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Ausgabe:

1890 Nr. 10

Spalte:

268-269

Autor/Hrsg.:

Mittag, H.

Titel/Untertitel:

Liturgische Musterblätter für Altargewänder evangelischer Kirchen 1890

Rezensent:

Köstlin, Heinrich Adolf

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Theologifche Literaturzeitung. 1890. Nr. 10.

268

Dann mufs er das Chriftenthum fchlechtweg zur Darfteilung
bringen, natürlich in confeffioneller Ausprägung
und individueller AutTaffung. Bahnfen thut das letztere,
allerdings an der Hand der in der Matthäus-Bergpredigt
vereinigten Herrnworte. Seine Quelle ift aber dabei
keineswegs die letztere ausfchliefslich, vielmehr gehört
es gerade zu den Vorzügen feiner homiletifchen Art,
dafs er das Verftändnifs einzelner Ausfprüche oder Begriffe
überall durch Beizug anderer Bibelftellen, fogar
unter Mitbenutzung des 4. Evangeliums, gewinnt. Auch
wird durchweg nicht fo fehr auf den urfprünglichen
Sinn der Nachdruck gelegt, fowenig derfelbe unberück-
fichtigt bleibt, als vielmehr auf den für uns annehmbaren
und praktifch fruchtbaren. Nicht eine exegetifch-
hiftorifche, fondern eine homiletifche Aufgabe alfo fucht
der Verf. zu löfen. Dafs jedoch die erftere den Hintergrund
feiner Arbeit bildet, erneht man leicht aus der
meift rein analytifchen Art feiner Predigtanlage. Sehr
häufig bildet ein Bibelwort felbft das Thema; die Theile
werden dann höchft einfach gebildet, etwa 1. das Verftändnifs
desfelben, 2. feine Begründung oder das daraus
folgende praktifche Verhalten. Nur wenige Predigten
zeigen ein Streben nach fynthetifcher Dispofition, wie
die 19. (Mt. 6, 19—24), in welcher, obwohl das im
Thema nicht ausgedrückt ift, offenbar das fcharfe Entweder
-Oder des Textes (Schätze im Himmel) zum Verftändnifs
gebracht und begründet werden foll, oder die 20.
mit dem Thema ,wie der Erlöfer feine Reichsgenoffen
in den Kampf fuhrt wider die Sorge*. Mufs diefer
fchlichten Art zu disponiren fogleich nachgerühmt werden
, dafs fie fich von all den in fo weiten Kreifen mit
Unrecht beliebten Dispofitionskünfteleien gänzlich fern
hält, fo ift doch mit diefer rein analytifchen Methode
ein Nachtheil verbunden, der fich auch bei B.'s Predigten
bemerklich macht: man vermifst öfter eine gewiffe ,Ziel-
ftrebigkeit', wie fie nur der analytifch-fynthetifchen
Anlage eignet, einen gefchloffenen Aufbau, einen einheitlichen
und defswegen durchfchlagenden Gefammtein-
druck. Die Predigten find belehrend (die 17. über das
Gebet, Mt. 6, 5—15, aus zweien zufammengearbeitet,
trägt fogar geradezu katechetifchen Charakter), fie find
auch praktifch, aber fie find nicht eigentlich ergreifend,
einfchlagend. Was der Verf. fagt, ift jedoch durchweg
gut, ernft, eindringlich, gefund, natürlich, auch warm und
lebendig (fo ganz befonders Nr. 13 über den Ehebruch
und Nr. 20 über die Sorge); von haarfpaltendem Dog-
matifiren hält er lieh ebenfo fern wie von trockenem
Moraliüren; alles hat Bezug auf unfere heutigen Ver-
hältnifse und religiös-ethifchen Werth für die zuhörende
Gemeinde. Natürlich ift dadurch nicht ausgefchloffen,
dafs man in Betreff der Auffaffung einzelner Stellen
anderer Meinung fein kann als Bahnfen. So fcheint mir
z. B. ,das Erdreich befitzen' nicht richtig aufgefafst und
namentlich die fchwierige Stelle 5, 17—20 nicht hinreichend
erklärt. Der Widerfpruch zwifchen V. 18. 19
und V. 17. 20 ift durch die ohnehin unklare Formel,
dafs der Erlöfer ,das Gefetz nicht nur dem Buchftaben,
fondern [warum fehlt ,auch'r] dem Geifte nach erfüllt
fehen will', auch homiletifch nicht zu löfen. An diefem
Punkte zeigt fich die Schattenfeite des fonft ja fehr löblichen
Beftrebens, nichts von Kritik in die Predigt ein-
fiiefsen zu laffen. Wenn übrigens zu diefem Beftreben
auch gehört, dafs B., wie er S. 8 befonders betont, die
Matthäusbergpredigt für eine im Wefentlichen einheitliche
und in fich zufammenhängende Rede Jefu anfleht,
fo ift folche kritifche Zurückhaltung an manchen Stellen
zum Schaden ausgefchlagen: künftliche Uebergänge
müffen hergeftellt und noch künftlichere Verknüpfungen
von nicht Zufammengehörigen gewagt werden. So naturlich
insbefondere im 7. Capitel; vgl. die 21. und 22.
Predigt (Mt. 7, 1—6. 7, 7—12), in welcher V. 6 und V. 12
mit dem jeweils Vorangehenden geradezu gewaltfam
verbunden find. Die Sprache des Verf.'s ift fliefsend und

