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Ausgabe:

1890 Nr. 12

Spalte:

303-310

Autor/Hrsg.:

Rossi, Joannes Bapt. de (Ed.)

Titel/Untertitel:

Inscriptiones Christianae Urbis Romae septimo saeculo antiquiores. Vol. II, pars 1 1890

Rezensent:

Ficker, Gerhard

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303 Theologifche Literaturzeitung. 1890. Nr. 12. 3°4

unter dem Text der Index scriptorum zufammengeftellt
wird und die Indices scriptorum die Grundlage bilden
für die fo wichtigen Forfchungen nach dem alten Text
der Bibel und nach der Gefchichte ihrer Ueberfetzungen,
fo ift es eine der Hauptaufgaben der Herausgeber, hier
möglichfte Vollftändigkeit und Präcifion anzudrehen, und
diele Aufgabe ift ja bei Tert. durch H. Rönfch's ,Das
Neue Teftament Tertullian's 1871' fo wefentlich erleichtert.
Es ift bei Tert. nicht immer einfach, zwifchen Citat und
Anfpielung zu unterfcheiden, aber eben bei ihm find die
Reminiscenzen von fafc gleicher Bedeutung wie eigentliche
Anführungen. Wenn Hartel's Index scriptorum zu
Cyprian's Werken III, S. 327—372 (richtiger: 327—336 u.
367—372, S. 337—366 gibt es nicht), trotzdem wir ihm
für feine Regifter fo grofsen Dank fchulden, fehr erhebliche
Verbefferungen erfordert, fo wünfchen wir, dafs
wir einftmals Wiffowa unfern Dank nicht mit folcher Ein-
fchränkung werden auszufprechen brauchen, wie wir vertrauen
, dafs das von feinem verehrten Lehrer fo fchön
begonnene Werk unter feinen Händen rafch der Vollendung
entgegenfchreitet.

Marburg. Ad. Jülicher.

Inscriptiones Christianae Urbis Romae septimo saeculo anti-
quiores. Edidit Joannes Bapt. de Rossi. Vol. II P. I.
Romae, ex officina Libraria Philippi Cuggiani, 1888.
(LXIX, 536 S. fol.) Fr. 80. —

Der in den Jahren 1857 bis 1861 erfchienene erfce
Band der Inscriptiones Christianae Urbis Romae septimo
saecido antiquiores enthält die chriftlichen Infchriften mit be-
ftimmter Zeitangabe (1176 an Zahl; 1177—1191 geben nur
die Indiction; 1192 bis 1374 find Fragmente mit Zeitangabe
, die fich jedoch wegen des fragmentarifchen Charakters
nicht mehr erkennen läfst). Ihm ift jetzt die erfte
Hälfte des zweiten Bandes gefolgt. Er enthält die Vorarbeiten
zu den weiteren Bänden des Corpus Inscriptionum
Christianarum Urbis Romae. Der zweite Band follte die
^Inscriptiones sacrae et historicae1 bringen. Da die meiften
Epigramme diefer Art (Infchriften an gottesdienftlichen
Gebäuden, Märtyrerelogien, Grabfchriften von Päpften)
nur durch die alten Sammlungen uns erhalten find, fo
ergab fich die Nothwendigkeit, die alten Infchriftenfamm-
lungen aufzufuchen, zu ordnen, kritifch zu beleuchten,
ihre Abhängigkeit von einander darzulegen. Diefer kriti-
fchen Thätigkeit wird Raum gegeben in den einleitenden
Paragraphen, welche der Wiedergabe der einzelnen Sammlungen
vorausgehen.

Eine annähernd genaue Angabe des Inhalts zu bieten,
ift der Zweck diefer Zeilen.

Die Einleitung zu dem Bande (pp. V—LXIX) handelt
über die metrifchen und rhythmifchen chriftlichen
Infchriften. Von metrifchen Infchriften aus vorkonftanti-
nifcher Zeit zeigen die einen fich beeinflufst von antiker
Poefie; (Verfe aus Vergil finden fich auf chriftlichen
Grabfteinen); andere haben eigenthümlich chrifHiche Ausdrucksweife
, wie Märtyrerelogien (fo die Verfe auf die
Schwertern Zofima und Bonofa, zufammengeftellt mit der
Maffilienfifchen Infchrift des Volufianus und Fortunatus).
Ein vorzügliches Beifpiel einer metrifchen Sepulcralin-
fchrift ift die bis vor kurzem nur aus Heiligenacten bekannte
Grabfchrift des Abercius, Bifchofs von Hieropolis
in Phrygien (aus dem Ende des 2. Jhs.), welche einer
eingehenden Befprechung und Erklärung unterzogen und
mit verwandten Monumenten, fo mit der Pectoriusinfchrift
von Autun etc. verglichen wird. An diefe metrifchen
Infchriften werden Beifpiele von rhythmifchen angereiht.

