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Ausgabe: | 1890 |
Spalte: | 321-330 |
Autor/Hrsg.: | Resch, Alfred |
Titel/Untertitel: | Agrapha, außercanonische Evangelienfragmente, in möglichster Vollständigkeit zusammengestellt und quellenkritisch untersucht. Anhang: Das Evangelienfragment von Fajjum von Adf. Harnack 1890 |
Rezensent: | Jülicher, Adolf |
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Theologische Literaturzeitung.
Herauso-eo-eben von D. Ad. Harnack, Prof. zu Berlin, und D. E. Schürer, Prof. zu Giefsen.
ö Preis
allfi^Tage. Leipzig. J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.
No. 28. Juni 1890. 15. Jahrgang.
kefch, Agrapha, aufserkanonifche Evangelien-
iragmente (Jülicher).
olf, Ti,e Lutherans in America (Eck).
VVei's, Einleitung in diechriftlicheEthik(Kaftan).
Euler, Handbuch zum kleinen Katechismus
Luthers (Köftlin).
Wild, Der kleine Katechismus D. Martin Luthers
(Derf.).
Oehmke, Die fünf Hauptftücke des lutherifchen
Katechismus (Derf.).
Notiz zu Priscillian (Schepfs).
Besch, A., Agrapha, aufsercanonifche Evangelienfragmente
, in möglichfier Vollftändigkeit zufammenge-
ftellt und quellenkritifch unterfucht. Anhang: Das
Evangelienfragment von Fajjum von Adf. Harnack.
[Texte und Unterfuchungen zur Gefchichte der alt-
chrifllichen Literatur von ü. v. Gebhardt und A.
Harnack, 5. Bd., 4. Hft.] Leipzig, Hinrichs, 1889.
(XII, 520 S. gr. 8.) M. 17. —
Refch's Agrapha — dem Fürflen von Reufs älterer
Linie und feiner Gemahlin gewidmet — verdienen die
Aufmerkfamkeit aller Theologen. Der Stil ift nicht gerade
elegant, eher breit, und nicht ohne Schiefheiten des
A-usdrucks (z. B. S. 4: erfchöpfend berühren, S. 12: der
Lrnkreis der . . . Agrapha mufs in den Kreis der Unterjochung
gezogen werden, S. 14: Eins der fchwierigften
Gebiete der Forfchung betrifft . . .); aber fo ungelenke
Sätze, wie der auf S. 15, Z. 28 — 39 es auch nach Ein-
Jchiebung eines ,corrigirt,' hinter ,zuthun,' in Z. 35 noch
bleibt, find feiten, und im Ganzen fchreibt der Verf.
üürchfichtig und wohlthuend einfach.
Da dem Verf. während des Druckes noch reichlich
neuer Stoff zugewachfen ift, theils durch eigene Forschung
, theils durch Mittheilungen von anderer Seite,
Lefonders von Ad. Harnack, fo wird man Vollkommenheit
in der Stoffanordnung nicht erwarten; ein ganzer
Paragraph (11, von S. 269—314) enthält nur Nachträge
zü den beiden vorangehenden, und auch der § 12 bekommt
von S. 464 an nochmals Nachträge, von denen
einige zum ^ 11 gehören. Sonach mufs man bezüglich
des Logion 35 vom Schwitzenlaffen des Almofens in §9 auf
9- in, in § 10 auf S. 212 ff., in § 11 auf S. 288 f. und
hi S 12 auf S. 464 f. Belehrung fuchen; und auch Wiederholungen
wie S. 267, 15—21 = S. 293, 17—22 waren
kaum vermeidlich. Selbft der Plan des Werkes hat
Während des ,bei feiner Schwierigkeit nur langfam vorwärts
fchreitenden' Druckes noch Aenderungen erlitten,
So dafs einige Bemerkungen in den erften Abfchnitten
nicht mehr ganz zu dem Späteren paffen, und fogar der
Titel .Agrapha', wenigftens nach feiner S. 3 gegebenen
Definition, nicht dem ganzen Buche gerecht wird. Das
Soll dem Verf. indefs fo wenig verübelt werden wie allerhand
Seltfamkeiten der Reihenfolge in feinen Autorenver-
zeichnifsen (z. B. S. 326, IO: Jacob de Voragine, Gre-
gorius Turon., Sedulius' {seil. Scotus), oder S. 325, 25:
'Method., Didasc, Conft., Auguftin., Hilarius, Juvencus,
Lactant., Orig.') und wie das Vorkommen von Druck-
oder Schreibfehlern, von denen doch nur wenige erheblicher
find (z. B. S. 1 n. L Strom. VI ft. V; S. 24: Joh.
