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Ausgabe:

1890 Nr. 1

Spalte:

381-382

Autor/Hrsg.:

Ballauff, Ludw.

Titel/Untertitel:

Die Grundlehren der Psychologie und ihre Anwendung auf die Lehre von der Erkenntnis. 2., sehr verm. Bearbeitung der ‚Elemente der Psychologie‘ 1890

Rezensent:

Ehrhardt, Eugen

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38i Theologifche Literaturzeitung. 1890. Nr. 15. ^2

^lehrtenton gehaltenen vielmehr lebendigen, frifchen,
tneilweife begeifterten Sprache des VerfalTers, welche
Qen Lefer erquickt und fein Intereffe auch bei den
^ockenften Unterfuchungen wach erhält. Staunenswerth
« die Belefenheit des Verfaffers auch auf den Gebieten,
welche zu feiner Fachwiffenfchaft nur entferntere Begehungen
haben.

Dresden. Dr. phil. B. Kühn.

ßaUauff, Schuir. Dr. Ludw., Die Grundlehren der Psychologie
und ihre Anwendung auf die Lehre von der Erkenntnis
. 2., fehr verm. Bearbeitung der ,Elemente
der Pfychologie'. Cöthen, O. Schulze, 1890. (XII,
354 S. gr. 8.) M. 5.—

Die erde Ausgabe diefes Werkes war, wie aus der
Jorrede derfelben hervorgeht, eine populäre Wiedergabe
dcr Herbart'fchen Pfychologie mit wenigen, aus den Er-
|ebnifsen der fortfchreitenden Wiffenfchaft gefchöpften
Modificationen. Die zweite, fehr erweiterte Ausgabe be-
ruht auch noch ganz auf Herbart'fcher Grundlage, nur
tragt fie in noch weit ausgedehnterem Mafse den natur-
wiffenfchaftlichen und phyfiologifchen Forfchungen Rech-
n"ng. Zwar enthält fie direct nur die Refultate der
belbftbeobachtung, greift aber, wo nöthig, zu deren Ergänzung
und vollen Verwerthung auf das zurück, was
di« exacten Wiffenfchaften zum Verftändnifs des menfch-
lichen Seelenlebens zu Tage gefördert haben.

Die Art, wie Verf. feinen Stoff behandelt, fcheint
Rec. eine fehr glückliche zu fein, namentlich zur Erziehung
feines Zweckes, Laien in der Philofophie für
Pb/ehologifche Forfchungen zu intereffiren. Das Buch
* kein Lehrbuch im eigentlichen Sinne des Wortes, noch
*uch eine auf Vollftändigkeit Anfpruch machende, in
das ganze Detail der pfychologifchen Thatfachen und
Probleme eingehende wiffenfehaftliche Discuffion. Es
•ZUt uns die Forfchungen des Verf.'s dar, von denen er
lelbfl eingefteht, dafs fie nicht Alles umfaffen, fondern
£ch mehr& auf die Hauptfragen befchränken. In kurzen
,aragraphen, von denen jeder ein rafcher Schritt dem
^'He zu ift. tritt uns nicht nur die Anficht des Verf.'s
uber die Grundfragen der Pfychologie entgegen, fondern
auch die Art, wie er fie gewonnen hat. Mit Recht ift
^erf. der Anficht, dafs diefe Darftellungsweife am beften
^eignet ift zum Selbftforfchen anzuregen.

Dafs diefe pfychologifchen Unterfuchungen eine
Metaphyfik der Seele involviren, wird fie dem Theologen
befonders interefiant machen. Dafs diefe Metaphyfik am
j-nde und nicht am Anfang fleht, wird Jedermann in der
Drdnung finden, ebenfowenig wird es Jemanden wundern,
dafs diefelbe mehr hypothetifch als thetifch gehalten ift.
Man kann ja über die Frage nach der Unfterblichkeit
der Seele z. B. von der Pfychologie allein keine definitive
köfung erwarten. Verf. läfst auch die Frage unentfehie-
den, ob ein Gefammtbewufstfein fich nur bei der Annahme
erklären laffe, dafs ein einziges Seelenatom alle
knipfindungen in fich fammelt, oder ob fich auch ein
^"fammengehen der in den verfchiedenen Atomen der
Materie enthaltenen Empfindungen in ein Bewufstfein
denken laffe. Letztere Behauptung ftellt er als eine ent-
zhieden materialiftifche hin. Dagegen ift aber doch zu
bemerken, dafs auch vom entgegengefetzten Standpunkt
^'"e folche nicht ganz undenkbar ift. Wenn es bisweilen
den Anfchein gewinnt, als laffe Verf., felbft bei feinen
^räniiffen, dem Materialismus noch eine Thüre offen, fo
es angezeigt, darauf hinzuweifen, dafs bei feiner Vor-
ausfctzung von einem Gefchehen in den Atomen, welches
!"rem mechanifchen Aufeinanderwirken ganz ungleichartig
"<> von Materialismus nicht mehr die Rede fein kann.
Alle, welche fich gerne über die wichtigften Fragen

fen möchten, ohne zu einem eingehenderen Studium Zeit
zu haben, kann dies Buch aufs befte empfohlen werden.