Seit konftantinifcher Zeit befchäftigen fich die be-
rühmteften Männer mit der Abfaffung von metrifchen
Infchriften. Wir erhalten in den folgenden Paragraphen
der Einleitung (§§ IO—14) ein anfchauliches Bild von
der Thätigkeit diefer chriftlichen Dichter bis zu der karo-

lingifchen Zeit, in welcher auch diefer Zweig chriftlicher
Literatur reiche Blüthen trug. Die Verfaffer monumentaler
Infchriften in der Stadt Rom, in Italien, Spanien,
Britannien, Gallien werden im Zufammenhang aufgeführt:
fchon diefer Ueberblick eine Verarbeitung des in dem
vorliegenden Bande dargebotenen Stoffes.

In zwei Theile wird die Fülle des Stoffes gegliedert
Der erfte Theil umfafst die Infchriftenfammlungen bis
zum 12., der zweite bis zum Ende des 15. Jahrhunderts.
Während in jenem die Sammlungen auch nach fachlicher
Eintheilung gegeben werden, ift in diefem allein die chro-
nologifche Reihenfolge mafsgebend.

Das erfte Capitel (pp. 1—48) giebt die Sammlungen
wieder, welche chriftliche und heidnifche Infchriften ohne
Unterfchied enthalten, foweit fie auf uns gekommen find
oder foweit fich Spuren von ihnen nachweifen laffen-
Diefe Sammlungen, welche feit der Mitte des 6. Jahrhunderts
angefertigt und dann im karolingifchen Zeitalter
, freilich fchon nicht mehr im beften Zuftande, von
den wiffenfehaftlich intereffirten Männern benutzt wurden,
gaben die Infchriften in möglichfit genauem Anfchlufs
an das Original wieder. Aus den karolingifchen Ab-
fchriften, in denen fie allein fragmentarifch uns erhalten
find, läfst fich beweifen, dafs fie nicht in Minuskeln, fondern
in Majuskeln gefchrieben waren; wohl auch, dafs
fie die Zeilentheilung des Originals wiedergaben. Die
Sammlungen umfafsten jede Art von Infchriften, heidnifche
wie chriftliche, in poetifcher wie in profaifcher Form,
Infchriften an öffentlichen Monumenten wie Grabfchriften,
auch von geringerer Bedeutung. Selbft die Daten des
Originals waren in die Abfchrift aufgenommen worden.
Sie waren nicht, wie Sammlungen karolingifcher Zeit,
beftimmt zum praktifchen Gebrauche der Verfertiger
von Grabfchriften, fondern lediglich aus epigraphifchem
Intereffe gefchrieben.

Zum guten Theile läfst diefe Eigenfchaften erkennen
eine Infchriftenfammlung, von welcher ein Fragment m
einem wohl aus karolingifcher Zeit flammenden Pergamentblatte
Scaliger abgefchrieben hat. In deffen Exemplar
des Gruter'fchen Codex (Cod. Vat. lat. 9146) finden fich
unter andern am Schluffe eingefchriebenen Infchriften 14»
welche laut Ueberfchrift ex membrana vetusta (an Scaliger
von Petrus Pithoeus gegeben) flammen. Der Inhalt diefes
Blattes — eben nur eines Theiles einer umfänglicheren
Sammlung, wie fchon daraus erhellt, dafs auf ihm fich
9 ravennatifche Infchriften befanden und nur einerömifche
— wird nachScaliger's Abfchrift getreu wiedergegeben.—
Umfänglicher ift die im Codex Einsidlensis 326 erhaltene,
zuerft von Mabillon 1685 in den Analekten publicirte
Sammlung, von welcher eine neue Ausgabe in genaueftem
Anfchlufs an das Original dargeboten wird. Der Code*
flammt aus Reichenau oder ift wenigftens von einem
Reichenauer Codex abgefchrieben. Den Theil einer dem
cod. Einsidt. fehr ähnlichen Handfchrift fand Poggio in
der Nähe von Conftanz, als er fich dort 1414—17 während
des Concils aufhielt. Diefer Theil ift verloren gegangen.
Doch laffen fich die Infchriften, die er enthielt, durch
Vergleichung der verfchiedenen epigraphifchen Bücher
des XV. Jahrhunderts, welche ihn benutzten, genau wieder-
herftellen. Der Text des Einfiedler Codex zeigt, dafs
eine zweite Hand die Einfiedler Abfchrift mit einer von
der Urfchrift verfchiedenen Abfchrift derfelben Sammlung
collationirte. So laffen fich vier Exemplare der
alten Sammlung oder wenigftens ihre Spuren erkennen, -p
Die meiften der 82 Infchriften der Sammlung find römi-
fche. Ein Theil der Infchriften flammt aus einem Itinerab
welches zu den Märtyrergräbern führte. Der Haupttheil
(1—60) läfst erkennen, dafs der Sammler chriftlichen Infchriften
ein befonderes Intereffe nicht entgegenbrachte.
Darin ftimmt er mit der unter Nr. I aufgeführten Sammlung
überein. Befondere Theile in der Reichenauer Sammlung
werden unterfchieden und für die verfchiedenen
I verfchiedene Quellen nachgewiefen. Schwerwiegende