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Ausgabe:

1890

Spalte:

41-42

Autor/Hrsg.:

Schmid, Rud.

Titel/Untertitel:

Der alttestamentliche Religionsunterricht im Seminar und Obergymnasium, seine Schwierigkeiten und der Weg zu ihrer Überwindung 1890

Rezensent:

Bornemann, Wilhelm

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Seite 1

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4i Theologifche Literaturzeitung. 1890. Nr. 2.

Anfchauungen über die von ihm behandelte fchwierige
Frage und meine Erfahrungen, die ich theoretifch und
praktifch auf diefem Gebiete gemacht habe, decken fich
faft vollftandig mit den feinigen. Doppelt dankbar bin
ich ihm deshalb dafür, dafs er diefe Frage, die manchem
Religionslehrer an höheren Schulen fchwer auf dem
Herzen und im Gewiffen liegt, ausführlich zum Gegen-
ftand der Befprechung gemacht und die gegenwärtige
Sachlage, ihre Vorausfetzungen und ihre Confequenzen,
ihre eigenthümlichen Schwierigkeiten und Aufgaben in
fo meifterhaft umfichtiger Weife dargeftellt hat, bei aller
Kürze fo vollftandig und zufammenfaffend, bei aller
Entfchiedenheit fo mild und weitherzig, bei aller Wiffen-
einer Ehe, heben aber eine bereits eingegangene nicht ! fchaftlichkeit fo praktifch und unmittelbar anwendbar,

Ehe zu fchliefsen. Den Mönchsftand rechnet der Verf. in
Bezug auf das Recht, eine rechtsgültige Ehe einzugehen,
von der Schur an. Verfaffer ist alfo in diefer Frage ein
Vertreter der milderen Praxis und tritt, allerdings fchwei-
gend, dadurch der rigoriftifchen Auffaffung entgegen, die
mit dem Beginn der Rafophorie (dem Noviziat) den
Mönch bereits an alle Mönchsgelübde binden will.

Priefter- und Mönchsftand gelten ^ neben anderen
Dingen als oaiölxva cavctgemixa moXvputsa, d. h. als
folche, die eine bereits eingegangene Ehe aufheben; unter
die aawXvut unayootvziv.ü xaXvfiara fallen das unreife
Alter, das Trauerjahr und das Fehlen der bifchöflichen
Erlaubnifs. Diefe Hindernifse verbieten die Eingehung

wieder auf, fondern haben nur nachtheilige Folgen für
die betreffenden Eheleute oder den Priefter. Hier liegt
beim dritten Punkte, dem Fehlen der bifchöflichen Erlaubnifs
, für die immer fchlecht befoldeten Priefter eine
ungeheuere Verfuchung.

Bei diefem Abfchnitt lefen wir auch eine recht
intereffante Tabelle über die Trauungsgebühren, die im
Bereiche des Erzbisthums Conftantinopel an das 'Eifot-
y.ov uqtüov von den hier Eingepfarrten entrichtet werden.
Nach der politifchen Eintheilung diefer, die nach aClaffen
(Steuer?) gefchieht, bezahlen die zur erften Claffe gehörigen
für die Einfegnung einer erften Ehe iooo, einer
zweiten 1500, einer dritten 2500 Silberpiafter, die zweite
Claffe je 300, 600, 800, die dritte je 100, 200, 300, die
vierte und letzte je 50, IOO, 150 Piafter. Da 100 Piafter
ziemlich genau gleich 18,50 M. gelten, fo find das, felbft
bei dem geringen Werthe des Geldes im Orient, doch
grofse Opfer, die die Griechen auf diefe Weife ihrer
Kirche und damit allerdings ihrer Nationalität bringen.

Die a/er/z« xotlvfiata, die die Ehe jemandes mit
einer beftimmten Perfon verbieten, umfaffen, aufser den
näheren Graden der leiblichen und geiftlichen (ex ßu?r-
jioficaoc) Verwandtfchaft und ähnlichen diefen rechtlich
gleich geachteten Verhältnifsen, auch die duupouu Doi]a-
Y.tiiHtTni. Nachdem die alten Synoden die Ehen mit
Ketzern verboten, trifft diefes Verbot auch die Ehen
mit Katholiken, nachdem diefe nicht mehr als Schismatiker
, fondern als utotTtv.oi angefehen werden und folche
mit Protestanten feit 1641. Doch bemerkt der Verf.,
dafs y.uiu ai-yy-aiaßaaLv xai oly.ovofj.iav die Mifchehen
von der orthodoxen Kirche erlaubt werden, doch unter
der Bedingung, 1, dafs der orthodoxe Priefter die Trauung
vollzieht, 2) dafs die Nupturienten verfprechen, die
aus der Ehe hervorgehenden Kinder orthodox taufen
und erziehen zu laffen, 3) dafs alle zwifchen den Eheleuten
etwa entftehenden Zwiftigkeiten vor dem Tribunal
der orthodoxen Kirche zum Austrag gebracht werden.
Diefe Sätze klingen nun allerdings nicht minder fcharf
als die der katholifchen, doch geht in der Praxis die
nv/xonüßaaig und olv.ovouia der griechifchen Kirche auch

