Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1890 Nr. 23

Spalte:

573

Autor/Hrsg.:

Kukula, Rich. C.

Titel/Untertitel:

Die Mauriner Ausgabe des Augustinus. Ein Beitrag zur Geschichte der Literatur und der Kirche im Zeitalter Ludwig‘s XIV. 1. Theil 1890

Rezensent:

Reusch, Franz Heinrich

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

573

Theologifche Literaturzeitung. 1890. Nr. 23.

574

man kann über Dogma und Dogma fehr verfchieden ur-
theilen, und meine Bedenken follen dem Werth diefer
ausgezeichneten Rede nichts abziehen.

Berlin. A. Harnack.

Kukula, Dr. Rieh. C, Die Mauritier Ausgabe des Augustinus.

Ein Beitrag zur Gefchichte der Literatur und der
Kirche im Zeitalter Ludwig'sXIV. I. Theil. (Sitzungsberichte
der Kaif. Akademie der Wiffenfch. in Wien.
Philof.-hift. OL Band CXXI. V.) Wien, [Tempsky],
1890. (106 S. gr. 8.) M. 1.80.

Um das Jahr 1700 wurde ein heftiger Federkrieg
zwifchen Jefuiten und Maurinern geführt, da die von
diefen beforgte Ausgabe des Auguftinus von jenen als
janfeniftifch angegriffen wurde. Der Mauriner Vincent
Thuillier fchrieb, als er noch gleich den meiften Maurinern
Appellant war, eine Gefchichte diefes Streites und fchickte
fie dem bekannten Literaten Gl. Goujet, um fie drucken
zu laffen, was aber damals unterblieb. Nachdem fich
Thuillier der Bulle Untgenitus unterworfen hatte, arbeitete
er feine Gefchichte um. Diefe zweite Redaction wurde
'735 von B. Pez veröffentlicht, und nun gab Goujet
1736 auch die erfte heraus (f. mein Buch über den Index
II, 285). Dr. Kukula, der die Herausgabe einiger
Werke des Auguftinus für die Wiener Sammlung der
lateinifchen Kirchenfchriftfteller übernommen hat, hat
in Paris eine reichhaltige Sammlung von Aufzeichnungen
über diefen Streit eingefehen und theilt in feiner Schrift
einiges daraus mit. Es ergiebt fich daraus, dafs Goujet
von Thuillier's Gefchichte nur die erften zwei Drittel veröffentlicht
hat (S. 9).

Auch über den Streit felbft und die Brofchüren, die
von beiden Seiten erfchienen, erhalten wir allerlei inter-
effante Mittheilungen. Ueberfichtlich ift aber die Darfteilung
nicht, und ihr Hauptfehler ift, dafs der Verf.
vielerlei hineingemengt hat, was nur in einem lofen oder
in gar keinem Zufammenhange damit fteht und zum
Theil nicht einmal richtig ift. Ueberflüflig find z. B. die
Bemerkungen über die ältere Gefchichte der Jefuiten S.
64 ff., vor allem der Auszug aus einer anonymen deut-
fchen Schrift vom Jahre 1765 und das Verzeichnifs deffen,
was dem Verf. ,an jüngerer franzöfifcher und deutfeher
Literatur über die Jefuiten bekannt ift' (S. 69), ebenfo
die Bemerkung über die holländifchen Altkatholiken
(S. 14), die höchft oberflächliche Notiz über den Index
(S. 21). Eine ungenügende Sachkenntnifs verrathen die
Bemerkungen über das Concil von Trient und die officielle
Vulgata-Ausgabe (S. 19), über die Gefchichte des Janfe-
nismus und vieles andere. S. 6 heifst es von dem
Streite wegen der Bulle Untgenitus: ,der bekanntlich im
Jahre 1730 am Friedhofe St. Medardi auf dem Grabe des
Diakonus Paris grofse Dimenfionen anzunehmen begann
und nach zahlreichen Conflicten erft am 5. Jan. 1757 mit
dem Attentate Damiens' auf Ludwig XV. endete'! —
Anton Arnauld wird S. 54 als ,gelehrter Schwärmer'
bezeichnet; S. 37 wird ihm der Beiname d'Andilly gegeben
, den fein Bruder Robert führte. Der S. 61 erwähnte
Jefuit hiefs Bouhours, nicht Behours, der S. 62
erwähnte Cardinal Sfondrato oder Sfondrati (Sfondrate
nur bei den Franzofen); mit Louis de Serviens S. 66 ift
L. Servin gemeint; Mr. Boileau de l'Archeveche S. 79
ift der Abbe Jean-Jacques B., verfchieden von Jacques
B. — Es ift zu wünfehen, dafs der Verf. in dem folgenden
Hefte mehr Auszüge aus dem handfehriftlichen
Schatze, der ihm vorlag, und weniger Reflexionen und
Digreffionen bringe.

Bonn. F. H. Reufch.

