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Ausgabe:

1889

Spalte:

155-156

Autor/Hrsg.:

Zimmer, Friedrich (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Bibliothek theologischer Klassiker. Ausgewählt u. hrsg. v. evangelischen Theologen. 1. Bd 1889

Rezensent:

Achelis, Ernst Christian

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung. 1889. Nr. 6.

.56

Was nun den mufikalifchen Werth der vorliegenden
Compofitionen anlangt, fo traut (ich Referent darüber j
kein mafsgebendes Urtheil zu. Die Schütz'fche Matthäus-
Paffion ift ein ganz eigenartiges Werk, deffen Chöre von
einer geradezu packenden dramatifchen Gewalt lind, deffen
Recitative aber allerdings eine ganz vortreffliche verftänd-
nifsvolle Wiedergabe erfordern, wenn fie den rechten Eindruck
machen follen. Ich wüfstc für unfere Kirchengefangvereine
kaum etwas Geeigneteres für die bevorftehende
Paffionszeit zu empfehlen, als diefe Paffion. Der unter 1
dem Namen Bach's einhergehenden Lukaspaffion wird trotz 1
der Bemühungen Spitta's der Bach'fche Urfprung felbft
von der Bach-Gefellfchaft beftritten, und fie fteht unter j
Allem, was wir fonft von Bach kennen. Mit Beobachtung
der von dem Herausgeber beigefügten Anleitung
wird fie nichts deftoweniger für den gottesdienftlichen
Gebrauch in der Paffion fehr geeignet fein. Von den drei modernen
Werken will das Schwalm'fche Ref. als das eigen-
artigfte erfcheinen, aber zugleich als das am wenigften
kirchliche. Jedenfalls ift es, zumal es fehr leicht ausführbar
ift, eines Verfuches werth, und wird ficherlich mit
feiner melodiöfen Art des Beifalls der Gemeinde ficher I
fein. Am meiden kirchlichen Charakter trägt ,Emmaus'. I
Meinardus erzielt aber diefen Eindruck m. E., wie auch
in feinem ,Luther', mehr äufserlich durch Nachahmung
alter Formen und Anlehnung an alte Müder, wogegen
dann die doch zuweilen hervorbrechende eigene moderne
Art um fo greller abdicht. Schwalm und Meinardus dehen
fo als Vertreter der beiden Extreme da, zwifchen welchen
unfere modernen Bemühungen um neue Schöpfungen der
Kirchenmufik hin und her fchwanken. Nach der langen j
Entfremdung der mufikalifchen Kund von der kirchlichen
Gedankenwelt und kirchlichen Mafsdäben, und nach der
gewaltigen Entwicklung der mufikalifchen Ausdrucksmittel
, die wir erlebt haben, id es ja kein Wunder, wenn
wir auf diefem Gebiet noch nicht über die erden tappen- :
den Schritte herausgekommen find. Aber das Todes-
urtheil für alle Hoffnungen in diefer Beziehung wäre es, !
wenn man verzichtete, diefe modernen mufikalifchen
Ausdrucksmittel denchridlich-kirchlichen Gedanken dienft-
bar zu machen, und das Wefen der Kirchenmufik in abge-
dorbene Formen fetzte, die ja in ihrer Art eine unvergängliche
Bedeutung haben, aber nie die Sprache des
lebenden Gefchlechtes, auch nicht der Frommen darunter,
die doch auch Kinder ihrer Zeit find, werden können.
Ueber den Gebrauch im einzelnen wäre noch zu bemerken,
dafs .Emmaus' für den zweiten Oderfeiertag gedacht id,
,der Jüngling von Nain' am beden zur Zeit des Todten-
fedes Verwendung findet, Francke's: Jfaaks Opferung',
wenn man ihm anders Gefchmack abgewinnt, für jede
Kirchenzeit mit Ausnahme der Advents- und der Freudenzeit
zwifchen Odern und Pfingden pafst.

Giefsen. Gg. Schloffer.

Bibliothek theologischer Klassiker. Ausgewählt und hrsg. von
evangelifchen Theologen. 1. Bd. Gotha, F. A. Perthes,
1888. (8.) geb. M. 2. 40.

Inhalt: Bücherkleinode evangelifcher Theologen. Mitteilungen
bekannter evangelifcher Theologen der Gegenwart über Bücher,
die ihnen für Amt und Leben von befonderem Werte gewefen
find , zufammengeftellt und als Einleitung in die .Bibliothek theo-
logifcher Klaffiker' hrsg. von Prof. Palt. Lic. Frdr. Zimmer. [
2. Aufl. (XVI, 270 S.)

