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Ausgabe:

1890

Spalte:

434-435

Autor/Hrsg.:

Tiling, W. v.

Titel/Untertitel:

Taufe und Abendmahl, die Sacramente der apostolisch-reformatorischen Christenheit 1890

Rezensent:

Achelis, Ernst Christian

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Theologifche Literaturzeitung. 1890. "Nr. 17.

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wenn zu weites Ausfpinnen bekannter Gedanken langweilt
. Wie viel religiöfe und homiletifche Anregung
befonders auch Theologen von diefen Predigten empfangen
können, wurde hoffentlich genugfam angedeutet.
Freilich werden fie bei der Herübernahme des vielen
dazu trefflich Geeigneten in eigene Predigten manche
feine ßaur'fche Goldmünze in handgreifliches Silber um-
fetzen müffen.

Was endlich die gegenwärtige Stellung des Verf.'s
betrifft, fo find Generalfuperintendenten nicht berufen,
blofse Hausmannskoft vorzufetzen. Man mufs fich vielmehr
freuen, wenn ein tief im Evangelium gegründeter,
in mannigfachfter Weife erbaulich anregender, im Sinne
fowohl der Bibel als der Neuzeit geift- und kenntnifs-
voller, mit ficherem kirchlichem Tacte und feiner Fühlung
nach allen Seiten hin ausgerüfteter Mann zu vielen
Gemeinden redet. Seine reichen Erfahrungen und
Wiffensfchätze werden fich noch immer mehren; möge
ihm auch die fo wohlthuende Herzenswärme und Geiftes-
frifche noch recht lange erhalten bleiben!

Friedberg. Diegel.

Riehm, Diak. Geo., Liturgische Andachten für die Feste des

Kirchenjahres. Wittenberg, Herrofe Sep.-Cto., 1890.

(VIII, 71 S. gr. 8.) M. 1. 20.
In die lebhafte Bewegung der Gegenwart, unfere
evangelifchen Gottesdienfte zu ,fchönen Gottesdienften'
zu geftalten, greift auch vorliegendes Werkchen ein. Es
bietet Geben liturgifche Andachten: auf Weihnachten,
zum Jahresfchlufs, auf Charfreitag, Oftern, Pfingften, zum
Reformationsfeft und zum Todtenfeft. Das Buch ift D.
Rietfchel in Leipzig gewidmet, welcher auch geftattet
hat, dafs die von ihm entworfene liturgifche Andacht
zum Lutherjubiläum 1883 unter dem Titel: ,zum Reformationsfeft
' aufgenommen wurde; ein Abfchnitt ,zur
Ausführung' giebt bezügliche gute Winke, und ein Ver-
zeichnifs der Schriftftellen, Liederverfe und Melodien,
fowie ein Notenanhang befchliefst das Werk.

Die liturgifchen Andachten haben in der evangelifchen
Kirche ohne Frage eine Zukunft; fie eignen fich
in vorzüglicher Weife zur Einleitung der hohen Fefte
oder zum Schlufsaccord derfelben feitens der lobfingen-
den und anbetenden Gemeinde. Sie find die Gottesdienfte
, in welchen vornehmlich der zur Belebung des
kirchlichen Intereffes der Gemeinde fo fegensreich wirkende
Kirchenchor Raum und Gelegenheit findet, zur
Erbauung der Gemeinde feine Gabe zu verwerthen. Es
dürfte zwar auf Verkennung des Gemeindegottesdienfr.es
beruhen, wenn der Herr Verf. (S. 60) ,in der predigtreichen
Feftzeif — ift das eine Klage? — einen Vor-
mittags-Predigtgottesdienft durch eine liturgifche Adacht
erfetzen will, was um fo weniger ftatthaft fein dürfte,
wenn, wie in den dargebotenen liturgifchen Andachten,
jedes zufammenfaffende und die feftliche Gebetsftimmung
zum Ausdruck bringende Wort des Predigers fehlt. Denn
die liturgifchen Andachten haben nicht, wie das Vorwort
meint, den Zweck, ,die Gemeinde möglichft zur
thätigen Mitbetheiligungam Gottesdienfte herbeizuziehen',
fondern einen gefonderten Gebetsgottesdienft der
Gemeinde zu gewähren. Das ift ihre Idee, und nur in
der Durchführung diefer Idee liegt ihre Berechtigung.

