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Ausgabe: | 1890 |
Spalte: | 530-531 |
Autor/Hrsg.: | Schöner, H. |
Titel/Untertitel: | Was kann der Pfarrer für Besserung des äusseren Wohlbefindens namentlich in Bezug auf Wohnungs-, Gesundheits- und Familienverhältnisse der arbeitenden Klassen thun? Konferenz-Vortrag 1890 |
Rezensent: | Stamm, Wilhelm |
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Theologifche Literaturzeitung. 1890. Nr. 2t.
530
T,, , ,A u,v(tsr f,ir Gefänenifskunde'.l ! Hexenproceffe und der Folter eine ehrenvolle Erwähnung.
Jahrhunderte. iAus: .Blatter für ^langni sk j i Wasau^onanifthemBodenundinsbefondereimKirchen-
Heidelberg, Weifs' Verl., 1889. (95 =»• gr- °v m- 1 1 i ftaat gefchehen ift, imponirt dem Verfaffer offenbar zu
Erft der kulturell vorgefchrittenen, viel verkannten ; ftark. Im übrigen mufs rühmend hervorgehoben werden,
Neuz'eil! war es^ vorbehahen, das Chriftenthum auch für dafs er die confeffionelle Polem.k ganz verme.det.
die Juftizpflege als die alle Lebensverhäitnlfse und Le- Giefsen. W. Stamm.
benserfcheinungen durchgeiftigende Gotteskraft Och be- ___,_,
thäticren 711 fehen Erft in der Neuzeit ift man voll be-
Sg? worden von einem wahrhaft chrifllichen Gefäng- |. Werner, Pfr. Juh, Die soziale Frage im Zeitalter der Re-
nifswefen zu reden' (p 3). ,Was im vorigen und im , formation. [Sammlung theolog. und focialer Reden
laufenden Jahrhundert das Chriftenthum für einen Em- und Abhandlgn L Serie, 10 Lfg.] Leipzig, Buchhand-
flufs auf die Strafgefetzgebung übte ^ «lctie Ko deg Vereinshaufes l88o. (23 S> gr. 8 ) M. —.30.
es im Gpfäncmifswefen übertragen erhielt und welcne fa j o t> ; o
ThätTgkeit ^ chrlftliche Liebe reither zum Wohle der 2. Weber, Pfr. Lic. Die Aufgaben welche die Arbeiterbewegung
Gefangenen entfaltet, darf fchon mehr als bekannt vor- , j„ jnrern gegenwärtigen Stadium der Kirche stellt. Vorausgefetzt
werden' (p. 4). Gegenftand der Darfteilung trag [Sammlung theolog. und focialer Reden und
folffein was vorher im ^ Abhandlgn. t Serie, II. Lfg.] Leipzig, Buchhandlung
Loos zu mildern, ihre Feffeln zu löfen, ihre Beitrat ung 3.Schöner, Pfr. R, Was kann der Pfarrer für Besserung des
äusseren Wohlbefindens namentlich in Bezug auf Wohnungs-,
Gesundheits- und Familienverhältnisse der arbeitenden
Klassen thun? Konferenz-Vortrag. [Sammlungtheolog.
und focialer Reden und Abhandlgn., L Serie, 9. Lfg.]
Leipzig, Buchhandlung des Vereinshaufes, 1889.
(32 S. gr. 8.) M. -.40.
Die 3 Schriftchen bilden das 9., 10. und 11. Heft in
der Sammlung theologifcher Reden und und focialer
Abhandlungen, die unter der Redaction von Lic. Weber
erfcheint. Sie behandeln alle drei das eigentliche Zeitthema
, die fociale Frage, und haben die gemeinfame Tendenz
, die kirchlichen Kreife, insbefondere die evange-
lifchen Pfarrer zu focialer Thätigkeit anzufpornen.
Werner liefert für diefe Anregung eine Art von
hiftorifcher Grundlage, indem er auf das fociale Wirken
der Reformatoren hinweift. Allerdings hat die Reformation
zunächft die Gewiffen frei gemacht. Aber fie er-
ftrebte doch auch die Selbftändigkeit der Nation, fchuf
die Scheidung zwifchen geiftlicher und weltlicher Gewalt,
gab dem Staat neue Culturaufgaben, adelte die Berufsarbeit
, und erwarb der Ehe ihre natürlich-rechtliche und
religiös-fittliche Grundlage. Eine befondere Betrachtung
wird Luther gewidmet, wie er entfchieden Stellung nahm
gegenüber den wirthfchaftlichen Kämpfen, dem Bauernaufstand
und den focialen Auswüchfen feiner Zeit. Zur
Löfung kam damals nur die religiöfe Frage. Erft das
19. Jahrhundert hat das Verlangen nach nationaler
Einheit geftillt. Nunmehr erhebt die fociale Frage
ihr Haupt. Für die Aufgabe, die fich hiermit den neueren
Theologen ftellt, können diefe von den Männern der
Reformationszeit etwas lernen: treue Fürforge für die
Leiden des Volks und unerfchrockene Kampfesfreudigkeit.
