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Ausgabe:

1890 Nr. 15

Spalte:

378-379

Autor/Hrsg.:

Michel, Die römische Kirche

Titel/Untertitel:

ihre Einwirkung auf die germanischen Stämme und das deutsche Volk 1890

Rezensent:

Kühn, Bernhard

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Theologifche Literaturzeitung. 1890. Nr. 15.

378

jeld's Antiq. Groening., S. 58f. zum Abdruck gebrachten 1 der Plan, die ganze lutherifche Kirche durch eine ein-
UrkunrJe lautet die Datirung: ,qmnto Kaiend. Decembris'. . heitliche Lehrnorm zu einer Gefammtheit zu vereinen,
ÜJ Bodemann fteht demnach a. a. O. S. 243 auch ganz fei durch die Aufftellung des Corpus doctrinae Julium
r'chtig als Tag der Tonfurirung der 27. November, ebenfo j geicheitert. Das Herzogthum Braunfchweig gerieth ja aller-
bei Langenbeck, Gefch. der Reform, d. Stiftes Halber- . dings durch die Verwerfung der Concordienformel in
!?adt, Gött. 1886, S. 6b. Obwohl nun der Herr Verf. eine ifolirte Stellung; dafs aber auch in Pommern, Hol-

ftein, Dänemark, Schweden, Bremen, Nürnberg, und wie
die Länder und Städte fonft heifsen mögen, die Ablehnung
diefer fymbolifchen Schrift auf Herzog Julius und
feine Bekenntnifsfammlung zurückzuführen fei, dürfte doch
fchwer zu beweifen fein.

Soll der Unterzeichnete zum Schlufs fein Urtheil über
die Befte'fche Kirchengefchichte in wenige Worte zufam-
menfaffen, fo kann er nur wiederholen, was er fchon an
einer andern Stelle geäufsert hat, dafs er diefelbe, trotz
der theils angedeuteten, theils näher erörterten Ausheilungen
, wegen ihres reichen und vielfach aus bislang noch
wenig oder gar nicht beachteten Quellen herbeigefchaff-
ten Inhalts, fowie wegen der wohlgeordneten und angenehmen
Darftellung, für eine werthvolle Bereicherung
unferer kirchengefchichtlichen Literatur erachtet, und
dafs er derfelben, namentlich unter der braunfchweigi-
fchen Geiftlicheit, die Herren Candidaten eingefchloffen,
recht viele eifrige und aufmerkfame Lefer wünfcht.

Die äufsere Ausftattung des Buches verdient alles
Lob. Die Druckfehler find gering an Zahl und ftören
wohl niemals das Verftändnifs. Der Preis darf im Hinblick
auf den Umfang des Werkes und das zu erwartende
Abfatzgebiet als angemeffen bezeichnet werden.

Braunfchweig. Friedrich Koldewev.

vjvyn.. l886, O. UU. WUWUlll liian -' • -*"'

68i, Anm. 120 nachträglich angiebt, nach Bodemann
lei die Tonfurirung am 27. November gefchehen, fo wäre
es_doch wünfchenswerth gewefen, er hätte, ftatt bei einem
Won Inj,,et flehen zu bleiben, den Lentzifchen Lefefehler
m't Entfchiedenheit völlig befeitigt.

Der zweite Punkt betrifft das heute noch die dogma-
hfche Grundlage der braunfchweigifchen Landeskirche bildende
Corpus doctrinae Julian, und fein Verhältnifs zu der
Jr°ncordienformel. Die unter dem genannten Titel zu-
Jarnmengefafsten fvmbolifchen Bücher (die drei alten Be-
^enntnifse, Auguftäna, Apologie, Schmalkaldifche Artikel,
Buther's Katechismen) wurden bereits in der Kirchenordnung
von 1569 als ,die Form und das Fürbilde der
reinen Lehre in den Kirchen diefes Fürftenthums' aufgehellt
, und feit 1573 mufsten fich die Geiftlichen, desgleiche
auch die Helmftedter Profefforen und Bene-
nciaten, die Schuldiener und die weltlichen Beamten des
Bandes auf diefes Corpus doctrinae nebft der in der Kir-
ehenordnung abgedruckten, von Chemnitz verfafsten Lehr-
'ehrift, der fogenannten Declaration, fchriftlich verpflich-
ten- Als fich dann der Wunfeh fühlbar machte, dafs
e,n jeder Pfarrherr ein Exemplar der Bekenntnifsfchriften
!n Händen haben möge, liefs der Herzog diefelben, was
'n der Kirchenordnung noch nicht gefchehen war, nebft
der Declaration und noch je einer Lehrfchrift von Chem-
JJKz und Urbanus Rhegius 1576 in einem für das Herzogtum
beftimmten Sonderdrucke erfcheinen und wufste |y|jchel, Die römische Kirche, ihre Einwirkung auf die
oer Univerfität Helmftedt bei ihrer Eröffnung am 15. Oc- : germanifchen Stämme und das deutfehe Volk. Halle,
tober 11576 kein befferes Angebinde, als diefen feinen 1 ° ,
piftlichen, himmlifchen Landfchatz'! zu verehren. Im Niemeyer, 1889. (VIII, 421 S. gr. 8.) M. 7. -
tilgenden Jahre gelangte dann die Concordienformel zur | Unter demfelben Autornamen find in den Zeiten

des Culturkampfes mehrere kleine Schriften erfchienen,
welche fich mit der Stellung der deutfehen Katholiken

