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Ausgabe:

1890 Nr. 22

Spalte:

543-545

Autor/Hrsg.:

Dalman, Gustaf H.

Titel/Untertitel:

Studien zur biblischen Theologie. Der Gottesname Adonaj und seine Geschichte 1890

Rezensent:

Schwally, Friedrich

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Theologifche Literaturzeitung. 1890. Nr. 22.

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auch anderen das Fortfehreiten nicht fo leicht und angenehm
werden.

Möchte es dem Verfaffer, der erft feit wenig Monaten
von fchwerem körperlichem Leiden vviederhergeftellt ift,
vergönnt fein, den zweiten Band, von dem wir uns be-
fonders viel und wichtiges zu verfprechen haben, in voller
Frifche auszuarbeiten und recht bald vorzulegen.

Strafsburg i. E. K. Budde.

Dal man, Lic. Dr. GuflafH., Studien zur biblischen Theologie.

Der Gottesname Adonaj und feine Gefchichte. Berlin,
Reuther, 1889. (91 S. gr. 8.) M. 2. 80.

Die Studie des Herrn Verfaffers zerfällt in folgende
Abfchnitte: 1) Baal, Adon, Adonaj (S. 9—16). 2) Adonaj
und Adoni (S. 16—20). 3) Das Suffix von Adonaj (S. 20—26).
4) Ueberficht des Gebrauches von Adonaj (S. 26—36).
Ö Die Thatfache der Einfetzung von Adonaj für Jahve
(S. 36—43). 6) Jüdifche Zeugnifse vom Gebrauch der
Gottesnamen (S. 43—63). 7) Gefchichte und Bedeutung
des Ueberganges von Jahve zu Adonaj (S. 63—81).
8) Der Herrenname und Chriftus.

Cap. I erörtert die Namen b33, yriX, imn vom
Standpunkte der Religionsgefchichte und der Sprachvergleichung
. Diefer Abfchnitt ift der fchwächfte des
ganzen Buches.

Aus der Thatfache, dafs die Ifraeliten JUS und b33
nur in männlicher Form ohne weibliche Ergänzung be-
fafsen, wird gefchloffen, dafs ihr Gott fich von dem
aller femitifchen Völker von Grund aus unterfchied. Dem
gegenüber ift erftens darauf hinzuweifen, dafs Jahve
auch von dem nichtifraelitifchen Stamme der Qainiten
verehrt wurde. Zweitens lehrt z.B. eine Vergleichung
alter Stücke der Bücher Samuelis mit der Infchrift des
Mefafteines, dafs in ältefter Zeit der Gottesbegriff Ifraels
nicht erkennbar höher war, als derjenige der Moabiter.
Was D. allgemein behauptet, gilt erft für die fpätere
Zeit, die unter dem Einflufs der von Gott gefandten
heiligen Männer (Petr. ß' I 21), der Propheten, ftand.

Ueber die Etymologie von b33 fteht S. 10 Folgendes zu
lefen: ,b33 ift von der Wurzel 33, arab. g und ^ abzuleiten,

wozu man vergleiche hebr. H33 hervorquellen, n33 überfallen
, vielleicht auch brT3 uberftürzen, aram. 3673 eilig
fein, 313 aufjauchzen, 3333 fprudeln, arab. ^iu herab-

ftürzen, heftig regnen, ^ hervorbrechen, fpalten,

oolj überfallen. Als verwandt ift zu betrachten hebr.
533 fprudeln, aram. 333, fyr. ^aj, ar. £Ö (vgl. J33, 733,

1333, H33, N33, 333), woraus nach Ablauf des Nun jene
obengenannte Wurzel fich erft entwickelte'.

Die hier angewandte philologifche Methode fteht
auf der Stufe der ,praelectiones academicae de analogia
linguaegraecae des Holländers Lennep vom Jahre 1790,
in denen derfelbe alle Zeitwörter auf die Urverba uw,
sw, tut, oto, vw zurückführte, aus denen durch Vor- und
Einfetzung von Confonanten ßaw yuw aßw ayw u. f. w.
entfliehen.

Im Sprachgebrauch des A. T.'s heifst b33 nirgends
etwas Anderes als Herr im Sinne von ,Befitzer' und das
Verbum b33 überall ,befitzen'. b33 heifst der Ehemann,
weil nach altifraelitifchem Familienrechte die Frau vom
Manne ihrer Familie abgekauft wird. Von einer ,Ueber-
wältigung' vermag ich keine Spur zu finden. Der Herr
Verf. denkt dabei aufserdem nicht an die Herrfchaft des
Mannes über die Frau, fondern an den Concubitus. Auf
derartige Dinge haben die Rabbinen häufig gerathen.

b33 war in älterer Zeit Anrede an Jahve. Das giebt
auch Herr Dalman zu. Er läugnet jedoch gegen Duhm,
Baudiffin, König, Baethgen, dafs dies noch zu des Propheten
Hofea Zeit der Fall gewefen fei. ,Denn', heifst es
S. 12, ,Hofea fagt II, 18 nur, dafs Ifrael künftig, um jede

