöfe Hofftätter, Ketteier
, Martin u. f. w. nicht fehlen.

Dafs der Verf. fo viele (45) Abtheilungen gemacht
hat, ift der Ueberfichtlichkeit nicht förderlich und hat
Wiederholungen veranlagt. Von den S. II verzeichneten
vier .Exempelbüchern' von J. Keller kommen drei
fpäter noch einmal vor. Die Schriften über Lourdes und
Marpingen ftehen theils unter Nr. 36, theils unter Nr. 39.
Maria von Agreda (S. 22) und Maria von Jefus (S. 24.
105) find Eine Perfon, dagegen der h. Nikolaus und der
fei. Nikolaus von der Flue (S. 109) zwei Perfonen. Ein
Buch über die Capelle von .unferer lieben Frau von den
Engeln' (Portiuncula) hat nichts zu thun mit der Karmeliterin
,Maria von den Engeln'. Ein Buch über ,Simon
Petrus und Simon Magus' follte nicht unter Simon
(S. 116), fondern unter den Schriften über den Apoftel
Petrus (S. 27) ftehen. Ob eine Schrift von J. Emele
,Ueber Amulete und was darauf Bezug hat' unter die
Rubrik .Medaillen-Verehrung' gehört, ift mir zweifelhaft;
gewifs gehört aber Julian der Abtrünnige nicht zu den
Päpften (S. 13). ,Blumen aus dem Garten des h. Dominikus
' gehören nicht zu den .feraphifchen' (d. i. Francis-
cancr-)Legenden (S. 66). Unter der Rubrik .Wunder'
fleht auch ein .Bericht über die Wunderheilungen des
Schäfers H. Mohr' (1842), obfchon der Schäter von
Niederembt auch in römifch-katholifchen Kreifen fchon
viel länger discreditirt ift, als Marpingen und Mettten-
buch (S. 49). Wenn diefe beiden ,Muttergottes-Er-
fcheinungen', obfchon fie abgethan find, noch Aufnahme
gefunden haben, fo hätte Dittrichswalde nicht fehlen
follen, worüber 1877 ein von dem jetzigen Erzbifchof
von Köln approbirter Bericht erfchienen ift.

.Reiching, C. B., m. Vorw. von Card. Wifeman, Neue
Siegespalmen' fieht fo aus, als ob der Cardinal zu einem
Buche von Reiching ein Vorwort gefchrieben; das Vorwort
fteht aber vor einem anonymen englifchen Buche,
welches Reiching nur überfetzt hat. Der Mann, der
S. 35 als Rouard, de, Card. P. A. M. und S. 53 als Card.
P. M. Rouard figurirt, war nicht etwa ein Cardinal, fondern
ein Dominicaner-Pater Pius Maria Rouard de Card.
(Diefer hat übrigens auch eine Brofchüre über Savona-
rola gefchrieben, und fo gut wie Tetzel hätte auch diefer
einen Platz verdient.) Wenn der Verf. S. 28 nicht einfach
,Predigten über die Apoftel' fagen wollte, fo durfte
er allenfalls .apoftolologifche', jedenfalls nicht .apofto-
logifche' Predigten fagen. Bei dem Buche über Cyprian
von Carthago S. 82 fehlt der Name des Verfaffers
B. Fechtrup. Franz Xaver Kraus wird hartnäckig F. H.
Kraus genannt. Auch fonft finden fich in den Namen
mehr Druckfehler, als in einem bibliographifchen Buche
zu entfchuldigen ift: Wifemann ft. Wifeman, Artaut ft.
Artaud, Schündchen ft. Schündelen, Kleinheide ft. Kleinheidt
, Johner ft. Johnen, Haufen ft. Hänfen, Laffere ft.
Lafferre , Buttler ft. Butler, Dalgairus ft. Dalgairns, Jochim
ft. Joachim. Diefe Fehler finden fich grofsentheils auch
in den Regiftern.

Meinke, Divif.-Pfr. Ernft, Hilfsbuch für den evangelischen
Religionsunterricht in den oberen Klaffen höherer
Schulen. 2 Tie. Berlin, Reuther, 1890. (gr. 8.) M. 4 —

Inhalt: Heilsgefchichte des alten und neuen Teftaments, nebft Kibel-
kunde. (VIII, 264 S. m. 2 Karten.) M. 2. 40. — 2. Kirchen-
gefchichte. Glaubens- und Pflichtenlehre. (VII, 205 S.) M. t. 60.

