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Ausgabe:

1890

Spalte:

284-287

Autor/Hrsg.:

Finke, Heinrich

Titel/Untertitel:

Forschungen und Quellen zur Geschichte des Konstanzer Konzils 1890

Rezensent:

Beß, Bernhard

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nennt er einen Artikel des Theol. Lit.-Bl. ,Zur Provinzial-
kirchengefchichte'!! In ,Religionsgefchichte' finden fich
zwei Werke über die Druiden aus dem iS.Jahrh., Pünjer's
Gefchichte der Religionsphilo fophie (!) und 2 antiqua-
rifche Kataloge; von Chantepie de la Sauffaye und den
dortigen Literaturnachweifen kein Wort; für die Waldenfer
eine Arbeit von Kifl aus dem Jahre 1846 und das Buch
von Montet u. f. w. Sehr reichhaltig ift die Aufzählung
antiquarifcher Kataloge als literarifcher Nachweife. Die
Rubrik Reformation enthält deren allein 32, darunter vier
von F. Steinkopf. Deffen Kataloge werden überhaupt
immer wieder angeführt, obwohl fie bekanntlich immer
faft diefelben Bücher mit denfelben gefchmackvollen An-
preifungen enthalten.

Von der Anmuth der Sprache habe ich nun reichlich
Proben gegeben. Ich füge nur noch einzelne hinzu: ,dis-
membrirt' (S. 12) .übrig machen' (S. 20 für überflüffig m.)
.Emporfchwung' (S. 42) .unveränderliche Ausgabe der
erften Auflage' (S. 44) ,je gröfser—je mehr' (S. 53 122)
.fanden nicht einmal die Würdigung genannt zu werden'
(S. 83) u. f. w.

Ich faffe zufammen. Die Erörterungen könnten m. E.
nicht banaler und abgefchmackter, die Literaturauswahl
nicht viel planlofer fein. Wäre Verf. bei .feinem angefangenen
Problem' geblieben, fo hätte er vielleicht der
theologifchen Wiffenfchaft die — ich will einen gelinden
deutfchen Ausdruck gebrauchen — Befchämung erfpart,
dafs eine derartige Arbeit aus dem Kreis ihrer akade-
mifchen Vertreter hervorgegangen ift.

Giefsen. Karl Müller.

Dopffel, Archidiak. Dr. Herrn., Kaisertum und Papstwechsel
unter den Karolingern. Freiburg iBr., Mohr, 1889. (VII,
167 S. gr. 8.) M. 4.—

In diefer Schrift wird eine für die Gefchichte des
beginnenden Mittelalters wichtige Frage gründlich und
eingehend behandelt. Der Verfaffer zeigt fleh vertraut
mit dem gefammten Quellenmaterial, erbefitzt eingehende
Kenntnifs der einfehlägigen Literatur, die Unterfuchung
fchreitet ruhig und methodifch vorwärts: man darf feine
Arbeit als einen werthvollen Beitrag zur Papftgefchichte
betrachten.

Dopffel gliedert den Stoff in vier Capitel: die Zeit
des Patriciats, das Kaiferthum als Univerlälgewalt, das
Kaiferthum als Particulargewalt, das Kaiferthum als Ob-
ject des Streits zwifchen den Fürften. Sein Gedankengang
ift diefer: In der Zeit des Patriciats hat eine Einwirkung
des fränkifchen Königs auf den Papftwechfel in
keiner Weife ftattgefunden. Darin rief die Erneuerung
des Kaiferthums nicht fofort einen Wandel hervor;
Stephan IV., Pafchalis I. und Eugen II. haben dem Kaifer
nicht mehr eingeräumt als Leo III. dem Patricius. Erft
im Jahre 824 wurde ein kaiferliches Recht zwifchen Wahl
und Confecration des Papftes eingefchoben. Dabei erhielt
jedoch der Kaifer keinen Einflufs auf die Wahl,
auch kein unbedingtes Beftätigungsrecht; fondern es
wurde ihm nur das Recht zugeftanden, die Wahl für un-
giltig zu erklären, wenn von Seiten des Gewählten die
Bedingung einer Verpflichtung dem Kaifer gegenüber
nicht erfüllt wurde: der Römereid von 824 verficherte
dem Kaifer ein bedingtes Beftätigungsrecht. Erft hiedurch
wurde die Confequenz aus dem durch Errichtung des
Kaiferthums begründeten Grundverhältnifs zwifchen Kaiferthum
und Papftthum auch auf dem Gebiete des Papft-
wechfels gezogen: bei Lothars Romfahrt feierte die kaifer-
liche Autorität in Rom einen glänzenden Triumph. Sofort
tritt aber der Zwiefpalt zwifchen den römifchen und
den kaiferlichen Beftrebungen hervor. Die Römer fuchen
die Papfterhebung wieder zu einem intern römifchen
Act zu machen. Das Kaiferthum aber hält, gerade feit-
dem es Particulargewalt geworden ift, an feinem Rechte

1 in Beziehung auf die Papfterhebung mit aller Schroffheit
feft, ja es ftrebt nach einer Ausdehnung desfelben: das
Statut von 824 bildete in den Augen des Kaifers das
Minimum feines Rechtes. Allein im Streit der Fürften
wurde das Recht des Kaifers ohne Kraft vertreten,
fchliefslich ging es in dem römifchen Chaos unter.

