Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1890 Nr. 8

Spalte:

195-197

Autor/Hrsg.:

Schaefer, Aloys

Titel/Untertitel:

Die Bücher des Neuen Testamentes, erklärt. 1. Bd.: Die Briefe Pauli an die Thessalonicher und an die Galater 1890

Rezensent:

Holtzmann, Oskar

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

195

Theologifche Literaturzeitung. 1890. Nr. 8.

196

Moses, Dr. Adolph, Nadab und Abihu oder der Untergang
der Sauliden und des gröbsten Theils des Stammes
Benjamin. Berlin, Mayer & Müller in Comm.,
1890. (39 S. 8.) M. —.60.

,Wie bin ich zu diefer ganz neuen und wunderlichen
Kenntnifs der eben gefchilderten Ereignifse gelangt?'
lefen wir auf S. 28. — Eine wohl aufzuwerfende Frage 1
Sie wird beantwortet dadurch, dafs die 'atonot, welche
Saul fuchte, vielmehr 3etan6t gewefen feien, die 2 Steine
in der Bundeslade, in welcher Jahve feinen Sitz hatte.
Diefes Suchen war näher betrachtet ein kühner Eroberungszug
gegen das nach dem Verf. damals philiftäifche
Bet-semes, in welchem die Philifter die erbeutete Bundeslade
aufgeftellt hatten. Der Zug gelang und Saul brachte
die Lade nach Gibea. Von hier aber hat David diefelbe
nach mörderifchem Kampfe entführt, welcher zu einem
Ausrottungskriege gegen die Benjaminiten und das Sauls-
haus führte. Denn die Gibeonim von 2 S. 21 find nichts
anderes als der Reft der Bewohner von Gibea und die
Saulsenkel find in jenem Kriege umgebracht worden,
in dem auch Uzza 2 S. 6, 7 gefallen in. Ueberhaupt hat
die ganze judäifche Ueberlieferung das Andenken Saul's
gefchändet, um David zu heben. Der Gräuel von Gibea
Ri. 19 ift in Wirklichkeit der legitime Kampf der Sauliden
um den Befitz der Lade gewefen. In diefer Weife
geht es fort. — Ehe der Verf. das grofse Werk veröffentlicht
, welches hier von ihm angekündigt wird, wolle er
doch die Tragfähigkeit der den Bau nützenden Säulen
etwas näher unterfuchen. Subjectiv fcharffinnige Combi-
nationen, mit phantaftifcher Rhetorik vorgetragen, können
den hiftorifchen Beweis nicht erfetzen. Auch wünfchten
wir mit etwas befferem Deutfch bedient zu werden, als
S. 39 zu lefen ift (,Doch darüber und vieles Andere
wollen wir mehr in einer ausführlichen Arbeit bringen').
Beachtenswerth ift, was der Verf. über den Zufammenhang
von Nadab und Abihu, den Aaroniden mit den benjami-
nitifchen Gefchlechtsnamen Abinadab und Ahiel und die
Wiederkehr diefer Namen in 1 S. 16, 6ff. 2 S. 6, 3 u. a.
beibringt.

Jena. C. Siegfried.

Strack, Prof. D. Herrn. L., Schabbäth. Der Mifchna-
traktat .Sabbath', hrsg. und erklärt. [Schriften des
Institutum Judaicum in Berlin, Nr. 7.] Leipzig, Hin-
richs' Verl., 1890. (78 S. gr. 8.) M. 1. 50.

Den vocalifirten Textausgaben der Tractate Pirqe
Abbth, Jomä und 'Aboda Zarä läfst der Verf. jetzt den
Erftling einer Reihe von unvocalifirten Texten folgen.
Der Tractat Sabbat ift durch feinen Inhalt vorzugsweife
geeignet, das Intereffe auch des chriftlichen Lefers anzuregen
, denn diefer wird doch gern wifien wollen, wie die
Gefetzeslehrer die Sabbatsruhe verftanden und welche
Ausdehnung fie derfelben gaben, worüber S. 9fr. eine
kurze Ueberficht gegeben ift. Die handfchriftliche Grundlage
diefer Ausgabe ift S. 6 f. angegeben. Die Anmerkungen
, für Fortgefchrittenere berechnet, enthalten faft
nur kritifchen Apparat oder Andeutungen über die Vo-
califirung fchwieriger Worte, wofür der Verf. auch hie und
da durch scriptio p/ata, im Allgemeinen auch durch das
ausführliche Vocabular S. 55—78, das auch fonft für
Erkenntnifs des Sprachfchatzes der Mifchna von Werth
ift, eine erwünfchte Unterftützung geboten hat. Möge
dem verdienten Verf. feine Mühe durch fleifsige Benutzung
feiner Arbeit gelohnt werden.

Jena. C. Siegfried.

Schaefer, Prof. Dr. Aloys, Die Bücher des Neuen Testamentes
, erklärt. 1. Bd.: Die Briefe Pauli an die Theffa-

lonicher und an die Galater. Münfter i. W., Afchcn-
dorff, 1890. (VIII, 363 S. gr. 8). M. 5. 50.

