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Ausgabe:

1890

Spalte:

548-549

Autor/Hrsg.:

Jacobi, J.

Titel/Untertitel:

D. Justus Ludwig Jacobi und die Vermittlungstheologie seiner Zeit 1890

Rezensent:

Harnack, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung. 1890. iSir. 22.

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Die Hauptfache ift freilich auch hier, dafs die richtigen
Männer gefunden werden. Erfchienen find bisher folgende
Abtheilungen: ,The Englisli Church in otlicr lands', ,The
History of the Reformation in England', , The Church of
early Fathers', , The evangelical Revival in the eighteenth
Century', , The Church and the Roman Empire1, , The Church
and the Puritans', , 77^.' Church and the eastern Empire',
,Hildebrand and his time1, , The English Church in the
middle ages1, ,The Popes and the Hohenstaufen1, ,The
Counter-Reformation',, Wycliffe and movements for Reform',
,A History of the University of Cambridge', ,A History of
the University of Oxford', , The Arian Controversy'. Das
letztgenannte Buch liegt hier vor. Es ift nach dem
gröfseren Werk desfelben Verf.'s gearbeitet, welches
wir in diefer Zeitung (1882 Col. 562) befprochen haben,
und giebt eine ausgezeichnete, lichtvolle und knappe
Darftellung der Gefchichte der theologifchen Bewegung
im 4. Jahrhundert in acht Capiteln bis zum Untergang
des Arianismus. Wenn die übrigen Bände des Unternehmens
diefem gleichartig gearbeitet find, fo darf man
dem Herausgeber gratuliren.

Berlin. A. Harnack.

Ebert, Adf., Allgemeine Geschichte der Literatur des Mittelalters
im Abendlande bis zum Beginne des XI. Jahrhunderts
. 1. Bd. Gefchichte der chriftlich-lateinifchen
Literatur von ihren Anfängen bis zum Zeitalter Karl's
des Grofsen. 2. Aufl. Leipzig, F. C. W. Vogel, 1889.
(XIV, 667 S. gr. 8.) M. 12 —

Dem verewigten Verf. ift es noch vergönnt gewefen,
diefen vor fünfzehn Jahren erfchienenen erftenBand feiner
.Allgemeinen Gefchichte der Literatur des Mittelalters'
aufs Neue herauszugeben. Da diefe zweite Auflage fich
von der erften nicht wefentlich unterfcheidet, fo darf auf
eine Charakteriftik des Werkes, welches reiche Anregungen
gebracht und durch feine gefchmackvollen Ana-
lyfen das Intereffe an der patriftifchen Literatur belebt
hat, verzichtet werden. Im Einzelnen hat der Verf.,
der Arbeit der letzten Jahre folgend, Vieles verbeffert,
Manches erweitert und auch Neues eingefchoben, ohne
indefs auf Vollftändigkeit auszugehen. Der Umfang des
Buches ift dadurch um 43 Seiten gewachfen. Immerhin
ift es zu bedauern, dafs Ebert fich nicht entfchloffen hat,
die gefammte chriftlich-lateinifche Literatur des Zeitalters
vorzufuhren. Wäre der univerfalgefchichtliche Gefichts-
punkt ftreng feftgehalten worden, fo hätte noch Vieles
ausgefchieden werden müffen, was der Verf. doch aufgenommen
hat. Nahm er aber dergleichen auf, fo hätte
er die Brauchbarkeit feines Buches bedeutend erhöht,
wenn er nichts bei Seite gelaffen hätte. Man vermifst
jetzt Manches, was neben dem Gebotenen ein Recht auf
Erwähnung gehabt hätte, z. B. die neuentdeckten Werke
des Priscillian, den lateinifchen Hermas, deffen Bedeutung
für die Literatur der Folgezeit fehr grofs gewefen ift,
pfeudoeyprianifche Schriften u. A. Man wird aber ferner,
ohne fich gegen die Vorzüge des Werkes zu verfchliefsen,
fagen dürfen, dafs es nicht allen Anforderungen, die man
an eine Literaturgefchichte zu ftellen hat, entfpricht.
Die hiftorifch-kritifchen Unterfuchungen bleiben häufig
an der Oberfläche haften, und die Wirkung, welche einzelne
hervorragende Schriften ausgeübt haben, wird nur
feiten pünktlich nachgewiefen und feltgeftellt: man erhält
überhaupt kein Reliefbild der Literaturgefchichte,
fondern einzelne Bilder, deren Zufammenhang ein lofer
ift. Was z. B. Cyprian der altlateinifchen Literatur gewefen
ift, wird man aus den wenigen Seiten, die ihm gewidmet
find, nicht erkennen können, und wie fich Griechi-
fches und Lateinifches in dem Jahrhundert zwifchen 350
und 450 in der Schriftftellerei der Lateiner verbunden
haben, welche Folgen diefe Verbindung gehabt hat und
unter welchen Hemmniffen fie weiter gewirkt hat, darüber
fucht man vergebens eine befriedigende Auskunft.
Doch hat man fich bei dem Werke des Verf.'s immer zu
vergegenwärtigen, welchen Stoff er zu bewältigen hatte
und welches Gewicht er auf die äfthetifche Seite der
Literatur gelegt hat. Für manche Mängel entfehädigt
dazu die ausgezeichnete Einleitung zum erften Buch.

