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Ausgabe:

1890

Spalte:

312-314

Autor/Hrsg.:

Buchrucker, Karl

Titel/Untertitel:

Grundlinien der kirchlichen Katechetik 1890

Rezensent:

Köstlin, Heinrich Adolf

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31' Theologifche Literaturzeitung. 189O. Nr. 12. 313

den älteren, glaubt aber die Urgeftalt des Tractats auch
da noch nicht zu finden; die Erörterungen über die
Bilderanbetung in Cap. 1 und 15 müfsten fpäterer Ein-
fchub fein. Von den zahlreichen antijüdifchen Abhandlungen
in griechifcher Sprache fleht nur eine in intimerem
Verhältnifs zu der vorliegenden, die bereits von A.
Mai im Urtext veröffentlichte eines Abtes Anaflafius,
welche ein grofses Stück aus der AvTißoXrj TLania/.ov
v.ai (J>iXtovog einfach ausgefchrieben hat, der Parifer Re-
cenfion näherftehend, aber doch um mehr als 100 Jahr
älter. So könnte man von drei Recenfionen unferes
Schriftchens reden; alle drei wahrfcheinlich in Egypten
entftanden, die ältefte c. 700, die jüngfte im 11. Jahrh.
Dafs der Verfaffer Philo geheifsen, möchte ich nicht einmal
als Vermuthung hinftellen. Jedenfalls war es ein
Mann ohne alle Originalität und von wenig Gefchmack,
den vielleicht der Hohn der Juden über die Zurückdrängung
des Chriftenthums durch die Araber (auch
fchon Hugcc/.iivoi genannt 61, 14) feit 634 veranlafste,
mit den alten Mittelchen den wenigflens für feine An-
fprüche genügenden Beweis zu führen, dafs dennoch die
Juden im Unrecht feien, Schrift und Gefchichte ihren
Unglauben verdammten. Eine Bereicherung der kirchlichen
Literatur können wir Mc Giffert's Fund nicht
nennen, aber als Vervollftändigung ift fie dankenswerth;
es wäre zu wünfchen, dafs er auch die anderen noch in
den Bibliotheken begrabenen Schriften diefer Gattung,
die ihm bekannt geworden find und von denen er theil-
weife fchon Abfchriften genommen hat, uns zugänglich
machte, dann aber nicht mit einem fo koftfpieligen Apparat
, der jede Thorheit der Abfchreiber verzeichnet,
fondern den älteften Text und höchftens die Varianten,
an denen ein fachliches Intereffe hängt, dazu eine ganz
knappe Einleitung und ein Verzeichnifs der citirten
Schriftftellen. Diesmal handelte es fich ja um ein speci-
tnen eruditioms; fonft: Papiscus und Philo lohnen Niemandem
das Studium von 99 Seiten.

Marburg. Ad. Jülicher.

Kirn, Doc. Lic. Dr. Otto, Ueber Wesen und Begründung der
religiösen Gewissheit. Antrittsvorlefung, gehalten in der
Aula der Univerfität zu Bafel am 22. Oktbr. 1889.
Bafel, Detloff, 1890. (28 S. gr. 8.) M. I.—

Der Vortragende geht davon aus, dafs es ein Irrthum
ift, zu meinen, die Religion verhalte fich gleichgültig
gegen den Gegenfatz von wahr und falfch. Es handelt
fich in ihr vielmehr um eine Befriedigung höchfter Be-
dürfnifse der menfchlichen Seele, welche nur in und mit
der Ueberzeugung von der Wahrheit des Glaubens zu
Stande kommen kann. Daher aller Grund vorhanden ift,
die Frage nach Wefen und Begründung der religiöfen
Gewifsheit aufzuwerfen. Die Vorfrage lautet, was überhaupt
Gewifsheit fei. Kirn antwortet: fie ift das Bewufst-
fein um die Nothwendigkeit eines Urtheils, darum, dafs
wir die Sache fo denken muffen und nicht anders denken
können. Sie beruht im theoretifchen Denken und im
praktifch-fittlichen Urtheilen auf dem Zufammentreffen
eines objectiven und fubjectiven Factors. Sie verhält
fich zur Wahrheit wie ein Subjectives zum Objectiven: wir
verliehen unter Gewifsheit die Nothwendigkeit eines Gedankens
nach Bewufstfeinsgefetzen, unter Wahrheit feine
Nothwendigkeit nach Weltgefetzen. Nun verhält es fich
auch mit der religiöfen Gewifsheit nicht anders. Auch
in ihr treffen ein Objectives und Subjectives zufammen,
jenes die Offenbarung Gottes in Natur und Gefchichte,
diefes Urtheile und Erkenntnifse, die aus dem Innerften
des perfönlichen Lebens quellen. Fragen wir aber, wie
fie zu Stande kommt, fo geht es nicht an, auf ein ur-
fprüngliches Gottesbewufstfein zurückzugreifen. Was in
diefer Beziehung wirklich urfprünglich vorhanden, ift nicht
mehr als ein Bedürfnifs und eine Ahnung. Vielmehr find

