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Ausgabe:

1890

Spalte:

630-632

Autor/Hrsg.:

Bonnet, M.

Titel/Untertitel:

Narratio de miraculo a Michaele archangelo Chonis patrato adiecto Symeonis Metaphrastae de eadem re libello ed. M. B 1890

Rezensent:

Krüger, Gustav

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Theologilche Literaturzeitung. 1890. Mr. 25.

630

ferneren Provinzen: einzelne Notizen daraus werden ja
wohl herkömmlich bei uns berückfichtigt; aber nicht
ohne guten Grund ftellt Sickel auch an die Vertreter der
theologifchen Disciplinen wiederholt das Erfuchen, dafs
fie zum rechten Verftändnifs und zur vollen Verwerthung
des Diurnus ihrerfeits beitragen möchten; er ift bisher
noch nicht entfernt ausgenutzt worden für Dogmen-
gefchichte oder für die Gefchichte der Papftmacht und
des Kirchenrechts. Gerade weil die Quellen für das
7. und 8. Jhdt. fo fpärlich fliefsen, können wir diefe
nicht hoch genug fchätzen, die nun durch Sickel's Kunft
uns offen gelegt und völlig gereinigt Jedermann zugänglich
gemacht worden ift.

Ich hoffe mich fpäter an folchen Arbeiten auch betheiligen
zu können; eine Debatte über Einzelheiten ift
an diefer Stelle nicht durchführbar. Doch will ich zum
Schlufs nicht unerwähnt laffen, dafs Sickel's Aufforderung
an die Theologen bereits einen erfreulichen Erfolg
gehabt hat: der bekannte Profeffor Friedrich in München
hat in den Sitzungsberichten der philofophifch-philol.
^.liÄRuhi bedarf meiner Befchemhgun^mcht, | und^hmorifchen Claffe der k. b. Akad. der Wiffenfchaften

Vaticanus wird dem Lefer vorenthalten, im Texte felber
eine Correctur nur vorgenommen, wenn ein Schreibfehler
auf der Hand liegt oder eine beffere Lesart aus
dem Ciarom. zweifellos bezeugt ift; wo Sickel blofs ver-
muthungsweife den verdorbenen Text zu berichtigen
weifs, gefchieht es in den Noten, die aufserdem jede
halbwegs bedeutfame Variante der früheren Ausgaben
mittheilen — fodafs dem Urtheil des Lefers nirgends
vorgegriffen ift. Aber wir haben es nicht nur mit einer
durch mufterhafte Solidität ausgezeichneten Textausgabe
zu thun; in der erften Hälfte der Praefatio (S. I—LVI)
hat Sickel auch Erörterungen über die Gefchichte des
Diurnus hinzugefügt, über die Zeit feiner Entftehung,
über feine Beftimmung, feinen Gebrauch u. dgl. Und
weil hierbei fehr detaillirte Unterfuchungen nöthig wurden
, hat er aufserdem fich entfchloffen, unter dem Titel
,Prolegomena zum Uber Diurnus1, genauere Begründungen
feiner Anflehten in den Abhandlungen der Wiener
Akademie erfcheinen zu laffen, wovon bis jetzt Heft I
(Band CXVII, Nr. VII 1888); und II (ibid. XIII 1889) vor

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um fo freudiger bekenne ich, mit welcher Bewunderung
ich diefe meifterhaften Forfchungen gelefen habe, die
eine Verbindung von Gelehrfamkeit, Scharflinn, metho

1890, Heft I, S. 58—141 eine Studie ,zur Entftehung des
Uber diurnus' veröffentlicht, in der er Sickel's Refultate
im Wefentlichen anerkennend, mit Hülfe feiner Ver-

difcher--Strenge und Befonnenheit repräftntiren, welche j trautheit mit den Papftbriefen und unter Heranziehung
einen Zweifel an ihren Refultaten kaum zuläfst. Sickel j auch anderen hiftorifchen Materials die Entftehungszeit
ftellt hier feft, dafs unfere vaticanifche Handfchrift kurz | einiger Formeln noch genauer zu fixiren fucht, nament-
vor 800 in Rom gefchritben ift, die claromontanifche zu I lieh ein höheres Alter ihnen zufpricht. F. 73 ift nach
Anfang des 9. Jahrhunderts ebenfalls in Rom. Verfafst ihm in urfprünglicher Faffung einem Briefe des Pelagius II
ift der Diurnus zunächst zu Schulzwecken; die angehen- j (578—590) entnommen und war das Glaubensbekenntnifs,
den Kanzlilten an der römifchen Curie follten daraus ; das die nach dem Schisma des Dreicapitelltreits zur
lernen, in welchem Stil die amtlichen Erläffe des Papftes j Kirchengemeinfchaft mit Rom zurückkehrenden Bifchöfe
bei den verfchiedenften Gelegenheiten abzufaffen wären, ; abzulegen hatten; eine Vervollständigung bezüglich der
nicht etwa die für jeden denkbaren Fall vorhandenen i monotheletifchen Ketzerei erfuhr fie 649, ganz abge-
Formeln immer wieder fklavifch abfehreiben; fie lernten
diefe Formeln auswendig, um fie bei der Abfaffung offi-
cieller Schriftstücke frei, bald hier- bald dorthin greifend
zu verwenden; und bis zum Ende des II. Jahrhunderts,
fogar je tiefer herab in der Zeit, um fo deutlicher, bemerken
wir in den päpstlichen Briefen den Einflufs diefes
Musterbuches. Allein es ilt nicht auf ein Mal entstanden
_ das ift die grosse Entdeckung Sickel's —, fondern

