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Ausgabe:

1890

Spalte:

4-6

Autor/Hrsg.:

Schulte, Adalbert

Titel/Untertitel:

De restitutione atque indole genuinae versionis graecae in libro Judicum 1890

Rezensent:

Hollenberg, Joh.

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Theologifche Literaturzeitung. 1890. Nr. t.

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der eigentlich literarkritifche Theil über den Pentateuch
abfchliefst. — Wer aber wird wohl über Plan und Zweck
eines Buches reden 7—9), ehe er eine Vorftellung
von der Compofition desfelben gewonnen hat? Den Plan
hat doch in das Ganze die Redaction hineingebracht;
ein Redactor aber fetzt Quellenfchriften voraus, die er
ineinander arbeitete, von deren jeder doch auch wohl
anzunehmen ift, dafs ihr ein Plan zu Grunde lag. Wie
aus diefem Mancherlei der Vorlagen zuletzt doch ein
Gefammtplan hervorgehen konnte, das war nach unferm
Dafürhalten erft bei § 25 zu erörtern und hier diefer Gefammtplan
vorzulegen. — In der Charakteriftik der
Quellenfchriften ift Verf. auf das Sorgfamfte bedacht,
dafs nichts von irgend welchem Belang unbefprochen
bleibe. Im Gegentheil, es wird ein jegliches in einer fo
ausgiebigen Weife von allen Seiten betrachtet, dafs zuletzt
zu denken oder zu fagen faft nichts mehr übrig
bleibt. Dennoch wird man nicht behaupten können,
wenn man glücklich an das Ende gelangt ift, dafs man
von der betreffenden Schrift ein fcharfumriffenes Bild
und dafs man eine ganz beftimmte Auskunft über ihre
Beftandtheile erhalten hätte. Es ift eben zu viel hin und
her geredet worden. Man vergl. S. 281—289 ,die Charakteriftik
des Jehoviften' (Jahviften). Anftatt da eine
Tabelle über die nach feiner Anficht jahviftifchen Stücke
aufzuftellen, fafst der Verf. S. 291 nur ,die wichtigften
derfelben in's Auge'. — Mit Recht betont der Verf., dafs
der Jehovift (Jahvift) eine felbftändige Quellenfchrift fei
(S. 289), deren Berichte ,unmöglich als Ergänzungen und
Erweiterungen der Grundfchriff angefehen werden können
(S. 290). Dann ift es aber mindeftens fehr irreleitend, wenn
S. 300 der Jahvift doch wieder als ,die Hauptergänzungs-
fchrift' bezeichnet und S. 304 die Quelle E ,die elohiftifche
Ergänzungsfchrift' genannt wird. Dann mufste der Verf.
feine Anficht beftimmter dahin formuliren, dafs der Redactor
diefe urfprünglich felbftändigen Quellen als Er-
gänzungsfchriften zum erften Elohiften benützte, was aber
nach S. 328 auch wieder nicht gut angeht, da es dort
noch als möglich hingeftellt wird, dafs es vielleicht auch
eine Bearbeitung JE gegeben hat. In diefem Falle könnte
doch aber nicht von Ergänzungsfchriften die Rede fein,
da, wenn auch nach R. die fogen. .Grundfchriff fchon
mit der erften Königszeit vorhanden war (S. 279), doch
der Redactor J E fie nicht gekannt oder fich nicht um
fie gekümmert haben würde. So kommen wir aus einer
Unklarheit in die andere, weil es der Verf. liebt, alle
feine Aufstellungen in einem gewiffen Schwebezustand zu
erhalten, was wieder daher rührt, dafs er fich von der
Entwickelung der israelitifchen Religion und ihres Cultus
keine klaren Vorstellungen gebildet hat. Wem das nicht
aus S. 267 ff. deutlich wird, dem können wir es hier
nicht deutlicher machen. — Eine wahre Marter haben
uns aber die 28 und 29 bereitet: die Betrachtungen
über den ,Pentateuch als Offenbarungsurkunde' und über
,die heils- und offenbarungsgefchichtliche Bedeutung des
Pentateuchs für den neuen Bund'. Sie find die Folge
davon, dafs R. die von Hupfeld und Reufs gewonnene
reinliche Abgrenzung unferer Wiffenfchaft und ihre Definition
als ,biblifche Literaturgefchichte' verlaffen, um
an ihre Stelle S. 10 den unklaren Ausdruck ,literarge-
fchichtliche Charakteriftik der Bibel als der Beurkundung
der göttlichen Offenbarung' zu fetzen. Er hat eben damit
die alte critica sacra wieder zurückgerufen, welche
im Gegenfatz zur critica profana, die für weltliche Literatur
gut fein mochte, als eine befondere Art, die heiligen
Schriften zu behandeln, verstanden wurde. Natürlich kann
die hiftorifche Kritik nicht den ganzen Werth der Bibel
zur Darfteilung bringen. Dafür kann anderweit geforgt
werden. Aber man fchädigt die Kritik, wenn man ihr
von vornherein die Marfchroute vorfchreibt und fie beauftragt
, diefe Schriften als Urkunden göttlicher Offenbarung
zu erweifen. Man verlangt ausserdem von ihr
etwas, was fie unmöglich leinen kann, denn dafs etwas

