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Ausgabe:

1890 Nr. 17

Spalte:

425-427

Autor/Hrsg.:

Pastor, Ludwig Frhr. von

Titel/Untertitel:

Nachwort zum zweiten Bande der Geschichte der Päpste 1890

Rezensent:

Mueller, Karl

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419 iTheologifche Literaturzeitung. 1890. Nr. 17. 420

fie näher einzugehenWenn er nicht ihr pro et
contra darlegen wollte, fo ift die blofse Anführung der
Anflehten, zumal für ein grammatifch.es Lehrbuch, doch
reiner Ballaft! Im Gegenfatz dazu thut er aber des Guten
zu viel, wenn er in dieferAuflage z.B. Ley's Hirngefpinnft
von 1887 in Bezug auf das Per/. Niph. widerlegt. Er
felbft giebt übrigens gar keine Erklärung der verfchieden
gearteten Niphalformen, obwohl eine in ZDMG 1886
p. 650 Anm. 1 zu finden ift.

Jedenfalls ift es aber dem Standpunkt der heutigen
Wiffenfchaft nicht mehr gemäfs, wenn nach ihm, übrigens
fchon in der vorigen Auflage, ein amatur = amat-sc
fein2), oder aber der stat. constr. Plur. durch ,Gunai
mit Abfall des m aus dem Plur. des stat. abs. erklärt
werden foll3). Ueber die Form ,amatur' ift zu vergl.
Zimmer in Z. f. vergl. Sprachw. XXX p. 224 flg. und
Windifch in Abhdlgn. der phil.-hift. Cl. der K. S. G. der
WW. zu Leipzig 1887, X, p. 449 flg. Die Theorie des
Guna ift aber jetzt im Sanskr. antiquirt und den Stat.
constr. plur. des Hebr.-Aram.'fchen 1— (e) haben wir
einfach als die Abstr. Collect. Endung auf ■»— [a) anzufeilen
, die fleh ja noch im Hebr. (und übrigens auch
Aram.) in diefer Function findet1;- Doch ich halte mit
meinen Ausftellungen aus den beiden erften Haupttheilen
ein, um noch einen Blick auf den dritten, die gänzlich
umgearbeitete Syntax werfen zu können.

Mit der Neubearbeitung der Syntax kommt Kautzfeh
allerdings einem tiefgefühlten Bedürfnifs entgegen, und ich
begrüfse mit Freuden diefe anerkennenswerthe Leiftung.
Sich in der Anordnung der Syntax an die fyr. Grammatik
von Nöldeke anlehnend, hat er ihr nicht nur
jetzt eine Anordnung gegeben, die aus der Natur der
Sache fliefst, fondern man merkt auch überall in den
einzelnen Theilen derfelben feine nachbeffernde oder aber
umgeftaltende Hand. Ich hebe hier befonders in der
Lehre vom Satz im Allgemeinen hervor den § 140, wo
er die Definition der arab. Nationalgrammatiker mit Recht
aufgegeben hat, den 5 I4L 3, wo er richtig darthut, dafs
lediglich der Zufammenhang ergiebt, in welche Zeit-
fphäre die Auslage des Nominalfatzes fällt, und ibid. 4,
wo er die naturgemäfse Wortftellung des Nominalfatzes
und die naturgemäfsen Abweichungen desfelben be-
fpricht. Allerdings kann er fleh noch nicht recht davon
losmachen5), dafs die 3 p. Si?ig. oder Plur. des Separat-
Pronomens als Copula des Nominalfatzes urfprünglich auf
einen zufammen gefetzten Satz hinweife, und fchlicfst
fleh hier überhaupt'') den Ausführungen von Albrecht')
recht eng an. Jedenfalls kann aber die Neubearbeitung der
Syntax ,als brauchbare Grundlage zu einem weitern Ausbau
dienen'.

Roftock. F. Philippi.

Delitzsch, Franz, Messianische Weissagungen in geschichtlicher
Folge. Leipzig, Akadem. Buchhandlg. (W. Faber),
1890. (VII, 160 S. 8.) M. 3.60; geb. M. 4.50.

Wir empfangen in dem vorliegenden Buche das letzte
Vermächtnifs des fei. Delitzfch. Wenige Tage vor feinem
Tode (j-4. März) unterzeichnete er das Vorwort (26. Febr.),
mit welchem er die Schrift entliefs. Die letztere hat für
den Unterz. ein pretium affectionis, denn wenn er dem

1) So z. B. referirt er einfach, fchon in der vorigen Auflage, die
Anlichten von Praetorius (p. 66 Note I p. 73 Note I p. 87 Note 1);
von Stade u. a. fp. 144 Note 1); in diefer von Barth Q 69, 1 c Anm.),
welche Anm. er übrigens fchon in der vorigen hätte machen können, da
das Gefetz fchon in ZDMG 1878 p. 42 ausgeführt ift, von Nöldeke
(p. 280 Note 1) etc.

2) p. 138 Note 1.

3) p. 241 Anm. Die Richtigkeit diefer Erklärung läfst er allerdings
dahingeftellt.

