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Ausgabe:

1890 Nr. 23

Spalte:

571-572

Autor/Hrsg.:

Cramer, J.

Titel/Untertitel:

De Brief van Paulus aan de Galatiers, in zijn oorspronkelijken vorm hersteld, en verklaard 1890

Rezensent:

Holtzmann, Heinrich Julius

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57i

Theologifche Literaturzeitung. 1890. Nr. 23.

572

hrsg. 1 Hft.: Pf. 1—20. Berlin, Schneider & Co., 1890.
(IX, 61 S. gr. 8.) M. 1. —

Der Umftand, dafs die Heiligftedt'fchen Pfalmen es
zu 6 Auflagen haben bringen können, beweift nicht,
wie der Verf. p. VIII fagt, dafs ,etwas faul ift im Staate
Dänemark', fondern dafs gar Manche faul find imDeutfchen
Reiche. Weil jene Hülfsmittel dem Anfänger diejenige
Arbeit vorwegnahmen, deren Leiftung ihm befonders unangenehm
zu fein pflegt, in welcher aber gerade das
eigentlich Fördernde liegt, darum wurden fie fo eifrig
gekauft und fingen an, felbft für exegetifche Univerfitäts-
vorlefungen eine gefährliche Concurrenz zu bilden, die
ihrer Natur nach eben an die Selbftthätigkeit der Zuhörer
Anfprüche erheben muffen. Wir wollen nun der
vorliegenden Arbeit des Verf.'s die Anerkennung nicht
verfagen, dafs fie um einige Stufen höher fleht, als die
feiner Vorgänger. Bemüht er fich doch, feine Lefer in
das Verftändnifs der Sprache wirklich einzuführen. Aber
einerfeits ift in diefer Sache zu viel, andererfeits zu wenig
gethan. Zu viel in dem Beftreben, die vorkommenden
Worte auf eine fogen. Urwurzel und Grundbedeutung
zurückzuführen. Hier wird dem Schüler fo viel Pro-
blematifches aufgetifcht, dafs man ernftlich davor warnen
möchte, diefe Dinge ,bequem zu memoriren' (vgl. p. VI).
Ebenfo fieht man nicht, was dem Anfänger die aus dem
Arabifchen, Syrifchen, Aethiopifchen angeführten Parallelen
die zudem oft fehr fragwürdiger Natur find, nützen
follen. Zu wenig ift aber im Verhältnifs dazu gethan,
wenn blofs auf die Grammatiken von Strack und Gefenius-
Kautzfch verwiefen wird, und bei ,Fineffen' als die letzte
Zuflucht Ewald erfcheint. Hier müfste dem Anfänger
Ausficht auf die Arbeiten von ülshaufen, Stade, Eduard
König, Barth, Lagarde u. a. hie und da in den Noten
eröffnet werden. Aufserdem vermiffen wir eine energifche
Ausnutzung des gerade in philologifcher Hinficht bellen
aller Pfalmencommentare von J. ülshaufen. Mit den
Vocabelregiflern könnte noch fehr gefpart werden. S.
19 fleht z. B. die praep. 22 zweimal und folgt gleich
darauf S. 20 wieder. Wenn "der Verf. in den angedeute-
den Beziehungen feine Arbeit beffert, fo könnten wir
uns vielleicht mit derfelben ,ausföhnen' (vgl. p. VIII).

Jena. C. Siegfried.

Cramer, Hoogleeraar Dr. J., De Brief van Paulus aan de
Galatiers, in zijn oorspronkelijken vorm hersteld, en
verklaard. [Nieuwe Bijdragen op het gebied van God-
geleerdheid en Wijsbegeerte. VI.] Utrecht, Breijer,
1890. (XVI, 320 S. gr. 8.) M. 3.50.

Fafl gleichzeitig mit Baljon's Verfuch, dem Gala-
terbrief mit Mitteln der Conjecturalkritik aufzuhelfen,
legt uns der Utrechter Profeffor Cramer einen folchen
vor, und zwar einen etwas kühner vorangehenden, fofern
hier nicht blofs einzelne Worte, fondern hier und da auch
ganze Verfe ausgemerzt (3, 19. 20. 26—29. 4, 6. 24—28.
5, 3. 5. 6. 9. 14. 15. 17. 18. 22. 23. 26—6, 6. 9. 10. 15)
oder auch umgeftellt werden (2, 3 hinter 5 und 4, 31
zwifchen 4, 23 und 29). Auch ohne Textänderungen geht
es nicht ab, z. B. aus uXr^d-eia (ir) nei&eoiXai 5, 7 wird
urjdtvi 7reiiteoL>ai.