es die fittlichen Elemente des menfchlichen Bewufstfeins,
in Zufammenhang mit welchen die religiöfe Gewifsheit
entfteht. Nicht die Vollendung des theoretifchen Welterkennens
ift der Glaube, fondern er entfteht auf Grund
ethifcher Nöthigungen, indem fich die göttliche Offenbarung
dem fittlichen Bewufstfein legitimirt. Dem ent-
fpricht auch, dafs die göttliche Offenbarung ihre nächften
Beziehungen im fittlichen Bewufstfein der Menfchen hat.
Hierauf beruht der Unterfchied des Glaubens von willkürlichen
Wunfchtheorien der menfchlichen Phantafic-
Hieraus ergiebt fich zugleich, dafs diefe Gewifsheit nicht
logifch demonftrirt werden kann, fondern Sache der pC"
fönlichen Freiheit bleibt.

Die Natur des Gegenftandes bringt mit fich, dafs
hier Vieles berührt worden ift, was nicht ausführlich entwickelt
werden konnte. Im engen Rahmen einer or-
lefung läfst fich darüber nur reden, wenn und indem
man aus vielen Ueberlegungen und Erwägungen gleich-
fam die Summe zieht. Hat der Hörer oder Lefer den
Eindruck, dafs dem fo fei, dafs das kurze Wort auf einer
wohlüberlegten Gefammtauffaffung beruhe und aus eindringender
Befchäftigung mit den zur Sprache gebrachten
oder nur nebenbei berührten Fragen hervorgegangen
fei, dann wird er fich freuen wenn er im Grofsen und
Ganzen zuftimmen kann, billiger Weife aber über das
Einzelne nicht rechten. Kann er doch nicht wiffen, worauf
das Urtheil im einzelnen fich gründet, und mufs
fich fagen, dafs der Redner nur von feinem Recht Gebrauch
macht, wenn er wefentlich behauptend auftritt-
So ergeht es mir mit diefer Antrittsvorlefung. Ich habe
fie mit Vergnügen gelefen. Sie ift ein wohl erwogenes
und durchdachtes Wort, der Verf. hat fich damit aufs
belle in feinem neuen Beruf eingeführt. Gegen Manches
hätte ich wohl allerlei einzuwenden, laffe es aber aus dem
oben angegebenen Grund bei Seite und freue mich in
der Hauptfache zuftimmen zu können.

Berlin. Kaftan.

Buchrucker, Oberkonfi(l.-R. D. Karl, Grundlinien der kirchlichen
Katechetik. Berlin, Reuther, 1889. (X, 250 S.
gr. 8.) M. 4. -

Das vorliegende Buch befchränkt fich ausdrücklich
darauf, nicht fowohl eine ausgeführte Katechetik, als
vielmehr nur die Grundlinien zu einer folchen geben zu
wollen, ,fefte Principien aufzuftellen, ftrenge Folgerungen
zu ziehen', und hierdurch dazu beizutragen, .dafs das
katechetifche Verfahren mehr und mehr von allem Zufälligen
befreit und auf das Wefentliche und Thatfäch-
liche geftellt werde'. Es dient zunächfl dem Bedürfnifs
des Verfaffers, die von demfelben in feinen Leitfäden
für den chriftlichen Religionsunterricht gemachten Vor-
fchläge und durchgeführten Methoden wil'fenfchaftlich zu
rechtfertigen und zu begründen. Demgemäfs nehmen
die grundfätzlichen Auseinanderfetzungen über Ziel und
Aufgabe der katechetifchen Thätigkeit als einer natur-
nothwendigen Lebensbethätigung der Kirche, über den
zu behandelnden Stoff, den Gefichtspunkt, unter den er
zu ftellen ift, die Begrenzung, die der kirchlich erzieheri-
fche Zweck fordert, den breiteren Raum ein, während
die eigentliche Methodenlehre, die Lehre vom katechetifchen
Verfahren in kurzer und bündiger, oft mehr nur
andeutender Faffung geboten wird; es ift alfo mehr die
Grundlegung der kirchlichen Katechetik und die grund-
fätzliche Verftändigung über den einzufchlagenden Weg?
womit wir es bei dem vorliegenden Buche zu thun haben;
die praktifche Durchführung und Ergänzung, zugleich
die praktifche Erprobung der vorgetragenen Grundfatze
ftellen die Leitfäden des Verfaffers dar. — Der Standpunkt
des Verfaffers ift durch die Bezeichnung der Katechetik
als kirchlicher deutlich gekennzeichnet: nicht
blofs um die Uebermittelung des religiöfen Erkenntnifs-