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Ausgabe:

1890 Nr. 14

Spalte:

347-352

Autor/Hrsg.:

Ewald, Paul

Titel/Untertitel:

Das Hauptproblem der Evangelienfrage und der Weg zu seiner Lösung. Eine akademische Vorlesung nebst Exkursen 1890

Rezensent:

Holtzmann, Heinrich Julius

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Theologifche Literaturzeitung. 1890. Nr. 14.

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lend leicht macht, hat Siegfried hier geboten, was zur
richtigen Betrachtung des A. T. einem Jeden unerläfslich
iB. In einem erften Theile fchildert er erft die Anfänge
und umreifst er den alten Befiand des ifraelitifchen Schriftthums
(S. 6 f.), dann die Entftehung der Sammlung
heiliger Bücher, die uns geblieben ift, von ihrer Grundlage,
dem Deuteronomium an. Er zeigt, wie die theologifche
Betrachtung dabei von Anfang an mafsgebend war, und
wie diefe fich im Laufe der Zeiten in eigentümlicher
Weife wandelte (S. 8—16). Der zweite Theil behandelt
ebenfo die hiftorifche Betrachtungsweife (S. 17—22), der
dritte endlich fetzt beide in ihr richtiges Verhältnifs zu
einander und erkennt einer jeden ihr Recht zu (S. 23—27).
Es wäre ein Unrecht, aus fo knappem Umfang einzelne
glänzende Wendungen oder Abfätze hervorzuheben: es
will als Ganzes genoffen fein. Fehlt es auch nicht an
fcharfem Gewürz, fo liegt doch über Allem ein Geift der
Milde und der abwägenden, an der Gefchichte felbft gelernten
Gerechigkeit, der jedem wohlthun mufs und die
Verftändigung erleichtern wird.

S. 24 Z. 3 v. u. fcheint ein Wort ausgefallen zu fein:
es wird heifsen müffen ,die theologifche Betrachtung'.

Strafsburg i./E. K. Budde.

Ewald, Prof. Lic. Dr. Paul, Das Hauptproblem der Evangelienfrage
und der Weg zu seiner Lösung. Eine akademifche
Vorlefung nebft Exkurfen. Leipzig, Hinrichs, 1890.
(XII, 257 S. gr. 8.) M. 6. 80.

Der Verf. diefer fchon 1887 bei Antritt feiner aufser-
ordentlichen Profeffur gehaltenen Vorlefung (S. 1—36) und
der fich an fie anfchliefsenden 4 Excurfe fetzt fich mit
dem Unterzeichneten fo vielfach auseinander, dafs die
auferlegte Gegenrede wenigftens nicht allzu kurz angebunden
fein darf. Es foll eine ,verhängnifsvolle Ver-
irrung', ein ,methodifcher Fehler' (S. 3) fein, wenn man
bisher eine fynoptifche und eine johanneifche Frage
unterfchieden und jede derfelben möglichft unabhängig
von der andern geftellt hat. ,Eine Darftellung, wie die
von Weifs, nach welcher die Lehre Jefu nach den Synoptikern
völlig getrennt von der nach Johannes befchrieben
wird und als Grundlage für die apoftolifche Theologie
erfcheinen foll, ift von vornherein unzuläffig, weil es eben
eine folche fynoptifche Ueberlieferung nie gegeben hat'
(S. 155). ,Wir glauben alles Ernftes an ein Hauptproblem',
weil es ,noch immer unwiderlegt ift', dafs ,das ChriBus-
bild des vierten Evangeliums die nothwendige Ergänzung
zu der fynoptifchen Zeichnung' bringt und ,auch in Einzelheiten
der fynoptifche Bericht den johanneifchen vielmehr
fordert als ablehnt' (S. 5). Ich geftehe, in dem
ganzen Buche nichts gefunden zu haben, was mich in
meiner gegentheiligen Ueberzeugung einen Augenblick
irre zu machen vermocht hätte. Woraus foll denn überhaupt
die Einfeitigkeit und Unvollftändigkeit der fynoptifchen
Ueberlieferung erhellen? Antwort: zu den Paru-
fleverheifsungen der drei erften Evangelien bilden die
Präexiftenzausfagen des vierten das unentbehrliche Er-
gänzungsftück (S. 44P). Sonft werde Jefus zum Schwärmer
'. Das x a parte post erfordere zur Herftellung Gal. 5, 1 f., ja fogar Jak. 1, 2~2—25 auf Joh. 8, 30T. zurück