Von wie grofsem Intereffe dies eigenartige Buch für
viele fofort bei feinem Erfcheinen gewefen id, davon
zeugt der Umdand, dafs vierzehn Tage nach Verfendung
der erden Audage der Druck vorliegender zweiter Auflage
begonnen werden mufste. Man hat in der That
feine Freude daran, einen bekannten Theologen darauf j
hin anzufehen, welche Bücher für feine Entwicklung von '
Eindufs gewefen find, und es läfst lieh nicht leugnen, '
dafs unter Umdänden gewiffe Züge in der geidigen ,

Phyfiognomie desfelben erklärlicher werden, wenn man
die Quellen kennen lernt, aus denen er fich genährt hat.
Allerdings hat das Buch für den Referenten auch etwas
Befchämendes gehabt. Der Herr Herausgeber hat die
Mittheilungen nur von bekannteren evangelifchen Theologen
der Gegenwart veröffentlicht; Referent bekennt,
dafs eine nicht geringe Menge Namen in dem Buch ver-
fammelt find, deren Klang ihm völlig fremd bisher geblieben
id, und dafs anderfeits eine Menge Namen nicht
in dem Buche fich finden, welche er für fehr bekannt
bis dahin gehalten hat. Es kommt hinzu, dafs öfters
gerade die ihm unbekannt gebliebenen einen verhältnifs-
mäfsig grofsen Raum zur Empfehlung und Charakteri-
lirung der ihnen werthvoll gewordenen Bücher in Anfpruch
nehmen, während bekannte Namen, die unter die Erden
zu rechnen find, fich mit wenigen Zeilen begnügen.

Ohne Zweifel läfst fich aus den am meiden genannten
und empfohlenen Büchern mancherlei entnehmen;
nicht nur wird man auf viele Bücher aufmerkfam, die
bisher von uns überfehen oder vernachläfligt wurden, fondern
man erkennt auch, welche Theologen und welche
Bücher (wenigdens in den Kreifen derjenigen, welche Mittheilungen
geliefert haben) vorzugsweife von Eindufs auf
viele geworden find. So wird fich gewifs mancher Lefer
entfchliefsen, manches Buch, das richtig zu beurtheilen Vor-
urtheil ihn bisher hinderte, mit anderen Augen auzufchauen
und es noch einmal vorzunehmen, um die gerühmten
Goldkörner auch für fein Wiffen und Erfahren als folche
zu erdnden. Freilich Demüthigungen werden auch hier
nicht erfpart bleiben. Viele Büchertitel kommen vor, die
einem völlig unbekannt bisher geblieben find, und fehr
viele Bücher werden nicht genannt, welche heutzutage
in erder Linie des Studiums dehen. Es id ja felbdver-
dändlich, dafs nur ältere Herren ihre Mittheilungen gc-
fpendet haben: ihre Entwicklungszeit liegt mehr oder
weniger weit zurück, in einer Zeit, in welcher die die
heutige theologifche Welt bewegenden Fragen noch völlig
fchlummerten oder unter ganz anderen Gefichtspunkten
behandelt wurden. So hat der Herr Herausgeber recht,
wenn er Studirenden das Buch nicht in die Hand
geben möchte: wenn aber diefen nicht, fo fcheint der
Entwicklungsgang anderer, wie er an derHand der Büchertitel
hier gezeigt wird, für die Entwicklung unferer
Zeitgenoffen nicht befonders fruchtbar zu fein. — Aeltere
Theologen werden mit Freude und Intereffe zu Zeiten
das Buch zur Hand nehmen.

Marburg. Achelis.

Bibliographie

von (Judos Dr. Johannes Müller,

Herlin W., Opernplatz, Königl. Bibliothek.

jDeutfcbc Literatur.

Arbeiten, theologifche, aus dem rheinifchen wiffenfchaftlichen Prediger-
Verein. Hrsg. v. Fabri, Kamphaufen, Krafft, Mangold.
Sänger, Thönes. 8. u. 9. Bd. Bonn, Weber, 1889. (III, 222 S.
gr. 8.) 5- °°

S pitta, F., Die Offenbarung d. Johannes, unterfucht. Halle, ISuchhandlg.
d. Waifenhaufes, 1889. (XII, 587 S. gr. 8.) 12. —

Sickel, Th. R. v., Prolegomena zum Liier diurnus 1. [Aus: ,Sitzungs-
ber. d. k. Akad. d. Wiff.') Wien, Tempsky in Comm., 1888. (76 S.
1 Tafel. Lex.-8.) I. 60

Arnoiiis Reichersbergensis Apologeticns contra Palmarem. Ad fidem
unici qui exstat codicis manuscripti primum ediditConslans Weiche rt.
Leipzig, Wolf, 1888. (249 S. gr. 8.) 6. —

Luther's, M., Briefwechfel. Bearb. u. m. Erläutergn. verfetten v. E. L.
Enders. 3. Bd. Briefe vom Dezbr. 1520 bis Aug. 1522. Calw u.
Stuttgart, Vereinsbuchhandlg., 1889. (VIII, 448 S. 8.) 4. 5°

Fay, F. R., Königin Chriftine v. Schweden, die Tochter Guftav Adolts.
Barmen, Klein, 1889. (40 S. 12.) — 4°

Lütge, H. A. J., Der Auffchwung der Böhmifch-Mährifchen Kirche,
unter Kaifer Franz Jofefl, 1848—88, zum vierzigjährigen Regierungsjubiläum
dargeftellt. Amlterdam, Scheffer & Co., 1889. (XII, 108

P- 4.) . f- «■ 25

Fliedner, F., Römifche Miffionspraxis auf den Karolinen. 2. Taufend.
[Flugfchriften d. Evangel. Bundes. 27. Hft.] Halle, Strien, 1889.
(21 S. gr. 8.) — 15