Der Verfaffer, der einen Gefammtcommentar zum
Neuen Teftamente liefern will, beginnt mit den pauli-
nifchen Briefen, weil für fie neuere katholifche Auslegungen
, welche feinem Standpunkt entfprechen, fehlen,

! und weil er in den paulinifchen Briefen mit Recht den
feften Punkt für die Erkenntnifs der neuteftamentlichen
Zeit fieht. Mit anerkennenswerthem Muth vertheidigt
er feine freie Stellung der Vulgata gegenüber (S. VII«
37. 87. 144. 213 u. a. m.); der hier mafsgebende Ge-
üchtspunkt wird nur leicht, aber durchaus verftändlich im
Schlufsfatz des Vorwortes geftreift, wo von der Würde
des Textes die Rede ift.

Vorliegender Band enthält aufser einer die Vorge-
fchichte des Paulus behandelnden Einleitung den Com-
mentar der Theffalonicherbriefe und des Galaterbriefs.
Im Ganzen trägt die Auslegung einen vornehm-wiffen-
fchaftlichen Charakter. Manchmal begegnet uns in dem
fonft durchaus gefällig gefchriebenen Buche ein wenig

I guter deutfcher Ausdruck: S. 47 für ein hyperbolifcher,

! ft. einen hyperbolifchen; S. 133 des Apoftel ft. Apoftels;
S. 191 zeigt er hin ft. weift er hin; S. 300 die wilden
Wäffer ft. Waffer; S. 324 eingekindet ft. eingegliedert;
auch Worte wie Prophezie (S. 118. 142 u. o.) ft. Prophe-
tie oder Prophezeihung und Begierlichkeit (S. 291. 340)
ft. Begehrlichkeit oder Begier, Begierde find undeutfch.
Die Exegefe der alten und mittelalterlichen Kirche wird
etwas reicher benützt, als in den meiften proteftantifchen
Commentaren, aber der Verfaffer fühlt fich diefer Tradition
gegenüber im Ganzen frei.

Es verlieht fich von felbft, dafs die Echtheit der drei

< erklärten Briefe ohne Einfchränkung feftgehalten wird.
Widerfprüche in der Apoftelgefchichte oder zwifchen
ihr und den paulinifchen Briefen werden harmoniftifch
verdeckt (Pauli Bekehrung, Apoftelconcil, I Theff. 3, I
u. f. w.) Seltfam windet fich der Verfaffer um die Anerkennung
der Thatfache eines Irrthums der erften Kirche
in Bezug auf die Zeitnähe des Gerichtes. Feft fleht, dafs
eine etwaige irrige Privatmeinung hinfichtlich der Zeit
des Weltendes nicht in ein infpirirtes Buch niedergelegt
und dadurch objectivirt worden ift (S. 86). Deshalb verlieht
Jefus unter feiner Parufie nicht blofs die letzte
Wiederkunft, fondern jede Offenbarung göttlichen Gerichtes
im Lauf der Gefchichte; ferner kann Paulus die
Worte, die der h. Geift ihm eingab, falfch verftanden,
wenn auch recht niedergefchrieben haben; im i.Theffa-
lonicherbrief verfetzt fich gar Paulus auf den (irrigen)
Standpunkt der Theffalonicher (S. 102); das mufs er
dann freilich im 2. Theffalonicherbrief corrigiren (S. 147.
Vgl. auch S. 204). Ueberall wird die kirchliche Dog-
matik herausgelefen, z. B. die Lehre vom ftellvertretenden
Leiden Chrifti S. 278. 281. 304; die wefentlichen Punkte
der Trinitätslehre werden aus Gal. 4, 4—7 abgeleitet.

Mit der katholifchen Auffaffung der fidcs als Summe
der Glaubenswahrheiten hängt die Vorftellung zufammen,
dafs Paulus in Arabien etwa 3 Jahre lang einen übernatürlichen
, geheimnifsvolllen Umgang mit Jefu hatte
und von ihm ähnlichen Unterricht erhielt, wie die andern
Apoftel während der öffentlichen Wirkfamkeit Jefu (S.
10. 217). Die Apg. 13, 1 ff. erwähnte Handauflegung

J bezeichnet des Paulus Ordination zum Bifchofe (S. 14);

' ebenfo heifst Jakobus — ohne Quellenangabe — S. 17
Bifchof von Jerufalem und Timotheus S. 33 Bifchof von

; Ephefus. Zu dem Ausdruck 1 Theff. 4, 1 aeoiooevitv
wird bemerkt: jedenfalls enthält der Ausdruck — ein

. Hinausgehen über das, was eigentliche Pflicht ift, ein
Streben nach einem höhern Ziel der Vollkommenheit'.
Aus 2 Theff. 2, 15 geht die Gleichberechtigung der
mündlichen Tradition mit der h. Schrift für den Verfaffer
hervor. Bei dem Satze: ,wenn einer nicht arbeiten
will, foll er auch nicht effen', wird ein Wort von Efties