verlaufe der von den Synoptikern gefchilderte Gang der
Ereignifse im undenkbaren Gefchwindfchritt (S. 49 >d'e
Motive wirken förmlich exploliv, der Verlauf des Kampfe3
läfst kein Aufathmen zu'), als gehe namentlich dem Mc.
,ein eigentliches Streben nach einer akoluthiftifchen Darftellung
der einzelnen Vorgänge' ab (S. 193), handle es
fich vielmehr nur ,um eine Reihe einzelner Züge oder in
fich abgegrenzter Bilder' (S. 195), bei den im ,Handcom-
mentar' Bd. i, S. 7 f. 17 f., Bd. 4, S. 140. 151 zufammen-
gefafsten und in der Auslegung fortwährend beftätigten
Refultaten und verweife bezüglich der mir S. 41. 50 vorgehaltenen
, früheren Urtheile über gefchichtlichen Hintergrund
im vierten Evangelium gleichfalls auf den eben er-
fchienenen Bd. 4 jenes Commentars, wo das Nöthige
S. 18f. gefagt und zufammengefafst wird, was dann die
Auslegung im Einzelnen nachweift. Irgendwo in beiden
Bänden finden fich die S. 52 f. geltend gemachten In-
ftanzen, foweit ihnen der Verf. felbft Werth beilegt, be-
fprochen; z. Th. fogar fchon mit Beziehung auf ihn. Es
ift denn doch nur der reine Cirkel, wenn der Verfaffer>
um die Unentbehrlichkeit des Johanneszeugnifses darzu-
thun, die Unvollftändigkeit des im Marcus nachwirkenden
Petruszeugnifses damit erweifen will, dafs hier ,die
judäifch-jerufalemifche Anfangszeit' fehle, weil Petrus
zwifchen feinem erften Zufammentreffen mit Jefus Joh.
1, 41 f. und der Berufung am See Mc. 1, löf. fich noch
nicht in der Bändigen Nachfolge Jefu befunden habe
(S. 196). Nicht einmal in der Darfteilung der Ereignifse
des letzten Abends (S. 54 f. 177) würde Lc. 22, 24—3°
an fich eine Ergänzung durch den johanneifchen Bericht
fordern, da Weifs vollkommen im Recht ift mit feiner
Erklärung der Verlegung des Rangftreites, und die Behauptung
, dafs Lc. 22, 29 aus der gewöhnlichen in die
johanneifche Redeform übergehe (S. 56), vielmehr dahin
zu berichtigen ift, dafs Joh. 13, 1—20, wie fchon die
Uebernahme von 13, 16. 20 aus der Inftructionsrede beweift
, aus fynoptifchen Stoffen gebildet ift, die z. Th.
noch in natura zu Tage treten. Dafs der Verf. überhaupt
zu feiner ,Forderung' gelangt ift ,nicht durch Ver-
gleichung nur der fynoptifchen Texte unter fich, fondern
durch Vergleichung des Inhalts der Synoptiker mit dem
des vierten Evangeliums', liegt auf der Hand und wird
bereitwilligft zugeftanden (S. 24), desgleichen auch, dafs
weder bei Mt. noch bei Lc. etwas ,von einer einiger-
mafsen fichern Bekanntfchaft der Schriftfteller mit dem
bedeutfamen Material, das fie beifeite gelaffen, zu fpüren
ift' (S. 11, vgl. dazu S. 103L 124p); von Mc. aber glaube
ich Gleiches unter Hinweis auf meinen Commentar zur
Synopfe erft recht behaupten zu dürfen. Das wenigftens
will gar nichts bedeuten, was unfer Verf. von Spuren
der Bekanntfchaft mit dem johanneifchen Typus wittert
(S. 123h 197). Aber auch Jakobus, Petrus und Paulus,
ja ,die gefammte Urzeit des Chriftenthums war in reich-
ftem Mafse mit johanneifchem Material vertraut' (S. 155)»
und die ganze ,aufserevangelifche Literatur des Urchriften-
thums' foll die johanneifche Ueberlieferung faft eben fo
fehr wie die fynoptifche vorausfetzen (S. 22 f. 57 f. 151 f.),
was fie aber doch nur thut, wenn man die Abhängig-
keitsverhältnifse auf den Kopf Bellt, alfo z. B. Rom. 6, 15 f-

des gefunden Gleichgewichts ein x a parte ante — ein ! weifen läfst (S. 22. 63 f. 86f.), wenn man Jak. I, 18 aus

um fo befremdlicherer Schlufs, als zugleich ausdrücklich
gegen die Anwendbarkeit ,der uns hienieden unumgänglichen
Kategorie des Vorher und Hernach' auf den
vorliegenden Fall Einfprache erhoben wird (S. 48) und
fchliefslich Alles auf die metaphyfifche Frage hinausläuft,
ob UnBerblichkeit nur als Correlat eines Vorherdafeins
denkbar wird. WenigBens in feiner Eigenfchaft als Exeget
und Kritiker kann der Verf. hierüber unmöglich unterrichtet
fein, wahrfcheinlich auch fonB nicht.

Wie auf diefem Punkt bei dem früher (ProteBantifche
Kirchenzeitung 1883, S. icwöf.) formulirten Urtheile, fo
verbleibe ich gegenüber den weiteren Ausführungen, als

dem Gefpräch mit Nikodemus erklärt (S. 59L), Jak. 5,-14
iv opo/MiTi xvqLov von dem vorausgehenden dksixpavTSC,
mit dem alle guten Ausleger es verbinden, ablöfl, um
durch Verbindung mit dem entfernteren rcooGev^äa-ä-oioaV
das johanneifche Gebet im Namen Jefu zu gewinnen
(S. 66f.), wenn man von der Echtheit nicht blofs des
Jakobusbriefes, fondern auch davon überzeugt ifl, dafs
in 1 Petr. ,ein zweifellos unmittelbarer Jünger Jefu, ja
der hervorragendBe diefer Jünger zu uns redet' (S. 68,
vgl. im übrigen die richtige Darflellung des fchwierigen
Verwandtfchaftsverhältnifses bei Oscar Holtzmann,
Das Johannesevangelium 52t. 171 f. 175 f.), wenn man Barke