Man fleht: der Verfaffer ftellt die Entftehung und
Wiederauflöfung eines neuen Rechtes dar. Er legt dabei
allen Nachdruck auf den Moment, in welchem dasfelbe
vertragsmäfsig fixirt wurde; er leugnet durchaus, dafs
vor 824 kaiferlicher Seits irgend ein Anfpruch auf Mitwirkung
beim Papftwechfel erhoben wurde: nur aus Mifs-
trauen gegen die in Rom eben herrfchende Partei fandte
Ludwig i. J. 824 Lothar nach Rom und unter dem Einflufs
diefes Mifstrauens hat dann Lothar feine römifchen
Verfügungen getroffen. Der Gedanke, dem Kaiferthum
! eine Mitwirkung beim Papftwechfel zu verfchaffen, wird
[ in demfelben Momente, in dem er auftaucht, auch ver-
I wirklicht. Die Frage ift, ob hiebei die Entftehung des
neuen Rechts richtig gedacht ift. Gewöhnlich ift es nicht,
dafs ein neues Recnt auf diefe Weife entfteht. Dem Momente
, in welchem es gefchrieben wird, geht in der
Regel eine längere oder kürzere Zeit voraus, in welcher
die verfchiedenen Anfprüche, die durch das gefchriebene
Recht ausgeglichen werden, fich gefpannt gegenüber
flehen. Entgegengefetzte Anfprüche lagen aber zwifchen
8co und 824 in den Verhältnifsen: auf der einen Seite
war die in der Zeit des Patriciats beflandene Freiheit
des Papftwechfels wirkfam, auf der andern das ältere
kaiferliche Recht und die Thatfache, dafs Rom die erfte
Metropole des fränkifchen Reichs war und dafs nach
fränkifcher Rechtsanfchauung niemand Bifchof fein konnte,
ohne die Zuftimmung des Herrfchers. Erwägt man dies,
fo wird man es nicht gerade für wahrfcheinlich halten,
dafs man am fränkifchen Hofe vor 824 überhaupt an
keine Anfprüche in Bezug auf den Papftwechfel dachte.
Und lieft man dann in den Ann. Einh. z. J. 816 von den
Gefandten Stephan's IV.: qui quasi pro sua consecratiortf
imperatori suggercrent, in der vit. Hlnd. 26 von derfelben
Gefandtfchaft: quae super ordinatione eins imperatori satis-
faceret, von Pafchalis I. in den Ann. Einh. z. J. 817:
Excusatoriam imperatori misit episto/am, in qua sibi nou
so/um nolenti sed etiam plurimum renitenti poutificatus
honorem velut inpactum adseverat und vit. Hlnd. 27: Qui
legatos cum epistola apologetica et maximis imperatori misit
muneribus, insinuans nou se avibitione nec voluntate sed
cleri electione et populi acclamatione huic suceubmsse potius
quam insiluisse dignitati, fo wird man um fo mehr geneigt
fein, diefe Worte zu nehmen, wie fie lauten, und
; nicht wie fie Dopffel erklärt: Aufklärung, Genugthuung,
Entfchuldigung, Vertheidigung waren deshalb nothwendig,
weil man in Rom wufste, dafs am fränkifchen Hofe Anfprüche
erhoben wurden, die man durch die fofortige
Confecration der Päpfte verletzte. Ift dies richtig, dann
ift freilich das Statut von 824 nicht fo wohl ein glänzender
Triumph des Kaiferthums als ein Anzeichen feiner
finkenden Macht: der Kaifer fah fich genöthigt, Rechte
zu vertheidigen, die man urfprünglich als dem Kaiferthum
felbftverftändlich eignend betrachtet hatte. Die
Füxirung des Rechtes, das einer politifchen Macht eignet,
bezeichnet nicht immer den Höhepunkt ihres Einfluffes,
fondern ebenfo oft den Beginn des Sinkens.

Leipzig. Hauck.

Finke, Privatdoz. Dr. Heinr., Forschungen und Quellen zur
Geschichte des Konstanzer Konzils. Paderborn, F. Schö-
ningh, 1889. (VI, 347 S. gr. 8.) M. 10. —

Der durch Herausgabe weftfälifcher Papfturkunden,
fowie durch kleinere Auffätze in verfchiedenen Zeit-
fchriften fchon rühmlichft bekannte Hiftoriker in Münfter
hat in dem vorliegenden Buch neben einer Zufammen-