Nennung Baal's zu vermeiden, nicht (von mir gefperrt)
den nächftliegenden Ausdruck 333 fondern ffipfct anwenden
wird'. Aber der Herr Verf. hat feinen Text flüchtig ge-
lefen und T!3 überfehen ()333 113 ih-isipn"«bl), das in
Verbindung mit Xb ovxhi bedeutet, worüber jedes
Lexikon belehrt. —

Nachdem S. 13 conftatirt ift, dafsip« imA. T.449 mal
auftritt, wird S. 17 die Frage geftellt, ob die von derMafora
beliebte Unterfcheidung des heiligen und des gemeinen
131S durch verfchiedene Vocalifation wirklich uralter
Gebrauch fei. D. verneint diefelbe mit Recht, da noch
der Talmud nichts davon wiffe. Es ift fogar wahrfchein-
lich, dafs zumal 131X in der Rede an Gott gebraucht
wurde. Denn ohne Suffix kommt JUS von Gott immer
im Singular vor (S. 19). Eigennamen find dagegen immer
verdächtige Zeugen (vgl. meine Bemerkung, diefe Zeitung,
1890, Nr.7, Sp. 176). Cap. III wird wieder einmal bewiefen,
dafs das Suffix von Adonaj pronominal fei. Die Ueberficht
des Gebrauches von Adonaj (S. 26—36) ergiebt das Re-
fultat, dafs von einer wirklichen Gefchichte des Gebrauchs
von "OlX in der von den altteftamentlichen Büchern, ausgenommen
Daniel, umfpannten Zeit nicht geredet werden
könne, am wenigften davon, dafs man von einer be-
wufsten Anwendung des Suffixes zu einem bedeutungs-
lofen Gebrauch desfelben fortgefchritten fei (S. 33).

Erft in der nachbiblifchen Zeit ift der Name nin"1
aufser Gebrauch geftellt und 131X dafür eingefetzt worden
(S. 36). Zuverläffiges Zeugnifs für die Wiedergabe des
Tetragramms durch das griechifche xvqioc findet fich
zum erften Male in den altteftamentlichen Citaten Philo's.
Derfelbe berichtet vita Mos. III, § II, dafs das Tetragramm
nur iv uyioic, ausgefprochen werde. Dagegen
überliefert Talmud Babli, Joma 39b, Menach 109b; To-
fephta Sota 13, 8, dafs feit dem Tode Simon's des Gerechten
(f 270 a. C.) die Priefter aufgehört hätten, bei
der Benediction des Volks im Tempel den Namen aus-
j zufprechen. Talmud Jerufchalmi, Joma 3, 7 ftimrnt aber
wieder mehr mit Philo zufammen, indem er erzählt, der
I Hohenpriefter habe den heiligen Namen am Verföhnungs-
i tage im Tempel bis zuletzt gefprochen, nur früher mit
lauter, zuletzt mit leifer Stimme (S. 39). So ift alfo ficher,
dafs für den gewöhnlichen mündlichen Gebrauch nifT1
zur Zeit Chriiti längft durch 131X erfetzt war, und zwar
fchon fo lange, dafs jede Erinnerung an eine frühere allgemeine
Anwendung des Jahvenamens fehlte (S. 42).

Sodann wird aus Phiio, jofephus, Jefus ben Sira, Tar-
gum gezeigt, dafs dem alexandrinifchen ebenfo wie dem
paläftinenflfchen Judenthu 111 jener Zeit eine befondere Scheu
vor dem mündlichen Gebrauche des Gottesnamens überhaupt
eigen war, welche fich befonders an Exod. 20, 7
knüpfte (S. 43—62). Die Nichtausfprache von rTTP,
welche die Entweihung diefes Namens Gottes unmöglich
zu machen fchien, war ein Zaun rabbinifcher Sorge um
die Erfüllung jenes erwähnten Gebotes von Ex. 20, 7
(63—72). An der Stelle von HIPP fprach man dann
iSHSe bezw. 1318 und fchrieb fpäter zur Unterfcheidung
von dem profanen i3"Jit die letzte Silbe mit Qames (S. 77).

Nach der Zeit der Aufsergebrauchftellung von mn1
können nur die Bücher des Alten Teftaments befragt
werden, da die apokryphe Literatur in den jetzt allein
vorliegenden Ueberfetzungen keinen Schlufs auf die
urfprüngliche Schreibweife erlaubt. Am bemerkenswertheften
ift, dafs in Daniel fich rlW nur imal, in
Qohelet gar nicht findet. Die Tendenz, diefen Gottesnamen
zu unterdrücken, mag fomit feit dem Anfang des
dritten vorchriftlichenJahrhunderts entftanden fein (S. 79).

Soweit der Herr Verfaffer. Er hat eine fehr dankens-
werthe Arbeit geliefert, indem er das Material^ in grofser
Vollftändigkeit vorlegte und mit äufserfter Sorgfalt erörterte
. Er verliert fich dabei nicht feiten in Einzelheiten,
fo dafs die Hauptpunkte nicht fcharf genug hervortreten.
Seine erftaunliche Belefenheit in der rabbinifchen Literatur
verdient noch befonders anerkannt zu werden. Es