An Einzelheiten fei hervorgehoben, dafs Ebert die
Arbeit Maffebieau's über Minucius Felix ebenfo rund
ablehnt (S. 26), wie das Ergebnifs meiner Studie über
die Zeit und den Verf. des pfeudoeyprianifchen Tractats
de aleatoribus (S. 63). Er nennt meine Beweisführung
,fehr künftlich und defshalb um fo weniger überzeugend'
und begnügt fich im Uebrigen auf die Autorität von
Zahn und Wölfflin zu verweifen. Ich gedenke, wenn
dieHochfiuth der Recenfionen und Brofchüren über den
Tractat und meine Arbeit abgelaufen fein wird, auf die
Frage zurückzukommen, die durch lexikalifche Nach-
weifungen und das Auffpüren literarifcher Verwandtfchaft
nicht gelöft ift.

Berlin. A. Harnack.

Jacobi, J., D. Justus Ludwig Jacobi und die Vermittlungstheologie
seiner Zeit. Gotha, Schloefsmann, 1889.
(VI, 183 S. 8.) M. 3.-

,Dem Andenken eines Heimgegangenen Vaters find
diefe Blätter gewidmet . . . .' ,Wenn lieh das fülle Gelehrtenleben
uns zum zeitgefchichtlichen Bild erweiterte
und zum Vergleich mit den wiffenfehaftlichen und kirchlichen
Fragen der Gegenwart aufforderte, fo war die
Abficht, die Vermittelungstheologie in einem ihrer
letzten (?) Vertreter pfychologifch und hiftorifch zu würdigen
, das Verfchwindende und das Bleibende diefer die
Mitte unferes Jahrhunderts beherrfchenden theologifchen
Richtung zur Darftellung zu bringen . . . .' ,Das Mitge-
theilte foll keineswegs die Schaffe der Parteigegenfätze
vermehren, eher die zahlreich vorhandenen Punkte der
Verftändigungaufdecken; denn derheimgegangeneLehrer
war kein Parteimann . . . .' ,Die Gefahr der Zeit fcheint
uns Auflöfung der Glaubensfubftanz in fromme Subjec-
tivität zu fein. Heiligung, Vollkommenheitslehre gilt
alles, und leife und unmerklich werden die dogmatifchen
Stützen als überflüffig hinweggezogen. Aber der Bau
zerfällt und das hohle Nichts des Rationalismus ftarrt
uns entgegen'.

In diefen Sätzen der Vorrede hat der Biograph die
ihm vorfchwebende Aufgabe benimmt. Ihren erften Theil
hat er gelöft und feinem verewigten Vater, dem gelehrten
und charaktervollen Manne, dem treueften Schüler
Neander's, in manchen guten Schilderungen ein
Ehrengedächtnifs gelüftet. Niemand wird diefes Bild,
von dem Sohne gezeichnet, kritifiren wollen, fondern ein
Jeder wird fich gerne an die Züge halten, die ihm in
diefem Bilde wohlthuend und verftändlich find. Leider
hat fich der Biograph aber nicht damit begnügt, fondern
er hat ein ,zeitgefchichtlifches Bild' liefern und die Vermittelungstheologie
würdigen wollen. Schon diefe Aufgabe
konnte nicht gelingen, denn Jacobi ftand — aus
Gründen, die feinem wiffenfehaftlichen Charakter Ehre
machen — nicht im Mittelpunkte der Vermittelungstheologie
' und hat fich mit der geiftigen Art Neander's
fo innig vertraut gemacht, dafs fein Lebensbild fchlechter-
dings ungeeignet ift, um zur Charakteriftik einer kirchlichen
Partei zu dienen. Vollends aber mifsglückt ift der
weitere Verfuch, die Parteigegenfätze nicht zu vermehren,
vielmehr Verftändigung herbeizuführen. Der Verfaffer
ift ein begeifterter, aber blinder Verehrer der fog. pofi-
tiven Unionspartei: in majorem gloriam diefer Partei
ift das ganze Buch gefchrieben. Die Verftändigung, die
er meint, ift die Verftändigung zwifchen den Confeffionellen
und der ,pofitiven Union' mit einigen gütigen Zugeftänd-
niffen gegenüber der .Mittelpartei'. Dafs in diefes Unter-