Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1890 Nr. 26

Spalte:

653-654

Autor/Hrsg.:

Loofs, Friedr.

Titel/Untertitel:

Leitfaden zum Studium der Dogmengeschichte, zunächst für seine Vorlesungen. 2., verb. u. verm. Aufl 1890

Rezensent:

Harnack, Adolf

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

653

Theologifche Literaturzeitung. 1890. Nr. 26.

654

(S. 963). 2 Petr., von 90—100 ,fehr wohl' im Gottes-
dienft zu Rom gelefen, mag hernach allmählich wegen
der Fremdartigkeit feines Inhalts (!) zurückgeftellt worden
fein (S. 961). Vom Hebräerbrief, deffen Gefchicke denen
des Jac. ähnlich find, ift ,fehr wahrfcheinlich, dafs bei
der Veranftaltung der Sammlung paulin. Briefe diefes
Sendfehreiben mit dem vollen Bewufstfein, dafs es nicht
von PL, fondern von einem geiftverwandten Lehrer herrühre
, hinzugefügt und als Beilage zu der paulin. Sammlung
nach auswärts verbreitet wurde'. — Schlimmeres
als in diefem Buche hat Z.'s Phantafie felbft in der For-
fchung über den Evangeliencommentar des Theophilus
von Antiochien nicht geleiftet.

Marburg. Ad. Jülicher.

Loofs, Prof. Dr. Friedr., Leitfaden zum Studium der
Dogmengeschichte, zunächft für feine Vorlefungen.
2., verb. u. verm. Aufl. Halle a/S., Niemeyer, 1890.
(XIX, 445 S. gr. 8.) M. 5.-

Der im Jahrgang 1889 diefer Zeitung Nr. 26 angezeigte
Leitfaden der Dogmengefchichte hat fo fchnell
Anerkennung gefunden, dafs bereits eine zweite Auflage
nöthig geworden ift. Der Verfaffer hat diefelbe fo gründlich
beforgt, dafs er die Darfteilung der Dogmengefchichte
der drei erften Jahrhunderte neu gefchrieben hat; aber
auch fonft ift das Werk vielfach vermehrt, durch umfängliche
Literaturangaben bereichert und einheitlich
revidirt worden. Das Buch ift in diefer neuen Geftalt
noch viel brauchbarer geworden als in der alten, und
ich kann nur wünfehen, dafs es dem Studium der Dogmengefchichte
zu Grunde gelegt werde. Ganz vortrefflich
find namentlich die einleitenden Paragraphen 5—9 über
die griechifch-römifche Philofophie und das Judenthum
und die Paragraphen 19—24 (die katholifche Kirche im
endenden zweiten Jahrhundert). Die Trennung des Irenäus
und Tertullian in der Darflellung erweift fleh als zweck-
mäfsig, und der Ueberlegung im hohen Grade würdig
ift die befondere Hervorhebung der vorderafiatifchen
Theologie in ihrer grundlegenden Bedeutung für die
Dogmengefchichte (S. 59L" 79—85. 127h 130h). Doch
bin ich nicht fleher, ob der Verf. dem geographifch etwas
weitfehichtigen Begriff ,vorderafiatifche Theologie' nicht
zu viel Ehre anthut. In Kürze läfst fleh diefe wichtige
Frage nicht behandeln. Seiner Abgrenzung des Stoffes
ift der Verf. treu geblieben, indem er bis zu den sym-
bolifch fixirten Ergebnifsen der Reformationszeit vor-
fchreitet. Diefe Abgrenzung läfst fleh natürlich auch
vertheidigen, und fie hat vor der von mir befolgten den
Vortheil voraus, dafs der horror vacui, der nach den
»Ausgängen der Dogmengefchichte' eintritt, nicht fo
fühlbar wird. Mir aber lag es gerade daran, diefen horror
hervorzurufen, um heilfame Unruhe in den Gemüthern
zu erwecken, die freilich lieber beruhigt fein wollen. In
Wahrheit betheiligt fleh auch der Verf. an diefer Auf-
ftachelung, denn er fchliefst nicht mit den Symbolen
des 16. Jahrhunderts, fondern mit einer fummarifchen
Kritik derfelben, die zu dem Ergebnifse führt, dafs eine
dem alten Begriff der lex fidei entfprechende Geltung
des lutherifchen Concordienbuches innerhalb der Union
eine Unmöglichkeit ift. In der Union ift fie unmöglich,
im Lutherthum ift fie unwirklich. Alfo befindet fleh auch
im Sinne des Verf.'s die evangelifche Kirche in einer
fchweren Selbfttäufchung, wenn fie meint, fie habe in
der Gegenwart nichts anderes zu thun, als das Erbe der
Väter zu bewahren. Verharrt fie in diefer Selbfttäufchung,
fo wird fie die ,Claflicität' der griechifchen Kirche zu
erwerben vermögen; aber fie wird mit diefer Clafficität
auch das ganze Inventar jenerKirche übernehmen müffen,
d. h. alle jene Stücke, von denen uns die Reformation
befreien wollte. Man wende nicht ein, dafs die .Reformationskirchen
' dagegen gefchützt find. Neue Etiquetten

und Namen bieten fleh jetzt fchon an, um das alte
katholifche Inventar mit Anftand zurückzuführen. Die
evangelifche Theologie darf dem gegenüber in der
Arbeit nicht müde werden, zu zeigen, in welcher Richtung
der nothwendige Fortfehritt zu fuchen ift. An
diefer Arbeit hat fleh der Verf. in hervorragender Weife
betheiligt.

