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Ausgabe:

1890 Nr. 7

Spalte:

188

Autor/Hrsg.:

Moeller, K.

Titel/Untertitel:

In Stille und Sturm. Erfahrungen aus dem ersten Jahrzehnt meiner Amtsführung 1890

Rezensent:

Schlosser, Georg

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Seite 1

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187 Theologifche Literaturzeitung. 1890. Nr. 7. 188

wahre Menfchlichkeit recht hervorzuheben. Aber es
wäre doch wohl gut, wenn er fich's etwas mehr angelegen
fein liefse, die letztere auch pofitiv ins Licht zu Mellen.
Ich vermuthe, feine Hörer wurden mehr Gewinn davon
haben.

Soviel über die Schwalb'fche Predigtweife im allgemeinen
. Sehen wir uns nun das vorliegende Bändchen in Bezug
auf die befondere Aufgabe an, die fichder Prediger daringe-
Mellt hat, die Gefchichte des Elias, wie (ie die Königsbücher
erzählen, homiletifch zu behandeln. Ich mufs geMehen,
dafs ich in diefer Hinficht Mark enttäufcht worden bin.
Ich hatte gehofft, Schwalb werde etwas von dem erfüllen
, was ich in der Anzeige des Cheyne'fchen Buches
über Elias in diefen Blättern als zu löfende Aufgabe bezeichnet
hatte, er werde ein anfchauliches Bild der Zeit
entwerfen, in welche er die Eliasberichte verfetzt, er
werde uns die religiöfen Anfchauungen zeichnen, die in
den einzelnen Zügen der Gefchichte zum Ausdruck kommen,
und von da aus dann Parallelen mit der Gegenwart ziehen.
Statt deffen — allegorifirt er und allegorifirt nicht glücklich
. Ich habe nichts dagegen, wenn er Elias ,eine
durch die Kraft eines dichterifchen GeiMes gefchaffene
Pcrfonification des altteMamentlichen Prophetenthums'
nennt. Ich Melle mir die Sache anders vor; doch darüber
liefse fich reden. Aber wenn er in der Erzählung,
dafs Elias den Himmel verfchloffen habe, die Wahrheit
ausgefprochen findet, dafs die Propheten dem Volke
den TroM der landläufigen Religion entzogen hätten,
wenn er darin findet, fie feien ,die negativen Männer
gewefen', ,die Leugner der Götter, die Leugner der gewöhnlichen
Lebensanfchauungen, die Einfamen, die nichts
zu bieten hatten, als einen unfichtbaren, verborgenen
Gott und einen Mrengen GottesdienM'; wenn er in den
Raben am Bache Krith die ,negativen Gedanken' ficht,
die wie diebifche Vögel zunächM dem Menfchen fein
geiMiges Brot nehmen, um es ihm hernach um fo reicher
zu bringen; und wenn er das nicht blofs als einen geiM-
reichen Einfall bietet, fondern allen ErnMes, wenn auch
unter dem Vorbehalt, dafs er fich irren könne, darin den
wirklichen Sinn der Erzählung findet, — dann mufs ich
mich wundern, wie ein fonM nüchterner und fcharffinni-
ger Mann auf folche Abfonderlichkeiten verfallen kann.
Dafs Elias bei der Wittwe von Zarpath das Heidenthum
in der babylonifchen Gefangenfchaft bedeutet, kann man
lieh ja gefallen laffen, wenn auch im Einzelnen manches
Gezwungene mit unterläuft. Merkwürdig aber iM wieder
die Deutung der Himmelfahrt. ,Elias fährt hinauf gen
Himmel in einem mit feurigen Roffen befpannten Wagen.
Ein Wagen aber iM ein Ort, wo der Reifende ruhend
vorwärts kommt, ruhend vorwärts getragen wird. Elias
fitzt oder Meht in feinem Wagen, und die feurigen Roffe
tragen ihn vorwärts, eigentlich aufwärts. Ruhe und Bewegung
find hier in fchöner, tieffinniger Weife in einem
einheitlichen Bilde verbunden. Und diefe Verbindung
von Ruhe und Bewegung haben wir gerade bei Elias bemerkt
'. Elias war ein ,Mann der Ruhe', mit grofser
Ruhe handelt er. Aber er war zugleich, wie alle Propheten
, ,ein Mann der Bewegung, des geiMigen Forjt-
fchritts'. Und das wird dann weiter ausgeführt. Wahrhaftig
, gefchichtlicher Sinn verräth fich in diefen Deutungen
nicht. Uebrigens wird die allegorifche Deutung
keineswegs durch die ganze Gefchichte des Elias hindurch
durchgeführt; theilweife, wie z. B. in der 6. Predigt,

als fie durch diefe Art der Behandlung erfüllt werden;
und der Verfaffer darf fich nicht wundern, wenn das
durch feine Schrift hervorgerufene Gefühl bei Vielen das
der Enttäufchung fein wird.

