Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1890 Nr. 14

Spalte:

364

Autor/Hrsg.:

Funcke, Otto

Titel/Untertitel:

Der Wandel vor Gott. Dargelegt nach den Fußstapfen des Patriarchen Joseph 1890

Rezensent:

Hans, Julius

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

363 Theologifche Literaturzeitung. 1890. Nr. 14. 3°4

bezeichnen. Der Verf. will nicht etwa die grofse Zahl Funcke, Otto, Der Wandel vor Gott. Dargelegt nach den
der vorhandenen Katechismuserklärungen, Spruch- und Fufstapfen des Patriarchen Jofeph. Bremen, Müller,
Beifpiel-Sammlungen einfach um eine weitere vermehren, lg (x g> g} M_ b_ M Goldfehn,

fondern den Verfuch machen, ,mit moghehfter Enthai- * v JJ ' J s . '

tung aller eigenen Gedanken den Katechismus ganz im • 4- 20-

Sinne Luther's auszulegen', d. h. nicht blofs im Sinne 1 Funcke's Predigt- und Schreibweife ift bekannt, und
und Geifte der Theologie Luther's, fondern in dem Sinne es ift nicht mehr nöthig, diefelbe im Allgemeinen zU
und Geifte, in welchem Luther fpeciell den Katechismus charakterifiren. Sie fagt nicht jedermann zu, und ma°
gehandhabt fehen will, was nicht den Schriften des Re- ■ braucht kein ,Weltkind' zu fein, um an feinen Büchern
formators überhaupt, fondern zunächft und hauptfächlich ; wenig Gefchmack zu finden; aber es läfst fich n'c
den katechetifchen Schriften desfelben, dem kleinen und leugnen, dafs fich fehr viele daran erbauen und eine
grofsen Katechismus, der Auslegung der 10 Gebote u. f. f. ihnen zufagende Geiftesfpeife darin finden; das beweife°
zu entnehmen ift. Auf diefe befchränkt fich der Verf. die zahlreichen Auflagen der fchon erfchienenen Sehr»'
ausdrücklich, worin er fich von C. N. Kähler, Lutheri- ten, fowie der Umftand, dafs immer neue auf den Mark
fcher Katechismus oder vollftändige Glaubens-und Sitten- gebracht werden. Eines wird man ihm auch, ohne 1°
lehre. Aus Luthers Schriften gefammelt. Kiel, 1849., G. 1 ihn zu fchvvärmen, zugeftehen muffen, dafs aus allem. waS
W.Keil, Katechismus-Auslegung aus D. Luthers und den er fchreibt, eine aufrichtige, ernfte, das ganze Leben
fymbolifchen Schriften. New York, 1855 u. a. unterfchei- j durchdringende Frömmigkeit fpricht, und dafs er zU
det. Durch diefe Bcfchränkung auf Luther's katechetifche 1 zeigen verfteht, wie frommer Sinn nach jeder Richtung
Schriften hofft der Verf. feine Katechismus-Auslegung | hin im täglichen Leben fich bewähren mufs.
im Unterfchied von der herkömmlichen frei zu halten | Im vorliegenden Bändchen behandelt er die Gefchichte
von Schultheologie, von dem — katechetifch und pä- I Jofeph's. Es wird niemand erwarten, dafs er irgend welche
dagogifch oft fo verfehlten — Einbau dogmatifcher 1 kritifche Unterfuchung aufteilt. 1fr nimmt die Gefchichte
Syltematik fowohl, wie von der Abstractheit und blofsen von Anfang bis zu Ende als buchftäblich fo gefche-
Begriffsmäfsigkeit in Ausdruck und Gedankenverknüpfung, hen, wie fie erzählt wird, und fucht fie nur recht an-
Denn der Katechismus ift von Luther felbft nicht für | fchaulich zu machen, indem er befonders in das innere
Theologen beftimmt, fondern für Kinder, er giebt das, j Leben der handelnden Perfonen tiefer einführt und ihre
was einem jeglichen Chriften zu wiffen Noth ift, giebt I Beweggründe, Stimmungen und Gerinnungen näher zU
es unter dem rechten, praktifchen Gefichtspunkt des kennzeichnen fucht. Manches treffende Wort, mancher
Heilsbedürfnifses und in der gefunden Form und Sprache feine Wink begegnet uns hier, aber Eindeutungen fehle0
des Volks; wer Luther's Spuren folgt, deffen Auslegung nicht ganz. Ich gebe zu, dafs die Phantafie hier rnit-
wird die frifche Farbe des Lebens nicht fehlen. Das fpielen mufs, aber fie mufs fich doch innerhalb beftimrnter
haben wohl Alle erfahren, welche z. B. das in 9 Auf- j Grenzen bewegen und darf den geiftigen Gefichts- und
lagen erfchienene, dem Katechismus eine Reihe von ! Erfahrungskreis des grundlegenden Berichtes und feiner
Lutherworten beifügende Büchlein von D. Haupt fen. Zeit nicht überfchreiten. Davor hat fich Funcke, meinem
(Dr. Martin Luthers kleiner Kathechismus mit beigefüg- ! Gefühl nach, nicht genügend gehütet,
ten heffifchen Frageftücken. Nebft einem durch Lehr- ' Einen breiteren Raum als die Veranfchaulichung der
Inhalt und Lutherwort erweiterten Spruchbuch und einem Erzählung felblt nimmt übrigens die Anwendung ehr