lebendig (nur häufen fich zu fehr die rhetorifchen Fragen),
die Predigten lefen fich gut und müffen fich gut gehört
haben (mit Fremdwörtern dürfte Verf. etwas zurückhaltender
fein). Im Ganzen alfo ein gefunder Inhalt in
guter, fafslicher Form; fo eignen fich diefe Predigten
ganz befonders dazu, unfere oft fo bibelfremden Gemeinden
vertraut zu machen mit einer der wichtigften Partien
des N. T.'s und dürfen defshalb trotz obiger Aus-
ftellungen, die doch nur der Flomiletiker und der Exeget,
nicht die Erbauung fuchende Gemeinde macht, befonders
für ftädtifche Kreife beftens empfohlen werden.

Heidelberg. Baffermann.

Mittag, Maler H., Liturgische Musterblätter für Altargewänder
evangelischer Kirchen. Mit erläuterndem Text ver-
fehen von Diac. Wilh. Johnfen. Hannover, Gebr.
Stoffregen, Kunft- u. Paramentenanftalt, (1889). (6 Blatt
in Farbendr. in Fol. mit Text: 16 S. gr. 8.) In Mappe-
M. 30. —.

Diefe höchft dankenswerthe und fchön ausgeftattete
Publication geht von der Vorausfetzung aus, die leider
noch immer landauf landab vielerorts zutrifft, dafs den
evangelifchen Gemeinden und Geiftlichen das Intereffe
für die würdige und liturgifch angemeffene Ausftattung
des Gotteshaufes fehle, oder dafs diefes Intereffe, wo es
einmal erwacht ift, in fehr vielen Fällen fich vergreife,
weil das richtige Verftändnifs mangelt, die fachverftän-
dige Belehrung nicht gefucht wird, letzteres befonders
da, wo ein ,Verein für chriftliche Kunft' noch nicht in
Wirkfamkeit getreten ift. Nun giebt es ja bereits eine
Reihe von Büchern gröfseren und kleineren Umfangs,
aus welchen jeder Geiftlichedie nöthige Belehrung fchöpfen
kann, wenn er in die Lage kommt, an fein Gotteshaus
die beffernde Hand anzulegen. Aber thatfächlich werden
folche Bücher — wir unterfuchen die Gründe nicht
— gerade in den betheiligten Kreifen wenig ftudirt und
verarbeitet, felbft die Beftimmungen der Dresdener Con-
ferenz von 1856 und die Thefen der Eifenacher Confe-
renz von 1861 find gar manchem unbekannt, obfehon
fie wohl allerorts in der Pfarr-Regiftratur liegen. Mehr
vielleicht wird die Anfchauung zur Weckung des
Intereffes für würdigen Kirchenfchmuck beitragen, als
die blofs theoretifche Belehrung. Unter diefem Gefichts-
punkt eröffnet die rühmlich bekannte Kunft- und Para-
menten-Anftalt von Gebr. Stoffregen in Hannover ein
weitergehendes Unternehmen, welches in Mufter-Blättern
die Einrichtung des evangelifchen Gotteshaufes zur An-
fchauung bringen foll und darauf berechnet ift, dafs
wenigftens jeder Kirchenvorftand fich diefelben anfehafte,
um bei Berathungen und defsfallfigen Befchlüffen — vorbehaltlich
der durch die localen Verhältnifse, befonders
durch den Stand der Caffe bedingten Modifikationen —
eine fefte Norm zu haben. Die erfte Serie umfafst auf
6 Blättern die Ausfchmückung des Altars. Derfelbe wird in
den fünf liturgifchen Farben vorgeführt. Gewifs wird manchem
Geiftlichen und mancher Gemeinde, die ihr Gotteshaus
haben verkümmern laffen, durch den Anblick diefer
Blätter zum Bewufstfein gebracht, wo es bei ihnen zu-
nächft gebricht und wo zunächlt mit der Befferung begonnen
werden foll und kann, auch wenn zur Reftaura-
tion der Kirche im grofsen Stil die Mittel noch fehlen,
nämlich am Altar, mit der Altarbekleidung und dem
Altarfchmuck. Schon aus diefem Grund wünfehen wir
den Mufterblättern überall Eingang. Was den praktifchen
Gebrauch anbelangt, fo rathen wir denjenigen Gemeinden
, welche nicht in der Lage find, die fünffache Gewandung
zu befchaffen, fich wegen der zu treffenden Modifikationen
ftets vorher mit einem Sachverftändigen zu
berathen, da — felbft die richtige Auswahl der Farben
vorausgefetzt — in der Zufammenftellung der Stoffe und
Geräthe noch immer grobe Mifsgriffe gemacht werden