Augsburg. J. Hans.

Moeller, Gen.-Superint. 1. Pred. D. K., In Stille und Sturm.

Erfahrungen aus dem erMen Jahrzehnt meiner Amtsführung
. Gotha, F. A. Perthes, 1889. (IX, 173 S.
gr. 8.) M, 3. -

Die ,Erfahrungen' eines Mannes, wie der ehrwürdige
Generalfuperintendent der Provinz Sachfen, dürfen von
vornherein auf lebhafte Theilnahme in allen theologifchen
Kreifen rechnen, und fie haben fie bereits gebührend gefunden
. In der That find fie eine Pundgrube paMoraler Weisheit
, und fie Mellen fich in diefer Beziehung den berühmten
Büchfel'fchen ,Erinnerungen' würdig zur Seite. Es
find die Sturmzeiten der preufsifchen Landeskirche, die
Kämpfe, welche aus der Einführung der Union erwuchfen.
deren lehrreiches Gedächtnifs fie in dem nachwachfenden
Gefchlecht erneuern. Der Verf. hat diefe Kämpfe in der
weMfälifchen Gemeinde Radevormwalde durchlebt. Bereits
war durch dieGeneralconceffion Friedrich Wilhelm IV.
vom Jahre 1843, die den fepariiten Altlutheranern unter
der Leitung ihres Breslauer OberconfiMoriums eine felb-
Mändige kirchliche ExiMenz ficherte, der Kampf zu einem
gewiffen Abfchlufs gebracht, aber noch war die Bewegung
nicht völlig zum StillMand gekommen. So entMand 1852,
durch PaMor Häver veranlafst, eine Separation in jener
Gemeinde Radevormwalde. Durch das Vertrauen des
ConfiMoriums wurde Moeller, damals erM feit kurzem
Garnifonsprediger in Mainz, dorthin berufen, und es gelang
ihm, durch fein entlchiedenes und doch zugleich
weifes und mildes Auftreten den gröfsten Theil der Gemeinde
bei der Landeskirche zu erhalten, und in kurzem
geordnete kirchliche Verhältnifse wiederherzuMellen. Das
Vertrauen, das die Gemeinde zu ihm gefafst, bekundete
fich in feiner einMimmigen Wahl zum PaMor der Gemeinde,
als welcher er noch vierzehn Jahre dort unter den immer
noch fchwierigen Verhältnifsen im Segen gewirkt hat.
Befonderes Auffehen hatten jene Vorgänge auch in weiteren
Kreifen erregt durch die fchon im Jahre nach der
Separation erfolgte Ermordung des PaMors Häver. Obwohl
der Mörder kein Glied der landeskirchlichen Gemeinde
war, fo konnte es doch nicht verfehlen, dafs
die dunkle That mit den Wirren der Separation in
Zufammenhang gebracht wurde. So erging denn an M.
von vielen Seiten die Aufforderung, eine DarMellung der
ganzen Ereignifse zu geben. Indem er ihr folgte, erweiterte
fich ihm die Aufgabe äufserlich und innerlich,
theils durch Mittheilungen über feine theologifche Entwicklung
und (ein friedliches Wirken in feiner erMen Gemeinde
Diersfordt am Niederrhein, theils durch principielle
Erörterungen und werthvolle Darlegungen der Weife feines
amtlichen Wirkens in Predigt, Seelforge u. f. w. Dadurch
gewann das urfprünglich nur auf vertraute Mittheilung
an Freunde angelegte Buch eine darüber hinausgehende
Bedeutung, und fo wurde es im zweiten Abdruck der
Oeffentlichkeit übergeben. Es iM das nur freudig zu be-
grüfsen. Die kräftige geweihte Perfönlichkeit des Ver-

fehh V« gartz! theü weife vdrdT *T£££ Idannln ^t^f^F^J^ ^

eingelenkt Vielfach aber bringt der Prediger einfach, Ted& ' Y°UlS ™S«™**> eJ um, fo

waf ihm beim Lefen des betreffenden Abfchnitts ge- ! woflthu«der entgegentritt, die Tiefe und Weitherzigkeit

rade in den Sinn gekommen oder was dadurch in Verbindung
mit momentanen Erlebnifsen in ihm angeregt

wurde. Dagegen wäre ja auch am Ende nichts einzuwenden
; gerade diefe gelegentlichen Gedanken find oft
die beMen. Aber ein Buch mit dem Titel: ,Elias, der
Prophet. Ein alt-hebräifches Epos, befprochen in 11
Predigten', erweckt denn doch etwas höhere Erwartungen,

feiner chriMlichen und theologifchen Auffaffungen mit
dem Marken Zug des Friedens und der entfehiedenen Abwendung
von allem Parteitreiben, und nicht minder auch
der fo zu fagen typifche Verlauf jener Separationsbewegung
machen das Buch zu einer (ehr anziehenden und
lehrreichen Leetüre.

Giefsen. Gg. Schloffer.