Berlin. A. Harnack.

Lactanti, L. Caeli Firmiani, Opera omnia, accedunt car-
mina eius quae feruntur et L. Caecilii qui inscriptus
est de mortibus persecutorum liber, recensuerunt
Sam. Brandt et Geo. Laubmann. Pars I. Divinae
institutiones et epitome divinarum institutionum, re-
censuit Sam. Brandt. [Corpus scriptorum ecclesiasti-
corum latinorum, vol. XIX.] Wien, Tempsky, 1890.
(CXVIII, 761 S. gr. 8.) M. 25.—

Der .chriftliche Cicero', wie ihn Pico da Mirandula
zubenannt hat, war der Erften Einer, deren Werke die
Druckerpreffe vervielfältigte. Sie hatten fleh fchon im
ausgehenden Mittelalter einer grofsen, immer fteigenden
Beliebtheit erfreut, wie die grofse Zahl — etwa 220
Brandt S. X — Handfchriften aus dem 14. und I5.jahrh.
beweift, welche die Divinae Institutiones (nicht Inst. Div.
S. VIII) enthalten. Diefes Anfehcn ift im 15. und 16.
Jahrh. noch gewachfen: 14 Ausgaben wurden noch im
15. Jahrh. nach der edit. princ. von 1465 nöthig (S. XII),
im 16. fogar 24 (nach Richardfon, Bibliogr. Synopsis,
1887, S. 78); das 17. brachte 9, das 18. 7 (Rieh. a. a. O.),
darunter die befte von Buenemann 1739. Dagegen hat
unfer Jahrhundert nur 4 Ausgaben aufzuweifen, das
Intereffe hat alfo fichtbar nachgelaffen. Für die Kritik
des Textes ift vollends fo gut wie nichts gefchehen, und
die richtigen Grundfätze dafür feftzuftellen, blieb einer
neuen Ausgabe vorbehalten (S. XII).

Von diefer liegt uns der erfte Band vor, die Divinae
Institutiones und Prolegomc/ia enthaltend, eine ganz ausgezeichnete
Leiftung, die fleh den bellen unter den
.Wienern' würdig anreiht. Schon die Specialarbeiten
Br.'s über kritifche Einzelfragen (vgl. diefe Zeitung
1890, Sp. 201 ff.) und feine Unterfuchung über das Leben
des Lactantius, denen noch eine weitere über die Ent-
ftehungsverhältnifse feiner Profafchriften folgen wird,
mufsten die Hoffnungen auf die Ausgabe hoch fpannen,
nicht zu hoch, wie fleh nun gezeigt hat.

Die Prolegomena find trotz jener Arbeiten noch fehr
umfangreich geblieben und wohl etwas breit gefchrieben.
Diefer Vorwurf trifft freilich Br. nur zum kleineren Theil,
er haftet am Latein, deffen zierliche, richtiger gefchnör-
kelte Wendungen Breite zur Pflicht machen. In der
Mutterfprache läfst fleh Alles kürzer und knapper fagen
und ohne den Firlefanz der Bücklinge nach rechts und
links in Geftalt von hochtönenden Adjectiven.— Das erfte,
umfangreichfte Capitel (lux Prolegomena befchäftigt fleh mit
der Textkritik der Inftitutionen. Diefelbe ift von der Art,
dafs abfolut flehere Mafsftäbe für jeden einzelnen Fall
kaum zu gewinnen find. Es find zwei recht alte Handfchriften
des Werkes erhalten, der Codex Bononicnsis
71. 701 und der Codex Sangallensis /rscriptus n. 213 (f. über
diefen Brandts Schrift von 1885), wenigftens für einen
grofsen Theil, beide wohl saec. VI VII. Durch ein Mittelglied
flammen diefe von einem Archetypus, wahrfcheinlich
saec. V oder gar IV (S. LXXIV), von dem auch die
übrigen wichtigen Codices irgendwie abdämmen. Schon
diefe Handfchrift kann nicht frei gewefen fein von Fehlern
und Willkürlichheiten (S. LVII), und es kann der
Fall entfliehen, dafs felbft beim Confenfus aller Handfchriften
aus Gründen innerer Wahrfcheinlichkeit eine
andere Lesart vorgezogen werden mufs (Beifpiele (S.LVII).
Auch kann eine Claffe der Handfchriften — Brandt
zählt deren 4 oder 5 — gegenüber allen andern das