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Ausgabe: | 1890 Nr. 20 |
Spalte: | 502-504 |
Autor/Hrsg.: | Glubokowski, N. |
Titel/Untertitel: | Der selige Theodoret, Bischof von Cyrus, sein Leben und seine schriftstellerische Thätigkeit. Eine kirchengeschichtliche Untersuchung. 2 Bde 1890 |
Rezensent: | Harnack, Adolf |
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Theologifche Literaturzeitung. 1890. Nr. 20.
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geben als Einzelne den Ruheftätten einen Namen. Auf
Grund weiterer Ouellenunterfuchungen im frühen Mittelalter
zeigt der Verf. im 10. Cap. (S. 103—112), dafs die
in der Passio vertretene Anfchauung von der Identität
hervorragenden Bedeutung, welche der Grabkammer des
h. Januarius in archäologifcher Hinficht zukommt, ift
durch die Erkenntnifs, dafs die von de Roffi gegebene
Fixirung der Entftehung diefesKunftdenkmals der licheren
der Glaubenshelden des 10. Juli und der Söhne der 1 Bafis entbehrt, ein für die gefammte Entwickelungsge
h. Felicitas, die bis zum Ende des 7. Jahrh.'s höchftens
in ein paar Werken Eingang gefunden hatte, zwar fchon
in dem darauffolgenden Jahrhundert weiterer Kreife fich
fchichte der altchriftlichen Kunft beachtenswerther Eck-
und Markftein befeitigt'.
Leider — aber ich darf hinzufügen, dafs ich den
zu bemächtigen begonnen hat, jedoch erft im Laufe des Datirungen der romifchen Grabftatten gegenüber ftets
9 Jahrh's — und zwar vorzugsweife in Folge der Adop- fehr fkeptifch gewefen bin, und Andere waren es mit
Brune durch die Autoren der verfchiedenften hagiogra- , mir. Es wird die Aufgabe der Archäologen fein, mit
phifchen Compilationen - zu wirklich intenfiver Ver- j neuen Mitteln das^hohe Alter der Crypta quadrata u. a.
Anlagen zu erweifen. Ausgefchlo ffen durch die Füh-
rer'fchen Unterfuchungen ift ja das 2. Jahrh. keineswegs,
und vielleicht gelingt es dem unvergleichlichen Scharf-
finn de Rofffs, neue Argumente zu gewinnen und die
nochi Tn ÄbfcbjdÄÄi älterer Codices vereinzelte Spuren I bereits vorgeführten, der Kunftgefchichte entnommenen,
der früheren Ueberlieferung fich erhalten konnten. | zu verftärken.'Auch wo wir ihm widerfprechen, find wir
breitung gelangt ift. Dies hatte zur Folge, dafs der
Entwickelungsprocefs, durchweichen die beiden urfprüng-
lichen Traditionen mehr und mehr zurückgedrängt wurden,
nunmehr zum äufseren Abfchlufs kam und fürderhin nur
Mit Recht kann F. diefen Abfchnitt mit den Worten : feine Schüler
fchliefsen: ,So find wir denn auch noch am Schluffe der
Würd igung jener literarifchen Producte, welche de Roffi
und feine Anhänger zu Gunften der Passio Felic. ver-
werthen zu können glaubten, zu einem Refultat gelangt,
welches fchon für fich allein geeignet wäre, die auf con-
fervativer Seite noch heute feftgehaltene Anficht von der
unbedingten hiftorifchen Treue diefer Leidensgefchichte
auf das tieffte zu erfchüttern, im Zufammenhang mit
den Ergebnifsen unferer früheren Ausführungen aber die
völlige Haltlofigkeit jener Anfchauung völlig aufser Zweifel
ftellt'.
Soweit vermag ich den Verf. zu controliren, und
Berlin. A. Harnack.
Glubokowski, N., Der selige Theodoret, Bifchof von Cyrus,
fein Leben und feine fchriftftellerifche Thätigkeit.
Eine kirchenhiftorifche Unterfuchung. 2 Bde. [Ruffifch.]
Moskau, 1890. (IV, 352 u. IV, 514 S. Lex.-8.)
Seit einer Reihe von Jahren erfährt die kirchenhiftorifche
Forfchung höchft willkommene Bereicherung durch
Arbeiten ruffifcher Gelehrten. Diefe Arbeiten find freilich
nicht zahlreich — für die alte Kirchengefchichte
nach"wiederholter Leetüre habe ich feine Ausführungen mag etwa eine bedeutendere Unterfuchung auf das Jahr
kugel- und ftichfeft gefunden. Im 11. Abfchnitt geht er j treffen—; aber fie find faft fämmtlich ausgezeichnet durch
auf die monumentalen Denkmäler und neueren archäo- ■ einen rühmlichen Fleifs und eine ftaunenswerthe Vollftän-
logifchen Funde in Bezug auf die Felicitas und die Märtyrer
des 10. Juli ein. Hier mufs ich auf ein eigenes
Urtheil verzichten. Aber ich habe auch hier feine Darlegungen
überzeugend gefunden, die eine glänzende
Beftatigung der erft in fpäterer Zeit erfolgten Contami-
digkeit in der Ausnutzung der Quellen und in der Be-
herrfchung der Literatur. Die Arbeiten flammen gröfsten-
theils von ehemaligen Studirenden der Moskauer Geiftlichen
Akademie und erwecken fo das günftigfte Vorurtheil für
den Ernft und Eifer, mit welchem dort die Kirchengenation
der Felicitas und der Märtyrer des 10. Juli aus ; fchichte betrieben wird. Unter allen Unterfuchungen diefer
den Monumenten ergeben. Auch auf diefen läfst fich Art aber, die mir in den letzten zehn Jahren in die
erft vom 7. Jahrh. ab ein allmähliches Umfichgreifen der
zuerft in unferer Passio fixirten Umbildung der Felicitaslegende
conftatiren.