1o> 9 ft. 19, 9; S. 43: dvariiggt^a ft. artig.; S. 98: Iren,
g, 34, 3 ft. 64, 3; S. 165 n. 2: Strom. V, 6, 41 ft. /, 6;
b. 267, 17: p. 14, 22 ft. p. 5 u. Z. 18: dtxawovvae ft.
*P> (dsgl. S. 293, 19); S. 433: Herrn. Mand. IV, 4, 3 ft.
etenim ft. autem; I, 26, 2 ft. 26, 1 und Mattkaeum evan-
gelio ft. blofs Mattkaeum): vielmehr tritt im Ganzen eine
rühmliche Sorgfalt auch dem Kleinen gegenüber hervor
und eine bei folcher Unmaffe von Citaten bewunderns-
werthe Zuverläffigkeit. Citate von englifchen Schrift-
ftellern würde ich übrigens in einem doch wohl für
weitere Kreife von Theologen berechneten Buche in's
Deutfche übertragen; wenn die Phillips'fche Ueberfetzung
der Doetrina Addaei uns S. 399 und 431 deutfeh vorgeführt
wird, warum dann nicht auch auf S. 462? —
Einzelne Irrthümer find in dem gelehrten Werke verzeihlicher
Weife mit untergelaufen; z. B. J. E. Grabe, der
Verfaffer des berühmten Spieilegium, deffen editio altera,
priori auetior et entendatior vom Jahre 1714 S. 4 nicht
unerwähnt hätte bleiben follen, ift kein Engländer (S. 4),
fondern ein — nur in reiferem Alter zur anglikanifchen
Kirche übergetretener — Preufse; dafs die älteften latei-
nifchen Verfionen der Evangelien nach ihrer Entftehung
in's 2. Jahrh. gehören, kann feit dem fehr beachtenswer-
then Widerfpruch Zahn's in der Gefch. des NTlichen Kanons
I, I nicht .anerkannt' heifsen. Die Behauptung (S. 24),
dafs nach Bäthgen's Unterfuchungen die fyrifche E vglien ver-
fion Cureton's auf Tatian, den Schüler Juftin's, zurückgehe,
ift mindeftens fehr mifsverftändlich — nebenbei mehr als
gewagt, dies durch die Thatfache beftätigt zu finden,
dafs Syr. Qu: wie Juftin in Joh. I, 13 aiparog (ft. «i-
/Liaiaiv) lieft, und vollends wahrfcheinlich zu nennen, dafs
die bei Juftin für denfelben Vers ,vorausgefetzte' LA ög
iyevvriöi} ,urfprünglich ebenfalls in den von Tatian gebrauchten
und der altfyrifchen Verfion zu Grunde gelegenen
Handfchriften enthalten gewefen ift'! Nach
S. 335 läfe Cyprian in Mt. 2, 1 Inda; aber der entfehei-
dende Codex (L) hat an beiden Stellen ludaeae. Und
follte R. im Ernft als ,die uns bekannten älteften Vertreter
des Judenchriftenthums Cerinth und Karpokrates'
(S. 330) fefthalten? Freilich die dort von ihm conftru-
irten 4 Phafen der Entwickelungsgefchichte des Hebräerevangeliums
flehen m. E. überhaupt auf recht phantafti-
fchem Fundament — indefs damit komme ich bereits zu
dem eigentlichen Gegenftande des Buches. Was find
denn ,Agrapha'? Charakteriftifcher Weife bringt Herzog
's Real-Encyklopädie das Wort nicht einmal im Gene-
ralregifter, fo mufs Refch in § 1 den Begriff der Agrapha
entwickeln, zumal er die hergebrachte Definition:,Herrenworte
, die dygcccpiog, durch mündliche Tradition fortgepflanzt
find', fleh nicht anzueignen vermag. Ganz richtig
will er durch dygärptog nicht jedwede Schrift, fondern
lediglich die yoaqn] unferer kanonifchen Evangelien nach
ihrer anerkannten kanonifchen Textgeftalt negirt wiffen.
Diefe Erweiterung des Begriffs beanftanden wir — wenn R.
nur nicht in den entgegengefetzten Fehler verfiele, wieder
alle mündliche Tradition zwar nicht principiell, aber fac-
tifch auszufchliefsen — ebenfowenig wie die andere im Titel
hervortretende, wo ftatt ,Herrenworte' ,Evangelienfrag-
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nenn. IV, 4, 3 und S. 330, Z. 19—21: III, 11, 7 it. 12,7; mente' genannt find. Nur erweckt hier der Zufatz:
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