Uebrigens gehen folcherlei Experimente nicht etwa
neben der Exegefe her, fondern fie gehören mit zum
Gefchäft der Auslegung, und der Verf. thut ganz Recht,
wenn er meint, dafs Beides Hand in Hand gehen müffe.
Infonderheit glaubt er auch den Einwürfen Steck's auf
diefe Weife begegnen zu können (S. IV—XI). Beifpiels-
weife ftreicht er gleich 1, 1 ovöe öi uvlroojnov hinter ovx
ciV avOgcomov, weil ihm fowohl der Wechfel im Numerus
wie derjenige in den gebrauchten Präpofitionen unmotivirt
fcheint. Der nächfte Strich trifft die Worte 1, 4 ontog
e^eXrjzai z'ifi&g ex rov CUlbvog znv eveazäzog novvQov, weil

eS.aiqela%ai (S. 9 fleht eZagyelod-ai) und o alibv o eveotag'
unpaulinifch feien, die folgenden Worte fleh auch beffer
an das Vorige anfchliefsen. Wie hier unferes Kritikers
Vorbild, Weifse, welcher 1, 4. 5 geradezu ftreicht,
wenigftens Ermäfsigung erfahren hat, fo auch bei
nächfter Gelegenheit wieder, fofern in dem von Weifse
befeitigten Vers 1,7 mit Baijon nur die Worte o ovx
toziv äXXn als Einfchub betrachtet werden. Man kann die
grammatifche Härte diefer Stelle zugeben (fie fleht übrigens
nicht allein) und wird doch vielleicht nach härter die
Aushülfe finden, welche unfer Kritiker vorfchlägt: Paulus
habe eben bezeugt, dafs er fleh über den rafchen Abfall
der Galater wundere, verbeffere fleh aber fofort felbft
durch die Bemerkung, feitdem er wiffe, dafs das Uebel
nur von aufsen, nicht von innen gekommen fei, wundere
er fleh weniger (S. 17). Keine von den angeführten Parallelen
rechtfertigt eine folche Bedeutung von ei fir). Mehr
Berechtigung als den bisherigen Aenderungen wird man
dem Verflache, die wirklich unerklärbare Stelle 1, 10 zurechtzulegen
, zumeffen dürfen. Der Kritiker lieft hier:
zi yag; ei ävi)-QW7rovg nei&oi, tü[ Crjztö cevlXgo'ztoig äoeoxetv;
das ftimmt formell mit Rom. 3, 3 und befeitigt den
materiellen Widerfpruch mit 2 Kor. 5, II, indem es zugleich
durch Erinnerung des Abfchreibers an diefe Stelle
den Gegenfatz des 9-ebv oder dvO-gojrcovg nei^eiv einiger-
mafsen erklärt (S. 24 f.). Aber das Bequemere ift nicht
nothwendig das Richtige, welche Bemerkung ich namentlich
der einfachen Art gegenüber Hellen mufs, womit
fleh der Verf. der bekannten Schwierigkeiten in 3, 19. 20
entledigt, indem er blofs die Worte ti ovv flehen läfst
(S. 162 f.) Ueberhaupt geht es hier nicht an, ihm Schritt
für Schritt auf feinen Wegen zu folgen. Ein Verdienft
ift es jedenfälls, auf gewifle Verlegenheiten der Exegefe
aufmerkfam gemacht zu haben, welche immerhin viel
eher Veranlaffung dazu bieten, an dem vorliegenden Text
im Einzelnen, als an der Echtheit des Schriftftücks im
Ganzen irre zu werden.

Strafsburg i/E. H. Holtzmann.

Sabatier, A., De la vie intime des dogmes et de leur
puissance Revolution: Legon d'introduction. Paris, Fischbacher
, 1889. (26 S. gr. 8.) Fr. 1.—

Mit der Prägnanz, Klarheit und Eleganz, die wir bei
unferen franzöfifchen Nachbarn bewundern, hat Sabatier
in diefer Rede über das Wefen, die nothwendigen Veränderungen
und die Zukunft der Dogmen gefprochen.
Ich wünfehte, dafs jeder Student, bevor er fleh an das
Studium der Dogmatik macht, diefe Rede läfe und fie
beherzige (fie ift auch in deutfeher Ueberfetzung von
Schwalb, Leipzig, O. Wiegand 1890 veröffentlicht
worden). Das, was der Verf. ausführt, haben fchon
Manche vor ihm gefagt; aber eindrucksvoller und an-
muthender ift es fchwerlich von einem Anderen ausgeführt
worden. Nur das Eine bedauere ich, dafs Sabatier
in dem Abfchnitt, in welchem die abftracte Darlegung
concret wird, das chriftologifche Dogma nicht ins Auge
gefafst hat. An dem Dogma von der Schöpfung, der
Lehre von dem Teufel und ähnlichen Lehren das Vergängliche
am Dogma klar zu machen, ift nicht fchwierig;
denn hier kommen vollzogene Thatfachen der Betrachtung
entgegen. Dagegen bietet das chriftologifche Dogma
allein die Probe auf die Richtigkeit der dargelegten allgemeinen
Gefichtspunkte. Hätte der Verfaffer in den
Grundzügen die Stellung zu diefern Dogma angegeben,
fo hätte er vielleicht den Begriff des Dogma's überhaupt,
dem er fehr weite Grenzen gefleckt hat, enger gefafst,
und er wäre zu der Einficht vorgedrungen, dafs das
Dogma als Dogma vergänglich, ja fchon vergangen ift,
unbefchadet der richtigen Beobachtung, dafs die Religion
auch in Zukunft verftandesmäfsige Urtheile bilden wird
und ohne folche nicht fortpflanzungsfähig ift. Doch —