Der Rede Webe r's merkt man's deutlich an, dafs ein
Mann fpricht, der mitten in der Arbeit fleht, zu der er
Andere ermuntern will. Er weift hin auf die erfchreckenden
Fortfehritte, welche die Socialdemokratie macht, wie die
Arbeiter maffenhaft in das Lager der Socialdemokratie
ftrömen, während diefe doch die Kirchenfeindfchaft und
den Gotteshafs als Grundzug ihres Wefens befitzt. Darum
mufs die Kirche den Kampf aufnehmen um die Seele
des Volks. Sie foll den Reichen und den Armen gleich-
mäfsig ihre Pflichten einfehärfen. Für die dienende Liebe
bieten fich reiche Aufgaben. Aber die Geiftlichen follen
auch focial und focialpolitifch im öffentlichen Leben
wirken. Sie müffen, durch gründliche Studien dazu vorbereitet
, theilnehmen an dem Kampf gegen äufsere Uebel-
ftände, wie ungünstige Einkommenverhältnifse, über-
mäfsige Arbeitszeit, Sonntagsarbeit und dgl. Gegen die
fittlichen Uebelftände — leichtfinnige Ehefchliefsungen,
Unwirthfchaftlichkeit der Frauen, Wirthshausleben u. f. f.
— follen fie praktifch, nicht blofs lehrhaft vorgehen.
zu heilfamer Bufse für fie zu geftalten. Es ift alfo ein
beftimmter Ausfchnitt aus dem Arbeitsgebiet der chrifllichen
Charitas, der dem Auge des Lefers zum Anblick
dargeboten wird. Dabei erhebt der Verfaffer nicht den
Anfpruch, dafs feine Darftellung als vollftändige Original
- und Quellenarbeit angefehen werden möge; fie
foll vielmehr nur eine überfichtliche Zufammenfaffung
der Nachrichten fein, welche er zerftreut in alter und
neuer Literatur vorgefunden hat. Reichlich fliefsen die
Mittheilungen darüber, was die Kirche vor und nach
Conftantin in den Grenzen des römifchen Reiches, auch
in den von den Barbaren überfchwemmten Gebieten, ge-
than hat zur Pflege der Brüder, die um ihres Glaubens
willen in den Gefängnifsen fchmachteten, zum Loskauf
von Kriegsgefangenen, zur Erleichterung der in Schuldhaft
Befindlichen, welche Einrichtungen getroffen worden
find zum Bellen der eigentlichen Strafgefangenen, wie die
Kirche das Afylrecht, das Recht derFürfprache, das Recht,
Kirchenftrafen an Stelle der weltlichen Beftrafung zu
verhängen, verwaltet hat. Spärlich dagegen find die
Nachrichten über das Mittelalter, insbefondere das frühere.
Für die zweite Hälfte des Mittelalters und die darauf
folgenden Jahrhunderte kommt weniger die amtliche
Wirkafmkeit der Hierarchie zur Darftellung, als die freiwillige
Thätigkeit religiöfer Genoffenfchaften, z. B. derjenigen
Orden, welche fich den Loskauf der in die Gewalt
der Muhammedaner gefallenen Chriften zum Ziel
gefetzt haben, und die Liebesthätigkeit der Brüderfchaften,
welche den Gefangenen und Verbrechern dienen. Ein
Schlufscapitel befpricht einzelne Perfonen, die fich befondere
Verdienste erworben haben. Von manchen der-
felben erfährt man freilich nur ihren Namen und einen
kurzen Satz aus dem Bericht ihres Biographen. Eine ausführlichere
Befprechung ift mit Recht Karl Boromäus
und Vincenz von Paula gewidmet. So intereffant im
ganzen das Dargebotene ift, fo vermifst man doch ungern
die umfaffendere Anwendung von hiftorifcher Kritik.
Der Lefer würde ein viel klareres und anfehaulicheres
Bild gewinnen, wenn ausdrücklich hervorgehoben wäre,
wie und warum manche Einrichtungen, die dem modernen
Menfchen fehr wunderlich vorkommen, für ihre Zeit
wohlthätig wirkten, wie der Kirche manche Einwirkungen,
die fehr nothwendig erfcheinen, damals verfagt waren,
wie gewiffe Mafsnahmen fofort fich als mangelhaft er-
wiefen. Es follte fchärfer, als es gefchehen, gefchieden
fein zwifchen Gefchichte und Sage. Auch wäre zu
wünfehen, dafs die rhetorifchen Ueberfchwenglichkeiten
andächtiger Legendenfchreiber und begeifterter Biographen
nicht einfach ohne Einfchränkung in den Text
der Darfteilung aufgenommen wären. Der confeffionelle
Standpunkt des katholifchen Verfaffers macht fich natürlich
geltend. Von proteftantifchem Gebiet wird faft nichts
berichtet. Nur Thomafius erfährt als Bekämpfer der