rTak__Vl:_l-j__v.--_____r-u:i"------n 1. rr t... i I t-»

Uebcrblick derKirchengefchichte. Darmfladt. Ev. Bücherdepot
. 1882) im Unterricht gebraucht haben. So verleihen
denn der vorliegenden Katechismus-Auslegung
fchon von vornherein die Auszüge aus Luther's Schriften
einen eigenthümlichen Werth, fie beleuchten und beleben
die betreffenden Katechismusausfagen, führen in die Tiefe
und regen die fruchtbarften Gedankenreihen für die Behandlung
an. Die Erklärung des Verfaffers fchliefst fich
in erfter Linie genau dem Texte des kleinen Katechismus
an, bemüht, diefen aus fich felbft zu erklären, durch
richtige Verknüpfung der einzelnen Ausfagen ohne Wortreichthum
und ohne viel erklärende — oft nur den Text
zudeckende — Zuthat die inneren Beziehungen, den
tieferen Zufammenhang, den Gedanken-Fortfchritt hervortreten
zu laffen (vgl. befonders die Behandlung des
Herrngebets S. 161). Die Auslegung ift durch Bündigkeit
und Fafslichkeit ausgezeichnet. An einzelnen Stellen
würden wir den Ausdruck etwas fchärfen, fo. um nur
eine beifpielsweife anzuführen, S. 186, wo gefagt wird,
dafs wir den Schuldigern vergeben, ,foll uns ein Zeichen
fein, dafs auch Gott--vergeben wird'. In der Behandlung
des 9. und 10. Gebots fcheint uns der Unterfchied
des zufammenfaffenden Schlufsgebots von Gebot
5—8 nicht fcharf gefafst. Dafs hier das ,begehren', das
ja fchon in den vorhergehenden Geboten (6. 7) verurtheilt
ift, nur eben noch einmal hervorgehoben werden foll,
kann diefes Gebot von den vorhergehenden nicht unter-
fcheiden: den Einfatz für die fruchtbare katechetifche
Behandlung bildet hier der Begriff des Nächften, der im
Gebot 9 und 10 ein engerer ift, als im Gebot 5 — 3.
Doch dies find Einzelheiten; das Büchlein wird gewifs
jedem Katecheten, der Anregung und Concentration
fucht, willkommen fein.

Friedberg. H. A. Köftlin.

Darin liegt ja auch des Verfaffers Stärke. Zwar ift
Manches etwas lofe angeknüpft; es erfcheint nicht fowohl
aus der Betrachtung der Gefchichte felbft herausge-
wachfen, als vielmehr durch fonftige Gedankengänge und
Erlebnifse in den Vordergrund gedrängt und dann B**
der Gefchichte in Verbindung gebracht. Aber in anderen
Fällen find auch die Züge der Erzählung wieder in vortrefflicher
Weife verwendet, um die Wege unteres eigenen
Herzens und Lebens zu beleuchten.

Ueber den befonderen Zweck der vorliegenden Schrift
fpricht fich der Verfaffer felbft dahin aus, dafs er dadurch
,die elementaren religiöfen Wahrheiten den verirrten
und verwirrten Kinder unferer Zeit' vor Augen halten
wolle. Den an Gott felbft, an feiner Vorfehung, an der
unfichtbaren Welt und dem ewigen Leben Zweifelnden
möchte er entgegenkommen und zum Glauben helfe0-
Wenn fein Büchlein einem oder dem andern v0°
ihnen dazu helfen würde, dafs er mit Zuverficht fage°
könnte: ,es giebt einen lebendigen, perfönlichen Gotfi
der mit weifem Erbarmen und mit heiliger Zucht de°
Weg eines jeden Menfchen regiert', dann wäre fein Zweck
erfüllt. Ich mufs nun offen geftehen, dafs ich gerade
den Zweifelnden gegenüber Funcke's Bücher nicht füf
befonders geeignet halte, die ihnen im Wege liegende0
Anftöfse wegzuräumen, wohl aber werden fie für Viele
von denen, welche fchon auf dem Standpunkte des
Glaubens flehen, zur Erhaltung und Befeftigung diene0
können.

Augsburg. J. Hans.