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Ausgabe:

1890 Nr. 1

Spalte:

20-21

Autor/Hrsg.:

Oeser, Herm.

Titel/Untertitel:

Stille Leute. Zwei Lebensbilder 1890

Rezensent:

Schlosser, Georg

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'9

Theologifche Literaturzeitung. 1890. Nr. 1.

20

Schild und Pfeil. Mit Vorwort von Hof- u. Garnifonspred. Der gröfste Theil des Buches ift den Studenten-

D. Emil Frommel und Nachwort von Pafl. Otto jähren von 1835—39 gewidmet, von denen der Verf.
Funcke. Bremen, Müller, 1889. (VIII, 180 S. 8.) 3 Jahre in Erlangen, eins in Berlin verbracht hat. Von
M 2 8o- eeb M geiftigen Leben an beiden Univerfitäten geben die

" ' 1 se • -4- ausführlichen Tagebuchfkizzen anziehende Bilder. Eine

Es ift nicht unbegründet, wenn O. Funcke, der zu ftattliche Reihe bekannter Namen tritt uns entgegen, von
diefer Schrift eines Ungenannten ein Nachwort gefchrie- denen einzelne werthvolle Züge berichtet werden — es
ben hat, wie E. Frommel fie bevorwortet, in diefem feien nur Olshaufen, Harlefs, Rückert, Raumer, Steffens,
Nachwort fagt: ,Das ift doch Bein von meinem Bein und Neander, Trendelenburg, Ritter, Theremin, Wackernagel,
Fleifch von meinem Fleifch'. In feiner ganzen Art er- Mädler, v. Kottwitz u. a. genannt. In den Bemerkungen
innert das Buch vielfach an Funcke's Schriften. Es ift über den Gang der theologifchen Studien und literarifchen
eine Sammlung von kleinen anfehaulich dargeftellten Befchäftigungen fieht man bereits den künftigen Gelehr-
Zügen und Bildern aus dem Leben, denen oft mit grofser ten und fruchtbaren Schriftfteller fich entwickeln. Vor
Feinheit ein erbaulicher Zug entnommen wird. Man 1 Allem aber nimmt einen grofsen Raum die Darftellung
merkt es dem Verf. an, dafs er auf dem Gebiet der inne- der Begründung und allmählichen Entwicklung der erften
ren Miffion zu Haufe ift. Ein grofser Theil der trefflich fog. chriftlichen Studentenverbindung ein. der Utten-
ausgeführten Detailbilder fchildert die Macht chriftlichen ruthia, aus der hernach die über die meiften Univerfi-
Glaubens und chriftlicher Liebe dem mannigfachen fo- täten verbreiteten chriftlichen Verbindungen verfchiedener
cialen Elend gegenüber. Dabei ift der Verf. gründlich Schattirung fich entwickelt haben. Ebrard hat an der
bewandert in der modernen Naturvviffenfchaft und weifs Stiftung einen hervorragenden Antheil genommen und
gelegentlich Darwin'fche und Häckel'fche Hypothefen 1 bis an fein Lebensende der von derfelben vertretenen
fehr gefchickt in apologetifchem Intereffe zu verwerthen. Sache ein lebhaftes Intereffe bewahrt. So wird feine
Eins der treffendften Beifpiele in diefer Beziehung ift die ; Biographie an diefem Punkte faft zu einer ausführ-
Parallele zwifchen der .unentbehrlichen Aetherhypothefe' , liehen Verbindungsgefchichte. Die Motive, die zur Stif-
und der .Gotteshypothefe', die beide ,alle bekannten Phä- : tung der Verbindung geführt haben, das wiffenfehaftliche
nomene präcis und ungezwungen abzuleiten geftatten'. Leben, der kameradfehaftliche Verkehr in derfelben bis
Allen, die eine gefunde, zum Nachdenken anregende Er- i auf einzelne befonders angeregte Feftabende hin werden
bauungslectüre fuchen, kann diefes finnige Buch aufs 1 mit grofser Ausführlichkeit dargeftellt, dafs der Lefer ein

Wärmfte empfohlen werden.

Lübeck. H. Lindenberg.

Ebrard, Dr. A., Lebensführungen. In jungen Jahren. Gütersloh
, Bertelsmann, 1888. (VIII, 562 S. gr. 8.)
M. 8. —; geb. M. 9. —

Die Selbftbiographie eines Mannes, der auf den ver-
fchiedenften Gebieten nicht nur der Theologie, fondern

auch anderer Wiffenfchaften in hervorragender Weife j Gegenfatz von einft und jetzt treffend illuftrirt. fowie

fehr anfehauliches Bild erhält. Mögen auch manche Einzelheiten
dem ferner Stehenden von geringerem Intereffe
fein, wer diefe Bewegung als ein Zeichen der Zeit anfleht
, das bei einer eingehenderen Darftellung der neueren
Kirchengefchichte nicht unberückfichtigt bleiben darf,
findet hier reichliches Quellenmaterial. Von allgemeinem
Intereffe find verfchiedene Befchreibungen, theils kleinerer,
theils gröfserer Reifen, vor Allem einer Fufsreife durch
Deutfchland, im Herbft 1838 unternommen, die den

fchriftftellerifch thätig gewefen ift, darf, obgleich ur- i einer von Berlin aus unternommenen Winterreife nach
fprünglich nur für Naheftehende benimmt, auf allgemei- j Rügen.