Lea, Henry Charles, LL. D., Chapters from the Religious
History of Spain, connected with the Inquisition. Cen-

sorship of the press — Mystics and Illuminati —
Endemoniadas — El Santo Nifio de la Guardia —
Brianda de Bardaxl. Philadelphia, Lea Brothers &Co ,
1890. (XII, 522 S. 8.)

Lea's dreibändige Gefchichte der Inquifition im
Mittelalter habe ich in der Lit.-Ztg. 1888, Nr. 23 angezeigt
. Er beabfichtigt, eine Gefchichte der fpanifchen
Inquifition in der fpäteren Zeit folgen zu laffen. In dem
vorliegenden Bande find fünf Auffätze enthalten, welche
einzelne Punkte in gröfserer Ausführlichkeit behandeln,
als es in dem Zufammenhange des beabfichtigten Werkes
zuläffig fchien.

Der erfte Auffatz behandelt die Cenfur, wie fie in.
Spanien von Seiten der Regierung und der Inquifition
gehandhabt wurde. Ein grofser Theil der hier zur Sprache
kommenden Punkte ift auch in meinem Werke über den
Index behandelt; in Lea's Darftellung werden aber natürlich
einzelne Seiten des Gegenftandes ausführlicher
behandelt und manche Ergänzungen zu meiner Darftellung
gegeben. Befonders hervorzuheben find die Erörterungen
über die Einrichtung der Präventiv-Cenfur
(S. 56. 139), über die Conflicte der fpanifchen Regierung
und Inquifition mit Rom (S. 96. 124; vgl. S. 79) und
über den Einflufs der Inquifition auf die Entwicklung der
Literatur (S. 187). Ein Gefetz vom J. 1558 verbot bei
Todesftrale, ein Buch ohne Erlaubnifs der (ftaatlichen)
Cenfurbehörde zu veröffentlichen. Es wurde 1752 dahin
gemildert, dafs die Todesftrafe nur demjenigen angedroht
wurde, der ein Buch in der Abficht, die Ketzerei zu verbreiten
, veröffentlichte, andern Uebertretern eine Geld-
ftrafe und Gefängnifs. In diefer Form wurde das Gefetz
noch 1804 eingefchärft (S. 62 f.). Ueber die fpätere Gefetz-
gebung wird S. 168 ff. eingehend berichtet. Zu derUeber-
ficht der fpanifchen Indices in meinem Buche II, 8S7 ift
nach S. 185 beizufügen, dafs 1880 zu Madrid eine .officielle
fpanifche Ausgabe' des Index Pius' IX. erfchienen
ift. — In dem über das Bibellefen handelnden Abfchnitte
(S. 44, vgl. 160. 180) hätte das Buch des Furius Cerio-
lanus (Index I, 264) erwähnt werden follen.

Von den im römifchem Index in der erften Gaffe
flehenden Schriftftellern hatte allerdings Paul IV. alle
Schriften verboten; für die fpäteren Indices gilt aber,
was S. 66 nicht deutlich genug hervorgehoben ift, die
Trienter Regel, dafs nur von den Härefiarchen alle
Schriften, von den übrigen Autores primae classis nur
die libri, gut de religione cx professo tractant, unbedingt
verboten, andere Schriften, wenn fie eine kirchliche Approbation
erhalten, freigegeben find. — Wie tolerant
man in Spanien gegen manche Bücher war, zeigt die
S. 361 erwähnte Thatfache, dafs ein 1639 erfchienenes
Buch eines Fray Luis Aparicio nicht im Index fteht,
worin nachgewiefen wird, dafs dem Stammvater Adam
der Cultus eines Heiligen gebühre.

Der zweite Auffatz handelt von den von der fpanifchen
Inquifition verfolgten ,Myftikern und Illuminati'
{Alumbrados), unter denen Perfonen waren, wie die fpäter
heilig gefprochenen Therefia (und ihr Lehrer Franz von
Ofuna und ihr Beichtvater Hieronymus Gracian), Johannes
vom Kreuze,. Ignatius von Loyola und Franz Borgia,
ferner Johann von Avila, Ludwig von Granada, Bartholomäus
von Carranza (Index I, 584. 455). Aber auch eine
grofse Anzahl von weniger refpectabelen Perfonen, ja von
Betrügern und Betrügerinnen kommt in diefem Auffatze
zur Sprache. — Von dem bekannteften fpanifchen My-
ftiker, Miguel Molinos, wird verhältnifsmälsig kurz gehandelt
(S. 327. 384), weil ihm nicht in Spanien, fondern
in Rom der Procefs gemacht wurde. Juan Falconi und
einige andere, deren Schriften im Zufammenhange damit
in Rom verboten wurden (Index II, 620. 627), werden
nicht erwähnt, obfehon Alamin auch im fpanifchen Index
fteht. Aus einem ähnlichen Grunde ift wohl auch Ifabella
de Rocaberti (Index II, 258) mit Stillfchweigen über-