In dem 12. Abfchnitt (S. 128 ff.) erörtert derVerfaffer
fchliefslich die Umftände, welche die unferem Paffionsberichte
zu Grunde liegende Traditionsverfchmelzung
begünftigen mochten, ferner die Gründe, welche zur Ab-
faffung diefes Schriftftückes geführt haben mögen, endlich
die Zeit der Entftehung desfelben. Was die letztere
betrifft, fo weifen alle Spuren mit gröfster Wahrfchein-
lichkeit' auf die Mitte oder die zweite Hälfte des
6. Jahrhunderts. . ,
Damit ift erwiefen, dafs die Passio Feltatatis in der
uns vorliegenden Geftalt ein ganz fecundäres Product
einer fpäten Zeit ift. Ihr liegen zwei ältere Ueber-
lieferungen zu Grunde, die in ihr aber völlig und hoffnungslos
übermalt find. Die chronologifchen Notizen,
die fie bietet, find völlig unbrauchbar, und fomit find wir
darüber wann, die h. Felicitas und wann die mit ihr gar
nicht zu'fammengehörigen Heiligen Januarius, Felix, Philipp
, Martialis, Vitalis etc. in Rom gemartert worden find,
völlig im Dunklen. Allen chronologifchen Anfätzen und
Folgerungen ift fomit der Boden entzogen, welche man
mit&Hulfe der vermeintlich ficheren Beftimmung des
Todesjahres der 8 Heiligen aufftellen zu können meinte.
Welche Bedeutung diefes negative Ergebnifs für die
Datiruno- einer Reihe von römifchen Cömeterien hat,
darauf weift der Verf. S. 146 f. hin. ,Vor Allem ift man
für die Beftimmung des Alters der fog. Crypta quadrata,
in welcher Januarius ruhte, nunmehr einzig und allein auf
Vermuthungen angewiefen. Gerade diefes Ergebnifs
ift nun aber von befonderer Wichtigkeit. Denn bei der
Hände gekommen find, nimmt die vorftehende des Li-
centiaten der Moskauer Geiftlichen Akademie, Nikolai
Nikanorowitfch Glubokowski, den erften Rang ein,
ja fie ift überhaupt eine der bedeutendften patriftifchen
Monographien, die feit Lightfoot's Ignatius erfchienen
ift, und fo fehr man die ruffifche Kirche beglück-
wünfehen mufs, dafs ein folches Werk aus ihrer Mitte
hervorgegangen ift, fo fehr mufs man es bedauern, dafs
der Verfafier ruffifch gefchrieben hat, und feine Arbeit
daher nicht die Verbreitung finden wird, die ihr gebührt.
In meinem Lehrbuch der Dogmengefchichte (Bd. II
S. 354) fchrieb ich: ,Wir befitzen eine kritifche Darftellung
der Kirchen- und Dogmengefchichte für die entfehei-
denden Jahre vor dem Chalcedonenfe noch nicht. Die
wichtigfte Vorarbeit dafür wäre eine Monographie über
Theodoret, den m. E. wahrheitsliebcndften und unpoli-
tifchften unter den Vätern der damaligen Zeit'. Der hier
ausgefprochene Wunfeh, den der Verf. gehört hat, ift
nun in mancher Hinficht erfüllt. Eine nahezu erfchöpf-
ende Monographie, das Werk jahrelangen Fleifses, ift
uns hier in zwei enggedruckten Bänden — in gewöhnlichem
Druck würden fie etwa 1300 Seiten füllen — geboten
. Die Arbeit zeichnet fich 1) durch eine vollkommene
Beherrfchung der Werke Theodoret's und der
zeitgenöffifchen Schriften aus. DerVerfaffer mufs fich fehr
umfangreiche, geordnete Sammlungen angelegt haben,
auf denen er feine Unterfuchung auferbaute. Soweit ich
ihn zu controliren vermochte, hat er das Material überall
vollftändig beigebracht und befprochen. Das würde
bei einer Arbeit über das 2. Jahrh. fchon etwas befagen,
bei einer folchen über das 5. Jahrh. ift es faft beifpiellos.
2) ift die Gleichmäfsigkeit rühmend hervorzuheben, in