Es ift kein Vergnügen, ein Werk von faft 500 Druckfeiten
, welches, umfaffend und planvoll angelegt, mit
grofsem Fleifse und grofser Liebe gearbeitet und auch
mit praktifchem Gefchick gegliedert und durchgeführt ift,
kurzer Hand als unbrauchbar bezeichnen zu müffen. Der
Religionslehrer mag vielleicht aus einzelnen Abfchnitten
und Bemerkungen des vorliegenden Hilfsbuches, befon-

ders aus der Verwerthung des Stoffes für das praktifche
Leben, einiges lernen. Den Schülern der oberen Claffen,
für die es beftimmt ift, darf man es nicht in die Hände
geben. Nicht nur delshalb, weil es zwar nicht zu inhaltsreich
, aber viel zu breit gefchrieben ift; weil es häufig
ein Verfahren einfehlägt, welches mehr der Homiletik
als dem Unterricht entfpricht; weil es den Schülern die
Arbeit des Nachdenkens und die Freude des eignen
Findens in grofsen und kleinen Dingen erfpart; fondern
vor allem, weil das Buch von unrichtigen und unklaren
Behauptungen wimmelt und an manchen Stellen — ich
mufs es offen fagen — geradezu Unfinn darbietet. Ich
begründe dies harte Urtheil durch eine Blumenlefe aus
dem Buche.

,An Stelle des 7. Tages ift in der Chriftenheit der
erfte Tag als Ruhetag getreten'. I, 27. ,Das Paffahfeft,
auch Mazzotfeft (Feft des ungefäuerten Brotes) genannt,
am 14. Nifan'. I, 27. ,Durch die Strafgerichte wurde das
Volk Ifrael von der Hoffnung auf weltliche Machtftellung
geheilt'. I, 82. ,Der Satz fides praccedit intellectum war
und ift heute noch der Grundfatz der chriftlichen Myltik'.
I, 126. ,Der Herr hatte mit dem Volke von Galilaea gebrochen
'. I, 129. ,Die Feuerflammen, die fich in der Form
von Zungen auf die Häupter der Jünger niederliefsen'.

1, 195 (vgl. den griechifchen Wortlaut von Act. 2, 3).
Paulus und feine Begleiter lind aus dem Kerker zu Phi-
lippi ,durch den Engel des Herrn gerettet'. [, 207. .Die
Auffaffung der chriftlichen Heilswahrheiten geftaltet lieh
von Periode zu Periode vollkommener'. II, 2. .Der Presbyter
Arius in Alexandrien trat, um nicht zum Mo-
narchianismus zu kommen, mit der Lehre auf, dafs
der Sohn nicht gleich ewig und nicht wefensgleich mit
dem Vater fei'. II, 15. ,Die Lehre des Athanasius wurde
in dem fog. Athanalianifchen Symbol, deffen Verfaffer
unbekannt ift, zufammengefafst. Die arianifche Kirche
führte von da ab (d. h. von 381) ein gefondertes Leben'.
II, 16 vgl. 112. ,Wir nennen den Pelagianismus, weil er
den Mittelpunkt der katholifchen Heilslehre bildet, das
Materialprincip der katholifchen Kirche'. II, 42. ,Der
Dominikaner Prierias hatte fie (nämlich gewiffe Behauptungen
) in einem Gefpräch mit Luther über den
Ablafs unter andern ausgefprochen'. II, 59. (Gemeint ift
des Prierias Schrift Dia/ogus). ,Die Gegenmafsregel auf
lutherifcher Seite war der Abfchlufs des Torgauer Bünd-
nifses feitens der lutherifchen Fürften. Ihr Bekenntnifs
legten die P'ürften in den „Torgauer Artikeln" nieder'. II,
72. (Alfo Verwechfelung der Torgauifchen Bundesacte
mit den Torgauer Artikeln.) ,Die Confirmation ift feit
Spener eine fefte Ordnung in der evangelifchen Kirche'.
II, 171. Was II, 168 über Act. 19, 1—6 gefagt wird, ift
gröfstentheils Phantafie. Andere unrichtige Angaben finden
fich I, 172. 196. 225. II, 2. 3. 7. 9. 13. 15. 17. 19. 23.
46. 51. 55. 56. 57. 70. 84. 121. 175. Die Angaben für die
Concordienformel (1570) und den Tod des Konrad von
Marburg (1223) und Petrus Lombardus (1160) mag man
für Druckfehler halten.

Dazu kommt eine Fülle von unklaren, fchiefen, willkürlichen
, ungenauen, gefuchten und gezwungenen Behauptungen
und Erklärungen. ,Das Ruhen Gottes war
keine Unthätigkeit, fondern nur ein Aufhören feines
Schaffens'. I, 5. ,Von dem göttlichen Ebenbilde im
Menfchen ift nur noch die Sehnfucht nach Erlöfung und
fittlicher Vollkommenheit übrig geblieben'. I, 7. .Die
Söhne Gottes Gen. 6 find wahrfcheinlich die Nachkommen
Seth's'. I, 8. ,Lot's Weib wurde von den Harzmaffen
umgeben und verfteinerte'. I, 13. .Abraham ift nach Jac.

2, 21 durch feine Werke vor den Menfchen gerechtfertigt
, d. h. als gerecht erkannt worden'. I, 13. ,Gott
trat dem Jacob als Feind gegenüber wegen all des Unrechts
, das diefer bisher ausgeübt hatte; erft nachdem
Gott bezwungen, verlohnt ift, wird auch der feindlich ge-
finnte Efau Jacob's Freund'. I, 15. Unter der Jugend-
gefchichteJefu' wird auch feinePraeexiftcnzbefprochen.