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Ausgabe:

1890

Spalte:

384

Autor/Hrsg.:

Fey, Carl

Titel/Untertitel:

Vatikanische Wissenschaft. Protestantischen Lesern zur Aufklärung und Belehrung 1890

Rezensent:

Fay, Friedrich Rudolf

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Seite 1

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3^3 Theologifche Literatur

Verwaltungsbeamten . . . b) Der Summepifkopat
mufs in die Schirmherrfchaft des evangelifchen
Landesherrn verwandelt werden. Demfelben verbleiben
fämmtliche Rechte, die er jetzt thatfächlich noch
ausübt, alfo das Placet für alle Kirchengefetze und hohe
Kirchenbeamte, aber das eigentliche und längft nicht
mehr geübte Bifchofsamt wird wieder, was es ftets
gewefen ift, ein felbftändiges Kirchenamt. Die
Kirche läfst aus fich Oberhirten hervorgehen

......Da unfere Zeitgenoffen von dem Namen „Bifchof"

den Begriff Hierarch und hierarchifche Gelüfte nicht
trennen können, fo mufs für diefe freien kirchlichen Per-
fönlichkeiten, die fich nicht durch Wahl, fondern durch
Cooptation ergänzen, ein anderer Name, Oberhirt, Kirchenvater
(!) oder ähnlicher gewählt werden. 3. Die Kirche
mufs vom Staat fordern, dafs er das unwahre Pari-
tätsprincip aufgiebt und fich als der bekennt, der
er ift, als evangelifcher. Diefen evangelifchen Charakter
hat der Staat dadurch zu bethätigen, dafs er
der evangelifchen Kirche auf den Mittelgebieten
zwifchen Staat und Kirche die innere geiftige
Seite zu beftimmen überläfst und auf denfelben
ftets im Zufammenwirken mit ihr handelt'.

Wir freuen uns, dafs der Herr Verfaffer fich fo
deutlich ausgefprochen hat, während hin und wieder
fchon der Verfuch gemacht worden ift, die eigentliche
Tendenz des Antrages auf /Freiheit und Selbftändigkeit'
der evangelifchen Kirche zu verfchleiern. Hier liegt es
klar zu Tage, was man will. Die evangelifche Kirche
foll ein ähnlicher Organismus werden, wie die römifch-
katholifche. Von ,freien kirchlichen Persönlichkeiten'
geleitet, die aber nicht Bifchöfe, fondern Oberhirten oder
gar .Kirchenväter' genannt werden follen, ftände fie dann
,frei und ebenbürtig neben dem Staate', hätte eine ,felb-
ftändige, vom Staate unabhängige Organifation', bei welcher
auch den Synoden eine hervorragende Stellung zugedacht
wäre und würde den Staat nöthigen, das .unwahre
Paritätsprincip' aufzugeben. Dafs diefes letztere
in feiner Anwendung recht viel zu wünfehen übrig läfst,
geben wir zu, halten aber eine vollltändige Verzicht-
leiftung darauf bei einem Staate, der ein Drittheil katho- !
lifche Bürger aufweift, für unmöglich. Im übrigen find
wir der Meinung, dals eine im Sinne des Herrn Verf.'s
organifirte evangelifche Kirche mit der Zeit gerade fo
herrfchfüchtig werden würde, wie die römifch-katholifche.
Denn auch Synoden, die ein gewiffes Gegengewicht
gegen die Oberhirten bilden würden, können, wie die Ge-
fchichte lehrt, fehr herrfchfüchtig und, wenn es fich um
die Lehre handelt, fehr verdammungsfüchtig werden;
was wäre aber unfere evangelifche Kirche ohne die
innere, freie, geiftige Entwicklung, ohne die mit der
Innigkeit des Glaubens fich gar wohl vertragende Freiheit
des Denkens und Forfchens, wie fie unlere bedeu-
tendften Theologen ftets ausgezeichnet hat? Ehe wir
diefes Kleinod uns rauben laffen, wollen wir lieber für
immer .leibeigen' fein, denn der preufsifche Cultusminifter
oder der preufsifche Oberkirchenrath werden gewifs ftets
unparteiischer urtheilen, als irgend ein Synodalausfchufs
oder Verwaltungsbeamte, die von Synodalausfchüffen
ernannt find. Für uns liegt die Ehre unterer evangelifchen
Kirche nicht in Durchführung Solcher mafslofen,
an ultramontane Begehrlichkeit fehr ftark erinnernden
Forderungen, fondern vielmehr darin, dafs wir fefthalten
an den unveräusserlichen Grundsätzen des Proteftantis-
mus, alfo an lebendigem chriftlichem Glauben, Freiheit
der Gewiffen und Gehorfam gegen die Obrigkeit.