fchloffen worden ift fie gleich nach 687. Auch f. 74—76
paffen nach Fr. am belten in die Zeit Gregor's I. Gleich
nach Gregor's Tod, unter Sabinianus (604—606) follen
die auf die Papltwahl bezüglichen Formeln 57—63 entstanden
fein, die letzten 40 S. find einer Befprechung der
parallelen f. 82—85 gewidmet. 85 ift nach Fr. die ältefte,
es ift die von Conon 686 nach feiner Wahl gehaltene
Anfprache, 84 erinnert am stärksten an den Stil und

mindestens 4 Stucke find zu unterfcheiden: die Formeln die Sprache Paul's I (y^y—ySy) und feiner Kanzlei-

1—63 find der ältefte Beftandtheil, aus dem Anfang der
Re-derungszeit des Honorius; diefes Buch lief für fich
um* bekam dann aber gegen 700 einen Anhang (f. 64
—81). 772 wurde ein zweites Buch hergestellt (Formel
82— 00V das fchrieb man hinter den Anhang zum eriten;

f. 83 kann fchon wegen des term. .individua trinitas' nicht
unter Benedict II (684) redigirt fein, fie gehört hinter
f. 84, und f. 82 endlich hat einige ältere, in das 7. Jhdt.
reichende Beftandtheile, aber viele ihrer Wendungen und
Ausdrücke (ul prclatum est, frocercs ecclesiae, optimates

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und in dem Cod. Ciarom., der auch die Reihenfolge der Rnmnr) "

Formeln im Vat aus gut begreiflichen Motiven änderte Sffb*1STJÄ Ä?* &*"
und einige Stücke desfelben ganz weghefs, hat auch das ' ihre definitive Faffunrt *n£i fleugebraucht worden,
zweite Buch wieder einen Anhang von mindeftens 8, wie Sickel fie dar rt h allerd,ngs gehört in das Jahr 772^
bald nach 8co entstandenen, Formeln bekommen, welche I Manr),P a •

im Vat. noch fehlen (Sick, hat fie mit edirt als f.C-CVII), fraglichJanz £"^'onen Friedrich's find mir doch
und beweifen, dafs der Ciarom. ca. 20 Jahre fpäter als I reicht erCt f L„ n 5°' gewiffe Vorficht Sickels
Vat. gefchrieben fein wird. Aber nicht nur die Samm- wollten wir uns fS.en 2" ^ heran; aber wie

lungen werden von S. genau datirt, auch für eine An- Seite erft foviel FL fT ,'. T6"" au,cn,auf proteltantifcher
zahl befonders wichtiger einzelner Formeln ift er bemüht, wie hier der anziehend T," 1theilslo'~e Gelehrfamkeit
den Entftehungspunkt aufzuzeigen, und dabei findet fich . Dnirnus gewidmet war. lohn<-nden Arbeit am Uber

reichlich Gelegenheit, Irrthümer der bisherigen Forfchung, K ware-

felbft eines Duchesne, betreffs des Uber Pontificalis zu Marburg. Ad
befeitigen und neue Erkenntnifse über kirchliche Ge- ' Ucner.

pflogenheiten jener im Ganzen fo dunklen Zeit mitzu- Bonnet M Narratin j„ •

theilen' Chonis natratn l a Micnae'e archangelo

Viele der Formeln des Lid. D., befonders die Glau- ,S Datrato adlecto Symeonis Metaphrastae dl

bensbekenntnifse neugewählter Päpste oder Bifchöfe, eadem re llbcII° ed. M. B. Paris fHarh^ ,q
Papftwahlprotokolle, Wahlanzeigen nach Ravenna oder (XLVI u. 33 S. gr. 8 m 1 Ka { (Hacnette*' i8qO-
Byzanz, Synodicae des eben confecrirten Papftes, fowie Dafs in Phrvpien M ,

eine homilienartige Anfprache eines folchen an feine ehrung trotz der M hm.- a „NeiBung zur Engelver-
Gememde bieten gerade für den Kirchenhiftoriker des verfchwunden ift KÄdes Paulus (Col. 2, 18) nicht
ntereffanten viel, zur Gefchichte des fdiooue z. B., der Laodicea de^JÄÄSSfi35> Can°n def SPnode
okumenifchen Synoden der päpftlichen Decretalien, der die vÄS ^ wa™dafs ,die Chriften

Papftwahl, der Entwicklung päpftlicher Anfprüche in Engel vCnhrmL7l?™ r"? ,,h abwen^n und die

Clnen Lult (der E"gel) einführen«.