J?.'genden Jahre gelangte dann die Concordienformel zur
Einführung und wurde von den Kirchen- und Schuldienern
des Landes, wie auch vom Herzoge felbft, unterzeich

net. Es wäre aber eine durchaus irrige Auffaffung, wenn I zu der römifchen Kirche befaffen. Diefes gröfsere ge-

fchichtliche Werk liefert, fo zu fagen, das gelehrte Material
zu des Verfaffers früher fchon ausgefprochenen
Anflehten. Die Art, wie das gefchieht, ift eine ganz
eigentümliche: faft für jeden Satz, der ausgefprochen
wird, fteht am Rande ein Beleg, und zwar keineswegs
blofs da, wo es fich um Feftftellung gefchichtlicher That-
fachen handelt, fondern auch da, wo allgemeine Behauptungen
vorgebracht oder Folgerungen aus dem
Vorhergehenden gezogen werden. Als Beifpiel möge
der Anfang des VVerkes dienen, wo die Behauptungen,
dafs Chriftus das Chriftenthum gefchaffen habe, dafs die
altteftamentlichen Weisfagungen von den Chriften auf
ihn bezogen worden feien und dafs das von ihm Ausgegangene
als mafsgebend für die Chriften zu gelten
habe, mit dem Hinweis auf beftimmte Seiten in Har-
nack's Dogmengefchichte, Baur's Kirchengefchichte,
Ritfchl's altkatholifcher Kirche und Böhringer's Kirche
Chrifti gedeckt werden. So ziehen lieh die Hinweife
auf diefe und andere theologifche Werke, wie auf die

nian meinen wollte, durch diefe Schrift fei das Corpus doctri-
aae Julium verdrängt worden. Beide ftanden vielmehr
nebeneinander als gleichwertig und einander ergänzend
j" Kraft, wie durch die im Confiftorialarchiv zu Wolfen-
Nüttel aufbewahrten Exemplare der Kirchenordnung von
1S^g, hinter denen fich auf den angebundenen Blättern
d'e Geiftlichen, Lehrer, Profefforen, Beneficiaten u. f. w.
auf das Corpus doctrinae verpflichten mufsten, unwiderleglich
bewiefen wird; denn dort finden fich Unterfchrif-
'en aus einer Zeit, in der man an eine Abfchaffung der
Concordienformel noch gar nicht dachte, z. B. vom 13.
Und i9. April 1578. Als dann Herzog Julius feit 1579
aus den hier nicht weiter zu erörternden Gründen die
Concordienformel ftillfchweigend befeitigte, behielt das
Corpus doctrinae die Geltung, welche es bis dahin unaus-
gefetzt und unerfchuttert inne gehabt hatte. Diefem
Htatbeftande gegenüber dürfte es zu Mifsverftändniffen
ar>d Irrungen Anlafs geben, wenn der Herr Verfaffer auf
B. 2 (vergl. auch S. 78) bemerkt, Herzog Julius habe

bei der Abfchaffung der Concordienformel an die Stelle grofsen Lehrbücher der Weltgefchichte durch das ganze
derfelben das Corpus doctrinae Julium gefetzt, und da- j Werk hindurch. Dasfelbe ift in der Abficht gefchrieben,
durch habe das urfprüngliche Lutherthum bei uns einen j durch eine gefchichtliche Darftellung des Verlaufes'
Btofs bekommen. Das .urfprüngliche' Lutherthum grün- j welchen die Etitftehung und Entwickelung der römifchen
fich ja im Braunfchweigifchen gerade auf das j Kirche genommen hat, die deutfehen Katholiken vor
Corpus doctrinae Julium. Diefes felbft aber ift, wie auch die Frage zu ftellen, ob fie diefer Kirche ferner noch
Derr Belle auf S. 78 u. 79 bemerkt, ein gutorthodoxes, j angehören können. Wir müffen geliehen, wenn fich
gutlutherifches Buch. Es ift von dem lutherifchften Luthe- j ihrer viele dazu entfchliefsen könnten, das Buch an

ra'ier jener Zeit, Martin Chemnitz, zufammengeftellt
Und weicht von dem Bergifchen Buche nur darin ab,
oafs es fich mit der abfoluten Ubiquität nicht zu befreunden
vermag, was bekanntlich bei fehr vielen gutortho-
doxen Lutheranern alter und neuer Zeit der Fall gewefen
"B Auffällig erfcheint es auch, wenn S. 79 gefagt wird,

dachtig durchzulefen, fo könnte das Schickfal des deutfehen
Katholicismus fraglich werden. Von dem Verfaffer
eines Gefchichtswerkes, das vor 30 Jahren das
gröfste Auffehen machte, hat ein grofser Kirchen-
hiftoriker geurtheilt, er habe den Schmutz der deutfehen
Fürftenhöfe zufammengekehrt; wenn er noch lebte und