nes Intereffe Anfpruch machen. Leider ift fie Fragment
geblieben und umfafst auf 562 Seiten nur die Entwich
lungs- und Lehrjahre des Autors. Es gehört Mufse dazu,

Der letzte Abfchnitt berichtet über ,die Hofmeifter-
jahre' von 1839—41, die Ebrard im Haufe des Pfarrers
Cerefole in Friedrichsdorf verbrachte und nach deren

um der bis in's kleinfte Detail auf Grund forgfältiger 1 Ablauf er fich in Erlangen als Docent habilitirte. Leider

Tagebücher ausgeführten Schilderung zu folgen, und hie
und da drängt fich wohl der Wunfeh auf, der Verf.
möchte etwas compendiöfer zufammengefafst haben, was

fchliefst damit das Buch, und der Lefer, der bis dahin
mit Intereffe der Entwicklung des reich begabten Jünglings
gefolgt ift, legt es mit dem Bedauern aus der Hand,

namentlich von dem Bericht über die poetifchen Jugend- j dafs ihm die Schilderung der Lebensarbeit des gereiften
arbeiten gilt. Andererfeits liegt freilich gerade im Detail Mannes vorenthalten bleibt. Es wäre zu wünfehen, dafs

das Feffelnde der Darfteilung, und die gelegentlich ein- nach dem ficherlich reichlich vorliegenden Material eine
geftreuten Bemerkungen bieten eine Fülle chriftlicher i kundige Hand diefe Lücke ergänzen möchte.
Lebensweisheit. Einem alten Adelsgefchlecht in den ; Lübeck H Lindenberg

Sevennen entflammend, deffen Gefchichte in dem Abfchnitt
,Meine Vorfahren' auf Grund forgfältigfter Quellen- 0eser n,. Herrn , Stille Leute. Zwei Lebensbilder. 2. Aufl.
forfchungen dargeftellt wird, ift Ebrard am 18. Januar : bJi'fMf> 1 a c o •> i/r ^

1818 als der Sohn des Pfarrers an der evang.-ref. Kirche Bafel> Detloff> l89°- (3& S- Sr- 8-) ■ ~- ^
zu Erlangen geboren. In feinem achten Jahre verlor er 1 Darf vorliegendes Büchlein fchon darum auf unfere
den Vater, hatte aber an feiner frommen, von ihm innig j Theilnahme rechnen, weil es von einem Sohne unferes
geliebten Mutter eine treue Hüterin. Schon in der La- ! beliebten Volksfchriftftellers O. Glaubrecht (R. Oefer,
teinfchule, in der namentlich Prof. v. Rucker und Schäfer weiland Pfarrer in Lindheim in Oberheffen) flammt, und
auf ihn Einflufs übten, regte fleh fein dichterifches Ta- | nicht minder um feiner fchriftftellerifchen Vorzüge willen,
lent. Die mitgethcilten Bruchftücke zeugen, wenn auch i durch die der Sohn als ein würdiger Nachfolger feines
noch knabenhafte Wendungen unterlaufen, zum Theil Vaters erfcheint, vor Allem durch feine, die tüchtige
fchon von grofser Formgewandtheit. Auf dem Gymna- claffifche Schulung und Goethe'fches Vorbild verrathende
fium waren es namentlich Döderlein, Schäfer und Harlefs, klare, knappe Schreibweife, durch die pfychologifchc
die auf feine geiftige Entwicklung einwirkten, wie die! Schärfe und Feinheit feiner Darfteilung, die Lebenswahr-
Predigten des Pfarrers Kraft fein inneres Leben förder- j heit feiner Schilderungen, fo wird es fich Lefern der
ten. Ueber die wiflenfehaftlichen Studien, über man- j Theol. Litztg. noch vielmehr durch die Grundgedanken,
cherlei Nebenbefchäftigungen, unter denen neben Poefie ] deren Vertretung diefe Lebensbilder dienen, empfehlen,
und Mufik namentlich die Mineralogie gepflegt wurde, j Dem Verf. ift es dabei ,um die Zeichnung eines innigen,
wird ausführlich berichtet, daneben aber auch über mun- i von den Streitfragen der Welt und der Theologie nicht
tere Fahrten in die Umgegend Erlangens im kleinen aber 1 beunruhigten Chriftenthums der lebendigen Seele, nicht
traulichen Freundeskreife. | der denkenden Seele, die ja nicht Kind bleiben kann',