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Ausgabe:

1890 Nr. 20

Spalte:

505-508

Autor/Hrsg.:

Lagarde, Paul de

Titel/Untertitel:

Bescheinigung über den richtigen Empfang eines von Herrn Otto Ritschl an mich gerichteten offenen Briefes 1890

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

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Theologifche Literaturzeitung. 1890. Nr. 20.

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durch rittlichen Ernfl aus. Die Kraft unterer Alten
haben fie freilich nicht, vielleicht macht fich hie und da
ein etwas weicher Zug geltend. Auch hat Ref. keinen
ganz klaren Eindruck der zu Grunde liegenden Gefammt-
auffaflung des Chriftenthums gewinnen können. Aber
es ift nichts Gemachtes und Unechtes darin, und es werden
dem chrifllichen Gemüth keine unwahren, künftlichen
Empfindungen aufgedrängt.

Jede Betrachtung läuft wieder in ein Schriftwort aus,
das .entweder weisfagend heruberklingt aus der vorchrift-
hchen Zeit oder in den apoftolifchen Schriften fich findet
als ein Nachhall der Rede Jefu'. Ift auch die Ueber-
leitung zu diefem Schlufswort nicht immer ganz ungezwungen
, fo kommt doch dadurch die gefammte Schrift
m einer Fülle ihrer kräftigften Sprüche zum Wort. Auch
•n den Liedern wird das Befte aus dem Schatz unferer
Choräle und geiftlichen Lieder geboten.

Giefsen. Gg. Schloffer.

Lagarde. Paul de, lieber einige Berliner Theologen und was
von ihnen zu lernen ist. [Aus-. .Mittheilungen', 4. Bd.]
Göttingen, Dieterich/s Sort., 1890 (S. 49—128 gr. 8.)

M r 60 machen könnte. Ich darf z. B. fagen, dafs ich feine

1 mich höchlich intereffirenden Andeutungen über die ge-
fchichtliche Perfon Jefu, zumal feine Ausfuhrungen über

Subjectivismus in verftändnifslofefter Form, das protef-
tantifche Kirehenthum ift nur der Trümmerhaufen des
katholifchen. Neues hat der Proteftantismus nirgends
gefchaffen, er hat immer wieder fubtrahirt von dem
alten Beftande, ohne eigenthümliche Ideen aufzubringen.
Ueber feine Gefchichtsbetrachtung mit L. ftreiten zu
wollen, wäre wohl ausfichtslos. Es gehört freilich eine
beffere Einficht in die kirchengefchichtliche Entwicklung
und die treibenden Motive der Reformation dazu, als
welche unter uns verbreitet ift, um ihm widerfprechen
zu dürfen. Es ift auch nicht in der Kürze mit ihm fertig
zu werden; dazu ift er zu mannigfach gelehrt, auch wo
er dilettirt. Die Hauptfache ift mir, dafs er zweifellos
der Religion (dem Chriftenthume) und der Wahrheit zu
dienen meint, wenn er am Proteftantismus Todtengräber-
dienfte zu verrichten bemüht ift, wo immer er fich eine
Gelegenheit erfpähen kann. Er berührt manchen wirklich
wunden Punkt! Dafs L. unter den Theologen mit
feinen Gedanken über Religion und Chriftenthum nicht
viel Berückfichtigung gefunden hat, erklärt fich einfacher
als aus der eigenthümlichen Verftocktheit diefer Gruppe
von Menfchen daraus, dafs L. das Meifte an feiner Theologie
zu autoritativ hinftellt, als dafs er damit Eindruck

Ritsehl, Prof. Lic. Otto, Die Sendung des Bischofs
D. Ritsehl nach Petersburg im Jahre 1829. Offener Brief
an Herrn Prof. Dr. Paul de Lagarde. Bonn, A. Marcus,
1890. (12 S. gr. 8.) M. —.25.

Lagarde, Prof. Dr. Paul de, Bescheinigung über den richtigen

den Meffiasnamen und Jefu Stellung zur meflianifchen
Erwartung feines Volkes, ftets im Auge behalten habe,
feit ich die erften — wohl fchon 1873 — gelefen habe!
Möchte L. Zeit und Neigung finden, mehr als .Andeutungen
'zu geben! So wie er feine Gedanken über Jefus

Empfang eines von Herrn Otto Ritsehl an mich gerichteten j bisher vorgetragen hat, kann man fie fich gar nicht mit
offenen Briefes. Göttingen, Dieterich's Sort., 1890. (29 gutem wiffenfehaftlichen Gewiffen aneignen. Die Gegen-
S Lex -8) M —.60. inftanzen liegen zu nahe und find durch die neueren