bei aller Kühnheit fo vorfichtig, bei aller Selbftbefchrän-
kung fo fruchtbar und weitfchauend. — Die Brofchüre
ift ein verbefferter Abdruck der Abhandlung im Programm
des evang. theol. Seminars zu Schönthal vom Herbft
1888 und behandelt in ihrem 1. Theile die Schwierigkeiten
des altteftamentlichen Religionsunterrichts, um im
2. Theile die Löfung derfelben darzulegen. Ich vermeide
es absichtlich, hier Einzelheiten anzuführen. Möchten
möglichft alle, die direct oder indirect ein Intereffe an
der behandelten Frage haben, fich den Genufs felbftän-
digen Studiums diefer verdienstlichen Schrift machen!
Sie wird zumal manchem fuchenden Religionsichrer und
folchen, die es werden wollen, aber auch manchem
Studenten den Weg zur Freiheit und Freudigkeit auf
diefem Gebiete führen können. Für die Praxis würde
es dankenswerth fein, wenn der Herr Verfaffer — etwa
in der neubegründeten .Zeitfchrift für den evang. Religionsunterricht
' von Oberlehrer Dr. Köfter-Iferlohn — den
Gang und Lehrplan feines altteftamentlichen Unterrichts
etwas genauer darstellen wollte, auch mit Angabe der
von ihm in der Schule zur Leetüre verwandten altteftamentlichen
Abfchnitte.

Magdeburg. W. Bornemann.

Röttig, Palt. fr. Relig.-Lehr. Dr. Jul., Hilfsbuch für den
evangelischen Religionsunterricht in den oberen Klaffen
höherer Schulen. Halle, Strien, 1SS9. (III, 96 S.
gr. 8.) cart. M. 1.20.

Der Verfaffer bietet 1) einen Abrifs der Kirchen-
gefchichte p. 1—37; 2) eine ,Dogmatik' p. 38—77; 3) in
einem Anhange eine dürftige Darfteilung der confeffio-
nellen Unterfcheidungslehren, der lieh eine Ueberficht
über das Kirchenjahr und der Wortlaut der 3 ökume-
nifchen Symbole, fowie des erften Theils der Conf.
Augustana anfchliefsen. Eine folche Verstümmelung
unferes evangelifchen Grundbekenntnifscs halte ich, wenn
fie fich auch aus theologifchen Gefichtspunkten erklärt
und in Lehrbüchern öfter findet, aus verfchiedenen
weiter, wie ich aus Erfahrung weifs. Es läfst fich viel- I Gründen für bedenklich. Auch kann beim vorliegenden

mehr mit den orthodoxen Priestern auf diefem fchvvie- j Büchlein Mangel an Raum nicht zur Entfchuldigung
rigen Gebiet in der anatolifchen Kirche auch ohne die j dienen; denn der Verfaffer hat in feiner ,Dogmatik'

widerwärtigen Kämpfe auskommen.

Den Schlufs des Buchs macht das übliche Subfcri-
bentenverzeichnifs. Es ergiebt fich aus diefem, dafs die
Mönche von Ajionoros nicht weniger als 105 Exemplare
von diefem Buch über Ehchindernifse fich erlaubt haben.

Binnen bei Nienburg a. W. Ph. Meyer.

Schmid, Prälat Rud., Der alttestamentliche Religionsunterricht
im Seminar und Obergymnafium, feine Schwierigkeiten
und der Weg zu ihrer Ueberwindung. Tübingen
, Fues, 1889. (IV, 75 S. gr. 8.) M. 2.—

Dem mir perfönlich nicht bekannten Herrn Verfaffer
diefer ausgezeichneten Schrift reiche ich im Be-

wufstfein völligen Einverftändnifses die Hand. Meine I sichere und unrichtige Notizen und Urtheile enthält

durch wörtlichen Abdruck fast aller von ihm citirten
Bibelstellen etwa 15 Seiten einem Verfahren geopfert,
deffen Grund man nicht einsieht. Die Schüler fallen
doch alle die Bibel in Händen haben und durch eigenes
Nachfchlagen und eigene Leetüre mit derfelben vertraut
werden. Seltfam genug, dafs daneben eine ,Bibelkunde'
dem Verfaffer in feinem Hilfsbuch entbehrlich fchien,
weil es ,in den oberen Claffen darauf ankomme, die h.
Schrift fclblt zu lefen und zu benutzen und die Inhaltsangaben
auf das geringste Mafs zurückzuführen'. Für
unentbehrlich halte ich einen folchen Abrifs der Bibelkunde
auch nicht; allein, wo er vorliegt, find die Schüler
des Nachfchreibens und ungeübte Lehrer des Experimen-
tirens überhoben. — Röttig's Ueberficht über die Kirchen-
gefchichte mag, wenn fie auch einzelne ungenaue, un-