göttliche Offenbarung fei, kann man nur glauben, aber
nicht beweifen. Die Literarkritik kann aber keine andere
Aufgabe haben, als Bildung und Entwickelung der bibli-
fchen Literatur unter möglichster Sonderung des Sichern
vom Unfichern zu befchreiben — eine Aufgabe, die natürlich
nur annähernd und in allmählichem Fortfehreiten
gelöst werden kann. Denn unfer Wiffen ift Stückwerk —
und zwar beim A. T. noch mehr als bei manchen andern
Dingen. — Was dabei herauskommt, wenn man religiöfe
Gemüthsbedürfnifse, die an fich etwas fehr Schönes find,
mit wiffenfehaftlichen Unterfuchungen vermengt, zeigen
R.'s Ausführungen auf S. 3366°., wo auf der folgenden
Seite immer wieder zürückgenommen wird, was auf der
vorhergehenden hehauptet war. Der theologifche Pragmatismus
, heifst es, bekümmere fich nicht um die naturlichen
Mittelurfachen (S. 336), [deren Feststellung doch bekanntlich
die Aufgabe der Gefchichtsforfchung ift], trotzdem
fei jeder Einwurf gegen die gefchichtliche Treue desfelben
ungerechtfertigt (S. 337); ja die Gefchichte Israels könne
nur von diefem Standpunkte aus gefchichtlich wahr dargestellt
werden (S. 338); trotzdem feien ,die Erzählungen
I des Pentateuchs als gefchichtlich nicht anzufehen' (S. 338),
! denn ,wir können von jenen Schriftstellern keine streng
| objectiv gehaltene Gefchichtsdarftellung erwarten', auch
find ,ftreng gefchichtliche Berichte' bei ihnen undenkbar
(ß- 339) und f° ** inftnitum. Aehnlich S. 342 .Mythen
find . . . auf dem Gebiete der Offenbarung nicht möglich
', aber ,die Mythenbildung kann fich ... in untergeordnete
Darftellungen auf dem Gebiete der Offenbarung
fporadifch eindrängen' (S. 343). Beim Auszuge aus Aegypten
ift Wunderbares gefchehen. Man darf vom kritifchen
Standpunkt aus zuverfichtlich annehmen, dafs fich alles
wefentlich fo zugetragen hat (S. 346), aber die Berichterstatter
haben ,das Wunderbare gesteigert und vermehrt
und die gefchichtliche Wirklichkeit mehr von der Idee
der Theokratie verklärt' (S. 347). — Der Abfchnitt mit
der Ueberfchrift ,Einleitendes' enthält nach unferem Dafürhalten
hier nicht Hergehörendes. So insbefondere die
Abfchnitte ,über die Sprachen des A. T.'s' und ,die
äufseren Mittel und Formen des Schreibens: der erftere
gehört in die hebräifche Grammatik, wo statt diefer allgemeinen
Bemerkungen concreterer Stoff geboten werden
kann, der zweite gehört der Paläographie beziehungs-
weife der Archäologie an. Der dritte Abfchnitt .Namen
des A. T.'s und Ordnung feiner einzelnen Bücher' wäre
doch wohl beffer in die Gefchichte des Canons zu bringen,
denn diefe Dinge rühren doch von den Sammlern der
altteftamentlichen Literatur her. Merkwürdig ift, dafs S.
32 Wellhaufen erft durch den Herausgeber in das Heft
hineingebracht ift, während in den fpäteren Abfchnitten
R. felbft in der eingehendsten Weife denfelben berücksichtigt
hat (vgl. S. 480 Register). Es hat alfo eine Weile
gedauert, bis R. feiner Empfindlichkeit Herr geworden
I ift. — Wir haben geglaubt, mit unferen Ausstellungen
nicht zurückhalten zu dürfen, da wir es im wiffenfchaft -
I liehen Intereffe nicht für wünfehenswerth halten können,
dafs die Literarkritik in der Weife R.'s weiter getrieben
werde. Die Hochfehätzung und das Andenken des gediegenen
Gelehrten und trefflichen Menfchen haben wir
| dadurch nicht beeinträchtigen wollen.

Jena. C. Siegfried.

Schulte, Dr. A., De restitutione atque indole genuinae ver-
sionis graecae in libro Judicum. Leipzig, Fock, 1889.
(79 S. gr. 8.) M. 1 50.

Dies dem Generalvicar und Official der Kulmer Diö-
; cefe Cl. Ludtke gewidmete speeimen eruditipnis befchäftigt
! fich in feinem erften Theile (7—40) mit der Herstellung
I der echten LXX im Richterbuch. Der Verfaffer fammelt
zuerst aus Field die dürftigen und unfichern Reite der
! andern griechifchen Ueberfetzungen, verfährt dabei aber