Arbeiten vollends geftärkt worden. Was L.'s Behandlung
der Perfon Luthers betrifft, fo ift fie derart, dafs fie

Um Weihnachten des Jahres 1872 liefs P. de Lagarde
eine Schrift erfcheinen unter dem Titel ,Ueber
das verhältnifs des deutfehen ftaates zu theologie, kirche
und religion. ein verfuch nichttheologen zu Orientiren'.
Diefer erften Schrift, in welcher der Göttinger Orienta-
lift es unternahm, auf die öffentliche Stimmung unferes
Volkes Einflufs zu gewinnen mit Bezug auf die Beur-
theilung der ftaatlich-kirchlichen Lage, find weitere gefolgt
. Ich nenne: ,Ueber die gegenwärtige läge des
deutfehen reiches, ein bericht', ,Die religion der Zukunft';
,Die Stellung der Religionsgefellfchaften im Staate'.
Diefe Schriften find mit anderen gefammelt herausgegeben
in den beiden Bänden ,Deutfche Schriften I, 1878, II
(mit neuer Orthographie) 1881.') Ihnen fchliefst fich die
oben zuerftverzeichnete Abhandlungan. Lagarde fchreibt

einen empören dürfte, wenn man fich nicht fagen müfste,
dafs er diefen Mann nun einmal nicht verfteht. Er hat
fich das Bild eines entfetzlich befchränkten, rohen, blindeifernden
Mannes zufammenphantafirt und ift nun davon
regiert. Dafs er feinem Popanz kräftige Mifsachtung bezeugt
, ift im Grunde erfreulich.1) Auch für Paulus hat
L. wenig Verftändnifs. Ich erlaube mir, das einfach zu
behaupten, weil ich nicht entfernt daran denke, feine
Auffaffung für eine leichtfertig erworbene zu halten.
Die oben vorausgeftellte Schrift kann nur gewürdigt werden
, wenn man L.'s ganze religiös-politifche Schriftftellerei
kennt. Ich bringe fie hier jedoch nicht um ihrer felbft-
willen zur Sprache, fondern um des Nachfpiels willen,
welches fie gehabt hat Ueber fie zu referiren, nämlich

nebt für zunftmäfsige Theologen. Er traut diefen weder | f dafs g,Ei»dS entfleh 'geht%SS5
Verftändnifs noch guten. Willen m* Bezug auf die Fra- kaum an Man £ fie fdbft irf^nl^eTSS
gen zu, die er erörtert. Wer fich als Theologe nicht irre intereffanten Mittheilungen SlSejJobeTpS^
machen läfst, um der Sache willen zuzufehen was La- und Di wekhe fie °_fifig^gg"

conftru te TheorL find, als in Unbefangenem, tendenz- üj^ffi OTÄaJSH StÄ ft^
lofem Studium erwvachfene, Macht in fich felbft tragende von 'd™ vif ' ^ Tu

Erkenntnifse L liebt das Chriftenthum und feinen , ™ ßpaeutenaen zu unterlcneiden wiffen. Die Ab-

Stifteraber' der Proteftantismus ift ihm neben dem Je- XiT^htTs SÄd^f"^
fuitismus, (aber anfeheinend mehr als diefer), der Alp, Stacht als eme Anzeige des Werkes von

der auf aller Religion zumal in Deutfchland laftet. Die , ,. ... t. ,

Entwicklung muff zurücklenken bis auf die Zeiten des |

.Katholicismus' d. h. der mittelalterlichen vor dem TO- : Verbiflenheit gegen die evangelifche Forfchung Er kann es nicht lalTen
mifchen EinflufTe liegenden Geftaltung der Religion in Lu,b<Ta,1rh im Kleinen Kufstritte zu verfetzen. Dabei giebt er fich dann
Deutfchland, um das Chriftliche und das Nationale zu *ucb u'°,se"- ,^bef das< ™* wir z- B- »ach ihm durch Baumker mit
verfchmelzen. Die Reformation war eine Regung des kB ^

i ., ? . , „ ! i.icnein. t,s fallt doch immer wieder ein vor-

-- . . urtheilsfreier' Proteftant herein, werden fie denken wenn Unfereiner mit

I) 1886 erfchien eine Gefammtausgabe in einem Bande die ich nicht Gelehrfamkeit und Schweigen über kritifche Fragen dem Luther eins an-

henne. Es find hier, wie ich aus der Anzeige auf dem Umfchbge des hangt. So etwas wird ja widerlegt aber das vergibst lieh S Th

oben zuerft bezeichneten Auffatzes entnehme, noch einige weitere Ab- lings ,Zum Streit über die Entftehune der Luther-Melodie-' AU* 7 V~

handlungen hinzugekommen. I 1887, Nr. 6, Beilage. ' g- g'