Krefeld. F. R. Fay.

zeitung. 1890. Nr. 15. 384

Fey, Dr. Carl, Vatikanische Wissenschaft. Proteftantifchen
Lefern zur Aufklärung und Belehrung. Barmen, Klein,
1889. (16b S. 8.) M. 2. 40.

Im Jahre 1887 hatte der Verf.' die .Allgemeine Ge-
fchichte der Litteratur' von P. Norrenberg in Beyfchlag s
Deutfch-evangelifchen Blättern (S. 811—835) befprochen.
Er kommt jetzt ,bei der Steigenden Kühnheit der R°-
mifchen' von neuem .etwas eingehender' auf .diefes
feltfame Werk' zurück, das er zuerft im allgemeinen beleuchtet
und dann in Beziehung auf .Vatikanifche Ge-
fehichtsfehreibung' (S. 41—87) und ,Vatikanifche Littera-
turgefchichte' (S. 88—148) näher prüft. Norrenberg
wandelt, was die Auffaffung gefchichtlicher Vorgänge
anbetrifft, ganz in Janffen's Fufsftapfen; die Literaturgeschichte
und zwar nicht nur die deutfehe, fondern auch
die anderer Nationen behandelt er genau fo, wie Sebaftiau
Brunner, Haffner, Baumgartner unfere gröfsten deutfehen
Dichter behandelt oder vielmehr mifshandelt haben. Nach
Norrenberg ift unfere claffifche Leetüre ,ein unferer
Jugend applicirter geiftiger Schwedentrunk' (S. 90)!! An
folchen Kraftausdrücken ift das von unterem Verf. mit
bewundernswerther Geduld durchgearbeitete und treffend
kritifirte Werk Norrenberg's fehr reich. Nicht einmal
mehr unfere Claffiker follen gemeinfames Befitzthum des
ganzen deutfehen Volkes fein! Auch diefes Band So»
zerfchnitten, das katholifche und evangelifche Deutschland
einander vollständig entfremdet werden! Der Verfuch
wird gemacht, gelingen wird er, fo Gott will, nicht.

Krefeld. F. R. Fay.

Zu der Anzeige über: .Kolde. Luther's Selbstmord'
in Nr. 9 der Theol. Litztg.

In Nr. 9 des laufenden Jahrganges diefer ,Th. L.-Z.'
(mir leider erft vor ein paar Tagen zu Geficht gekommen!)
hat Hr. Prof. G. Kawerau in Kiel u. a. gefagt (Sp. 238
Mitte): ,Leider hat Kolde noch nicht völlig in's Klare
bringen können, ob die von Majunke citirte Schrift des
Jefuiten Conrad Andreä von 1606 ,Der wunderthätig6
Luther', der er eine feiner fabelhafteften Nachrichten entnommen
haben will, wirklich exiftirt; ich kann der groS
sen Reihe von Bibliotheken, bei denen Kolde vergeblich
nach diefer Schrift gefragt hat, noch die Wolfenbütteler
hinzufugen'. —

Was ,der grofsen Reihe von Bibliotheken' refp-
Bibliothek-Beamten nicht gelungen war, habe ich in Zeit
von nicht ganz einer Minute glücklich aufgefpürt! Ich
brauchte nämlich nur in dem f. g. Schrettingerfchenl)
Realkatalog der k. b. Hof- und Staatsbibliothek zu
München den Artikel .Luther' nachzufchlagen, um
noch vor Ablauf einer Minute dahinter zu kommen, dafs
die belobte Bibliothek von dem angeblich nicht vorhandenen
Buche nicht nur ein, fondern fogar zwei Exemplare
befitzt!! — — —

Der von dem ,Historiker' Majunke (S. 35, Anm. 0
falfch und ungenau angeführte Titel des 118 Seiten zählenden
Octavbändchens lautet wörtlich und buchstäblich:

33er I SBünberbare I ©unbertbdtige | Uub | 2Su«<
berfame | Sutbcr. | Stilen Sutljrifdjen @[au= | ben8»®enoffe«i
für baS ivuetjte | ßutrjrifc|e SubcSftcft, pm ®e= | jd)änfc, tf>
einiger Illumination | cm§ Bicctjt geftellet. | S3on | P.JÖANÖ-F
KRAUS, | ber Socictät 3@fu 'Priefterii. | cum licentia
superiorum. i fßrag, gebrneft bet) Sföotffgang aBiäbart, Grtp I
93ifd)t)fflid)en 53ud)briidcr, 1716.2)

Was dagegen das Majunke'fche Citat felbft betrifft-
fo hat Hr. Prof. Kawerau mit feiner Ausdrucksweife

1) Mart. Schrettinger, Exbenedictiner, Bibliothekar u. Canonici
in München (f 1851) hat diefen Realkatalog (151 Cahitrs in 2"!) ganz
allein zufammengefchrieben.

2) Die 2. Auflage v. J. 1725 befindet fich nicht in der Münchener
Staatsbibliothek.