Für theologifche Lefer enthalten namentlich die
Capitel: Die Aufgabe der erklärenden Naturwiffenfchaften
S. 230—235, Wiffen, Ahnen und Glauben S. 235—244, und
der ganze fiebente Abfchnitt vieles Intereffante. Geiftvoll
und anregend find auch die, natürlich ganz hypothetifchen
Aufftellungen des Verf.'s über den Zuftand der Seele
nach dem Tode und das Selbftgericht, das fich auf pfy-
chologifchem Wege in ihr vollziehen möchte.

Bifchweiler i/E. Eugen Ehrhardt.

Aurbach, Pfr. O., Die Ehre unsrer evangelischen Kirche

Ein Weckruf an das evangelifche Preufsen und
Deutfchland. [Freundfchaftliche Streitfragen, Nr. 17.]
Barmen, Wiemann, (1889). (60 S. 8.) M. —. 60.

Es find Zeitungsartikel, die zuerft in der ,Neuen
Preufsifchen' und .Weftdeutfchen' erfchienen find und
nun in Brofchürenform dargeboten werden. Der Verf.
vertritt den Standpunkt des bekannten Hammerftein'-
fchen Antrages auf Freiheit und Selbftändigkeit der
Kirche, über den vor drei Jahren auch auf den Provinzial-
fynoden viel verhandelt worden ift. Jetzt flehen wir in
einer ,neuen Wahldiät und die diesmaligen W ahlen zur
Provinzialfynode bedingen die zur Generalfynode' (S. 57).
Eine .Vermittlung der divergirenden Strömungen', wie
fie 1887 verfucht wurde, ift nach der Anficht des Verf.'s
nicht zu wünfehen. Eine ,kirchliche That' mufs von
der kommenden Generalfynode erwartet werden, die
kirchliche That der Befreiung der evangelifchen Kirche,
welche fo ,herabgekommen' (S. 6) ift, dafs fie ,die Leibeigene
des Staates' ift (S. 6). Jetzt, wo es gilt, den ent-
fcheidenden Schritt auch im Gegenfatze zur Regierung
zu thun, jetzt mufs auf allen Synoden die Lofung er-
fchallen: „Wählt keine Repräfentanten der Verfchmel-
zung von Staat und Kirche, wählt einfache Paftoren und
unabhängige Gutsbefitzer und Gefchäftsleute von bewährter
evangelifcher Gefinnung'" (S. 59). Dahin alfo
zielt diefer .Weckruf an das evangelifche Preufsen und
Deutfchland'! Es foll zunächft auf den Provinzialfynoden
und dann durch ihre Wahlen für die Generalfynode auf
diefer eine der .Freiheit und Selbftändigkeit' der Kirche
günftige Mehrheit zu Stande gebracht und hierauf durch
diefe die gewünfehte .kirchliche That' vollführt werden.
Die Lage ift ja troftlos. ,Die Feffeln der Leibeigen-
fchaft (!) werden noch ftrafter angezogen. Nein, mit
dem Opportunismus ift bei der jetzigen Lage
der Kirche nicht mehr durchzukommen ....
Nein, hier kann nur geholfen werden durch principielle
Scheidung, durch Freiheit und Selbftändigkeit der
Kirche' (S. 54)..... Sie ift ihrer Ehre fchuldig, entweder
die ganze volle Freiheit oder überhaupt
nichts mehr zu verlangen' (S. 55). Wie fich der Verf.
diefe .ganze volle Freiheit' denkt, giebt er fchon auf
S. 47 und 48 an, wenn er drei Sätze aufftellt, welche die
evangelifche Kirche vom Staate erbitten mufs. ,1. Die
evangelifche Kirche, die freie Tochter des Himmels, die
einen göttlichen Beruf zu erfüllen hat, kann n'icht
länger ein Reffort des Cultusminifteriums fein,
fondern mufs frei und ebenbürtig neben dem
Staate flehen ... 2. Sie mufs zur Erfüllung ihrer
Aufgaben und Pflichten eine felbftändige, vom Staate
unabhängige Organifation haben. Diefe felbftändige
Organifation baut fich auf folgenden zwei Grundfätzen
auf: a) Die Gemeinderechte, die formell gegeben,
muffen mit einem Inhalt erfüllt und weiter entwickelt
werden. Die evangelifche Kirche ift durch und durch
Gemeindekirche; daher müffen die repräfentativen
Verfammlungen der Kirche, die Synoden in ihren Aus-
fchüffen auch die Executive haben, d. h. die Aus

der Pfychologie ein gewiffes Mafs von Einficht verfchaf- fchüffe der Synoden ernennen und berufen die