Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1890 Nr. 24

Spalte:

588-589

Autor/Hrsg.:

Delff, H. K. Hugo

Titel/Untertitel:

Neue Beiträge zur Kritk und Erklärung des vierten Evangeliums 1890

Rezensent:

Holtzmann, Heinrich Julius

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

587

Theologifche Literaturzeitung. 1890. Nr. 24.

58S

die Länge der Verbalendungen i, ü, ä, wenn diefe wirklich
den Wortauslaut bilden, niemals ausdrücklich in der
Schrift hervorgehoben wird'. Alfo: in § 10 wird, das
Unbetontfein nicht aus der scriptio defectiva gefolgert;
vielmehr bekommt man den Eindruck, als fei die scr. def.
des langen Vocals eine Folge davon, dafs er unbetont
fei; in § 53, b dagegen wird das Umgekehrte gelehrt.

Rücklichtlich der drei Beweife dafür, dafs die Baby-
lonier-Affyrer ein e und e fprachen (§ 29) wäre doch der
.zweite allein eigentlich völlig hinreichend; denn haben
die Bab.-Aff. den <?-Laut in Zeichen ausgedrückt, müffen
fie ihn doch auch gefprochen haben. D. hat, foviel ich
fehe, Beweife für zwei Dinge zufammengeworfen: 1) dafür
, dafs die Bab.-Aff. ein e gefprochen haben, und
2) dafür, dafs diefes e in den in Betracht kommenden
Zeichen ausgedrückt worden ift, welch letzteres hier einfach
als gegeben vorausgefetzt ift (vgl. den zweiten und
dritten Beweis hier, ebenfo S. 48).

Dann mache ich für die Nominallehre darauf auf-
merkfam, dafs der Verf. die Ausdrücke Status absol.
und constr. auf eine Weife verwendet hat, die ich nicht
billigen kann. Eigentlich bezeichnen diefe Ausdrücke
beftimmte Verhältniffe (oder Zuftände), in denen die Nomina
ftehen, werden aber dann auch verwendet als Bezeichnung
derjenigen Formen, die ein Nomen in diefen
Verhältniffen hat (z. B. bei Olshaufen: Lehrbuch der
hebr. Sprache § 107, 3, § 124 a Anm.). Letzterer Gebrauch
von .Status constr.' liegt wohl vor bei D. Jj 128, c.
Nach anderen Stellen bezeichnet aber jeder der beiden
Ausdrücke eine beftimmte Form eines Nomens
ohne Rückficht darauf, ob diefes in der Anlehnung
fleht oder nicht. Steht z. B. pulhat in der
Anlehnung, fo haben wir vor uns einen ,Status constr.',
fleht puluhti auf diefelbe Weife, haben wir einen ,St.
absol.'; ebenfalls fei aufser der Anlehnung erfteres ,St.
cstr.', letzteres ,St. abs.' Diefe Auffaffung finden wir
S. 191 f. (,Verwendung des Genitivs an Stelle des st.
cstr.'), § 122, 2 und 123, I. Gewifs ift es bequem, be-
fondere Namen für Formen mit und ohne Cafusvocal
zu haben; ,St. abs.' und ,St. cstr.' find aber kaum dazu
geeignet, weil man auf diefe Weife fich allzu fehr von
ihrem urfprünglichem Sinne entfernt. — In § 65 hätte
meines Erachtens Nr. 4 mit Nr. 2 und Nr. 5 mit Nr. 3
zufammen behandelt werden follen; denn der Unterfchied
bezüglich der Femininbildung (z. B. kibratu, rtfustu) berechtigt
doch kaum dazu, ganz ähnliche Masculinformen
als befondere Stammbildungen aufzuführen.

In der Verballehre hat der Verf. fich der Auffaffung
Dr. Barth's (Zeitfchrift für Affyriologie II, 375 ff.), wonach
wir das fogenannte ') Perfect im affyr. Präfens
wiederfinden, nicht angefchloffen; vielmehr entfpricht
nach D. das Perf. dem affyr. Permanfiv im Qal. Das
halte ich für richtig, finde aber feine ,Vermuthungen zur
Entftehungs- und Entwickelungsgefchichte der affyrifchen
und allgemein femitifchen Verbaltempora' (S. 239 Note)
unhaltbar. Sehen wir etwas näher zu. Nach D. ,unterfchied
das Affyrifche urfprünglich, wie es fcheint, zwei
Exiftenzweifen, je nachdem die Thätigkeit, Zuftänd-
lichkeit, Paffivität eine feiende, d.i. dauernde, vollendete,
oder eine erft werdende, eintretende, noch unvollendete
ift' (§ 86). Die hier gegebenen näheren Beftimmungen
von ,feiend' und .werdend' können nicht zutreffend genannt
werden; denn eine feiende Thätigkeit kann
nicht eine vollendete genannt werden; als dauernde
ift fie eben eine unvollendete; deshalb kann auch das
Werdende als noch unvollendet eben dauernd genannt
werden. Was den ,fprachlichen Ausdruck beider
Exiftenzweifen' 87 a. A.) betrifft, fo diente im Qal ,von
Haus aus die Wurzel in ihrer urfprünglichen Vocalaus-

1) Ich fage ,fogenannte', weil ich den Namen Perf. nicht zutreffend
finde; vgl. meine Abhandlung ,Om det saakaldte Perf. og Impf, i Hebraisk'
(Kristiania 1889) S. 87—90.

fprache', d. h, bei der dreiconfon. Wurzel eine Form wie
kasad (s. S. 237 Z. 14 f.) ,als Grundthema für beide
Exiftenzweifen'. Etwas fonderbar fcheint es mir, dafs
zwei urfprünglich unterfchiedene Exiftenzweifen
von Haus aus nur durch ein Thema ausgedrückt fein
füllten.