4) Vgl. mtt, 15*1, "E"q etc.

5) «4b 3-

6) H 140 und 141.

7) f. ZAW 1888.

Verftorbenen auch nicht fo nahe geftanden hat, als der
Verfaffer der fchönen Charakteriftik in Nr. 7 diefes Blattes,
fo hat er ihn doch infolge mehrfacher perfönlicher und
brieflicher Berührungen verehren und lieben gelernt wegen
des Reichthums feines Wiffens, der Lauterkeit feines
Wefens und der religiöfen Innigkeit feines Gemüthes.
Alle diefe Eigenfchaften treten uns auch in dem vorliegenden
Büchlein wieder entgegen. Die Gelehrfamkeit
namentlich in den fchätzbaren Mittheilungen zur jüdifchen
und chriftlichen Auslegungsgefchichte der meffianifchen
Weisfagungen, welche der Verf. aus dem Schatze feiner
reichen Belefenheit fpendet (vgl. S. 13 f. 28. 37—41.43—46-
49. 71 f. 105 f. u. a.). Beifpiele der anderen oben erwähnten
Charakterzüge des Verftorbenen findet man auf
jeder Seite der vorliegenden Schrift. —• Wenn wir aber
ihr Verhältnifs zur wiffenfehaftlichen Aufgabe feftftellen
follen, fo müffen wir erklären, nicht durch fie befriedigt
zu fein. Sie bringt im Grunde nichts anderes, als die
kirchlich herkömmliche Deutung der meffianifchen Stellen,
alfo Dinge, die man in der neueften Zeit immer und immer
wieder bei Chr. Hofmann, G. Baur, Oehler, Orelli, Riehm,
Schlottmann u.a. bei dem einen in diefer, bei dem andern
in jener Variation hat lefen müffen. Dafs die Auffaffung
von Delitzfch geiftvoll und eigenthümlich ift, verlieht fich
von felbft, aber bei der Willkür diefer Typik und Alle-
goriftik verliert man jeden feilen Boden unter den Füfsen
und gewinnt für die hiftorifche Erkenntnifs gar nichts.
Die altbekannten meffianifchen Stellen vom fogen. Prot-
evangelium an bis zu Dan. 9, 25 ziehen wieder einmal
an uns vorüber. Der Verf. fieht darin die ganze Heils-
gefchichte eingewickelt (vgl. S. 27), nachdem er fie eben
vorher hineingewickelt hat. Die phantaftifchen Deutungen
und Verknüpfungen der Einzelheiten der meffianifchen
Stellen mit der neuteftamentlichen Gefchichte drängen
fich in bunten Bildern an dem geiftigen Auge des Lefers
vorbei, ohne dafs der Verf. ein Gefühl für die Unnatur
und die Zwecklofigkeit derartiger Combinationen ver-
riethe. Die Frage, was es denn für einen Zweck gehabt
haben könne, viele Jahrhunderte vorher Weifsfagungen
auszufprechen, in denen einzelne Züge zufälliger Weife
gewiffe, theilweife noch dazu fehr fragliche, Berührungen
mit der evangelifchen Gefchichte haben, wird gar nicht
aufgeworfen, gefchweige denn beantwortet. Dem Verf.
genügt es, gefühlsfelig in diefen Geheimnifsen zu fchwelgen.
Trotzdem Delitzfch, wie bekannt, fich in der letzten Zeit
tief in die Refultate der modernen Kritik eingelaffen und
ihr Zugeftändnifse gemacht hatte, wie folche auch hier
mehrfach vorliegen, erfolgt gleichwohl der Aufbau fall
ganz nach dem alten Schema, welches doch durch die
neuere Literarkritik umgeftofsen ift. Auf die Orakel an
die Urväter und Patriarchen folgen die an Mofe und
Bileam, darauf Weifsfagungen der Zeit Jofua's und der
Richter, dann folche der davidifch-falomonifchen Zeit,
als ob diefe Orakel wirklich alle in diefe Perioden gehörten
. Daran fchliefsen fich Weifsfagungen der erften
Epochen der Reichsfpaltung, Meffianifches aus der Literatur
von Joram bis Hiskia, wobei Obadia, Joel, Arnos,
Jona und Hofea in merkwürdig bunter Reihe aufeinander
folgen (S. 83—93); dann, beffer geordnet, werden Jefaja,
Nahum, Zefanja, Jeremia, Ezechiel, Deuterojefaja und
zuletzt die nachexilifchen Propheten Deuterofacharja,
Haggai, Maleachi, Daniel abgehandelt. — Merkwürdig
ift die S. 62 ausgeführte Behauptung, Jefus fei der legitime
Sohn Jofephs gewefen, weil er, wenn auch nicht von
ihm erzeugt, doch ,in fein eheliches Verhältnifs hineingeboren
' fei. Auffällig ift die Bemerkung S. 149, dafs
mit Ewald's Tode die Glanzepoche der Kritik zu Ende
gegangen fei. Welche gröfsere kritifche Entdeckung
Ewald's hat fich denn haltbar erwiefen?

Jena. c. Siegfried.