Sehr richtig legt der Herr Verf. auf den jeder liturgifchen
Andacht zu Grunde zu legenden leitenden
Gedanken Gewicht; derfelbe ift in jeder Andacht hervorgehoben
. An die Entfaltung diefes Gedankens fchliefst
fich die Schriftlefung, fchliefsen fich die Gefänge der
Gemeinde und des Chores an. Eine liturgifche Idee
fcheint der Chor nicht repräfentiren zu follen; hier tritt
er gegen das Ende der Andacht auf, dort am Anfang,
hier hat er ein geiftliches Volkslied zu fingen, dort das
grofse Gloria, dort abwechfelnd mit der Gemeinde einen

einfachen Choral. Nur das Bedürfnifs der Abwechfelung
fcheint mafsgebend gewefen zu fein. Referent will da^
mit nicht einen Tadel ausfprechen. So entfchieden für
die Verwendung des Chores im Gemeindegottesdienft
eine ausgeprägte liturgifche Idee zu fordern ift, fo fehr
geftattet die liturgifche Andacht ein Nachlaffen der
Strenge, ein Sichgeltendmachen rein äfthetifcher oder
auch rein praktifcher Gefichtspunkte. Auffallend dagegen
ift es, dafs von den altkirchlichen liturgifchen Stücken
nur das grofse Gloria und ein kleiner Theil des Ambro-
fianifchen Lobgefanges Verwendung gefunden hat, nicht
das kleine Gloria, nicht das Magnificat, das Benedictas,
nicht Symeon's Lobgefang u. f. w. Wir find der Meinung
, dafs gerade für den Chor folche Stücke vorzüglich
geeignet wären.

Aufserd em fei auf ein Zweifaches hingewiefen. Zu-
nächft in Betreff der Schriftverlefung. Meiftens hat der
Herr Verf. die Regel wohl beachtet, dafs das Mafs der
zur Verlefung kommenden Abfchnitte nicht zu klein fein
dürfe; fie follen nicht aus einzelnen Sprüchen bettehen,
fondern jedesmal ein gröfseres Ganzes bilden. Allein die
andere Regel ift nicht beachtet, dafs der zu verlefende Abfchnitt
nicht ein Conglomerat verfchiedener, unmittelbar
an einander gereihter Brocken fein dürfe. Zum Jahresfchlufs
lieft z. B. der Liturg uno tenore vor: Jef. 40, 31;
Pf. 119. 105; Jerem. 21, 8; Mt. 7, 13. 14; Job.. 14, 6;
am Charfreitag: 1 Kor. 6, 20; Pf. 49, 8. 9; Hebr. 5, 7. 9;
Mt. 27, 45. 46. Dann Pf. 91, 14—16; Jef. 53, 11. 12;
Mc. I, II; Hebr. 5, 6; Jerem. 31, 16. Schriftkundigen
Hörern wird durch folche Sprünge alle Andacht geraubt
. Der fchöne Tact Rietfchel's am Reformationsfeft
giebt in diefer Beziehung ein gutes Vorbild. — Das
Zweite betrifft den pfychologifchen Fortfehritt. In der
Weihnachtsliturgie folgt unter dem Titel: ,Sündenelend
vor Chrifto' auf das Wort des Liturgen: ,Tröfte uns,
lafs leuchten dein Angefleht, fo genefen wir' der Gefang
der Gemeinde: Ich lag in fchweren Banden, du kommlt
und machft mich los u. f. w. Sodann unter ,Weisfagung
auf Chriftum' fingt die Gemeinde: Es ift ein RoP ent-
fprungen, Wir fingen dir, Immanuel und Gott fei Dank
durch alle Welt. Entweder müffen folche Lieder ausgewählt
werden, die der betr. Rubrik entfprechen, oder
die Rubrik bezw. der leitende Gedanke der ganzen Andacht
mufs den zur Verfügung flehenden Liedern ange-
pafst werden.

Die Befürchtung des Herrn Verf.'s, dafs die Andachten
zu lang feien, ift, meinen wir, unbegründet;
aber freilich nur deshalb, weil das freie Wort des Liturgen
, das in keiner Andacht fehlen follte, aufser Betracht
geblieben ift. — Wir wünfehen, dafs die mit
grofser Liebe und mit Sachkenntnifs gearbeiteten liturgifchen
Andachten nach vielen Seiten hin gute Anregung
geben mögen.

Marburg. E. Chr. Achelis.

Tiling, W. v., Taufe und Abendmahl, die Sacramente der
apoftolifch - reformatorifchen Chriftenheit. Leipzig,
Hinrichs' Verl., 1889. (VI, 93 S. gr. 8.) M. 1.50.

Zwei Abhandlungen bietet der Herr Verf. in feinem
Buch, über die Taufe und über das Abendmahl. Es find
Umarbeitungen von zwei Abfchnitten eines (welches?)
im J. 1885 erfchienenen Buches, wie das Vorwort berichtet
. Die Abhandlung von der Taufe gliedert fich in
die vier Capitel: Der Pfingftgeift und die Taufe — Unfere
Chriftentaufe — Die Kindertaufe und die Confirma-
tion — Vom Taufglauben und Glauben an die Taufe;
die Abhandlung von dem Abendmahl hat die Theile:
Der Urfprung und der Beiland des Abendmahles — Der
Charakter und die Wirkung der Abendmahlsfeier — Die
Bedeutung der Taufe und des Abendmahles für das
Glaubensleben.