Endlich eine Bemerkung betreffs einer Stelle der
Satzlehre. § 135 fetzt voraus, dafs das Verbalfuffix
verfchiedene Verhältniffe (nicht nur Objectsverhältnifs)
bezeichnen kann (z. B. Z. 5: ,Dativbedeutung'). Dies
hätte gern irgendwo ausdrücklich bemerkt werden können.
Man kann nicht fagen, es liege indirect in dem auf S. 13S
neben ,mich' zwei Mal auftretenden ,mir'; denn die betreffenden
Verba könnten ja zu denjenigen gehören, die
mit zwei Accufativen verbunden werden.

Ich hätte viel mehr zu fagen, habe mich aber wegen
der einer folchen Anzeige gefleckten Grenzen befchränken
müffen. Indefs hoffe ich Gelegenheit zu bekommen, Alles
im Zufammenhang anderswo zu veröffentlichen. Was ich
auszuftellen habe, hindert mich indefs gar nicht, zuletzt
meinem verehrten Lehrer den beften Dank auszufprech.cn
für das, was er uns in feiner affyrifchen Grammatik ge-
fchenkt hat, und ich füge den Wunfeh hinzu, es mögen
feine Arbeiten auf dem Gebiete der affyrifchen Lexikographie
rafch von Statten gehen!

Kristiania. J. A. Knudtzon.

Delff, Dr. H. K. Hugo, Das vierte Evangelium, ein authen-
tifcher Bericht über Jefus von Nazareth, wiederher-
geftellt, überfetzt und erklärt. Hufum, Delff, 1890.
(XVI, 94 S. gr. 8.) M. 8. —

Derfelbe, Neue Beiträge zur Kritik und Erklärung des
vierten Evangeliums. Hufum, Delff, 1890. (37 S. gr. 8.)
M. 1. 20.

.Haben wir keine anderen Nachrichten über Jefus, als
die in den fynoptifchen Evangelien enthaltenen, fo lafst
uns nur das Buch des Chriftenthums zumachen' (S. VI).
So refolut durften wohl Schleiermacher, Lücke, Bunfen
noch reden. Heutzutage aber wird man gerechtem Befremden
damit begegnen. Indeffen bezahlt auch unfer
Verf. der veränderten Zeit feinen Tribut. Denn der
.wirklich authentifche Bericht von einem wirklichen Schüler
und Augenzeugen', deffen wir fonach bedürfen, ift nur ,im
vierten Evangelium enthalten', nicht aber identifch damit.
Von' den modernen Theilungshypothefen unterfcheidet
er fich aber wieder, wenn ihm zufolge Gefchichte und
Dichtung nicht durcheinander laufen, fondern ,beide

j Beftandtheile fich genau unterfcheidbar nebeneinander

i lagern' (S. VI); d. h. man mufs 1, 1—5. 10—18. 2, 1 —11.

| 17. 21. 22. 4,46—54. 5, 17-29. 6,1 — 29. 38. 39. 59. 7,39.
53—8, 11. 12, 16. 25—30. 33. 38—41- 13.20. 19,35—38.
20, 11 —18. 21, 1—25 ausfeheiden (dafür ftrengt der Verf.
S. 13 f. fogar einen textgefchichtlichen Beweis an) und
das Uebrige richtig, nämlich nach den in der Einleitung
entwickelten Gefichtspunkten verftehen. Was unferen
Verf. hiernach ebenfowohl von der .modernen Kritik',
mit welcher er aufser dem ,hiftorifchen Standpunkt' nichts
gemein haben will (S. V), als von der ,ganz und gar
noch in Naturalismus befangenen' Orthodoxie (S. XV)
trennt, das ift grundfätzliche Ablehnung, der dem Intereffe
des Monismus dienenden, Logoslehre als eines irgend
brauchbaren Schlüffels zum Verftändniffe des johannei-

| fchen Chriftusbildes (S. XI f. XVI). Aber fo tief und
richtig Manches in des Verf.'s, von der Heerftrafse fo
weit abliegenden, Bemerkungen über Gott und Welt,

I über Chriftus und Gott gedacht fein mag (S. XIII. 25.
40. 45. 76. 85; vgl. auch den als ,neue Beiträge' erfchie-
nenen Anhang, S. 9—II. 2of.), es deckt fich damit noch
lange nicht das, was man beim vierten Evangeliften mit
Recht dualiftifch befunden hat (S. VI, XII, XV), und noch

! weniger kann es gebilligt werden, wenn um diefer, fei es