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Ausgabe:

1889 Nr. 6

Spalte:

147-149

Autor/Hrsg.:

Stuart, James

Titel/Untertitel:

Principles of Christianity 1889

Rezensent:

Besser, M.

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147 Theologifche Literaturzeitung. 1889. Nr. 6. [48

Haltung beftimmen liefs, erklärt (ich nach den S. 208
benutzten Depefchen vvefentlich daraus, dafs der Nuntius
ihr vorteilte, wenn die Gewalt des Papftes beftritten
werde, könne auch die Gültigkeit ihrer Ehe und die
Legitimität ihres Sohnes angefochten werden, die ja
lediglich darauf beruhe, dafs der Papft die Ehe Hein-
rich's IV. mit Margaretha von Valois für ungültig zu erklären
befugt gewefen fei. — Intereffant find die Bemerkungen
über denEinflufs der Beichtväter der franzöfifchen
Könige, welche, feit 1603 Heinrich IV. dem P. Coton
diefes Amt übertragen, bis zur Verbannung des Ordens
unter Ludwig XV. faft ohne Unterbrechung Jefuiten waren
(S. 174, 245. 280).

Eines der intereffantellen Capitel ift das 16.,,Richelieu
und die Jefuiten'. Ihr Verhältnifs war anfangs ein fehr
unfreundliches, da die Jefuiten über des Cardinais poli-
tifche Allianzen mit proteftantifchen Mächten die bitterften
Pamphlete fchrieben. Später zeigte er fich wohlwollend
gegen fie, wie D. richtig bemerkt, aus ähnlichen Gründen
wie Heinrich IV.: man müffe, äufserte er, die Jefuiten
fo im Zaum halten, dafs fie nicht die Macht hätten zu
fchaden, aber fie auch nicht zur Verzweiflung bringen,
was fie zu extremen Schritten treiben könnte (S. 275:.
Auffallender Weife erwähnt D. in diefem Capitel nicht,
dafs ein Jefuit, Michel Rabardeau, fich 1641 von Richelieu
dazu gebrauchen liefs, gegen die Römifche Curie zu
fchreiben (f. Reufch, Index 2, 362). — In dem folgenden
Capitel beipricht D. die fehr einfchneidenden Schriften,
welche im Auftrage der Parifer Univerfität Godefroy
Hermant 1643, alfo vor A. Arnauld (1644) und lange
vor Pascal (1656) gegen die Jefuiten fchrieb, und die
Verhandlungen über ein cafuiftifches Collegienheft des
P. Hereau im College de Clermont, zwei Punkte, welche
bei der Befprechung der Jefuitenmoral bisher nicht genügend
beruckfichtigt worden find. Auch die von Döl-
linger und mir herausgegebene Gefchichte der Moral-
flreitigkeiten wird dadurch ergänzt. Anderfeits kann aus
diefem Buche das vervollftändigt werden, was D. über
Richelieu's Mafsregeln gegen P. Cauffin, den Beichtvater
Ludwig's XIII., über die Ratio studiorum und über die
Verdammung des Buches von Bellarmin gegen Barclay
durch das Parifer Parlament berichtet. — Der Münchener
Profeffor, deffen Buch über die Jefuiten D. nach der
franzöfifchen Ueberfetzung wiederholt citirt, hiefs J. Huber,
wie S. 159, nicht Hubert, wie S. 38 u. f. gedruckt ift.
Die Trienter Decrete find nicht nach Sectioncn (S. 50), j
fondern nach Seffionen zu citiren.

Bonn. E. H. Reufch. j

Stuart, James, M. A., Principles ol Christianity, being an
essay towards a more correct apprehension of Christian
doctrine, mainly soteriological. London, Williams
& Norgate, 1888. (XVI, 623 S. gr. 8.) Geb.

Der Titel des Buches täufcht. Man vermuthet eine j
rein fyftematifche Arbeit und findet Alles voll neutefta-
mentlicher exegetifcher Unterfuchungen. Doch ift es
auch keine biblifche Theologie. Der Verf. legt es nicht
darauf ab, die individuell und gefchichtlich bedingte An- l
fchauung der einzelnen neuteftamentlichen Schriftfteller
zu entwickeln und darzulegen, vielmehr behandelt er die
neuteftamentlichen Schriften als Quellen dogmatifcher
Anfchauung, fo dafs feine Methode an die der ehemaligen I
biblifchen Dogmatil-: erinnert. Dabei ift feine Betrachtungsweife
der biblifchen Bücher durchaus die hiftorifch-kriti-
fche. Er ift auch bemüht, das Evangelium der Apoftel
zu unterfcheiden von ihren fonftigen Einrichten; ihre theo-
logifchen Gedankenreihen läfst er nur als fecundäre Hülfs-
linien für die Predigt und Bezeugung des Evangeliums
gelten. Freilich erfcheint feine Begrenzung deffen, was
zum Evangelium der Apoftel gehört, gegenüber ihrer
theologifchen Anfchauung von der Erlöfung vielfach un-

ficher und häufig empfängt man den Eindruck, als ob er
beides confundire. Immerhin zeichnet fich die Exegefe
des Verf.'s aus durch logifchc Gedankenfchärfe und genaue
Berückfichtigung der Einflüffe, welche dem Gedankengang
des betr. Schriftftellers eine fremdartige Färbung
verleihen und feine eigentliche Intention verhüllen konnten.

Am forgfältigften werden in diefer Weife die Grundgedanken
des Römerbriefs und des Hebräerbriefs behandelt
, jedoch ift wohl kaum eine wichtige Lehrftelle des
epiftolifchen Theiles des N. T.'s ganz übergangen.

Die Abficht, welche der Verf. durch diefe ausführliche
und eindringende Exegefe zu erreichen fucht. ill
eine dogmatifche. Er will auf Grund der Schrift die orthodoxe
Lehre von der Zurechnung in allen ihren Geftaltcn
- fammt den damit zufammenhängenden Lehren z. B. vom
ftellvertretenden Leiden und Sühnopfer Chrifti bekämpfen
und widerlegen, indem er zu gleicher Zeit die correcte
biblifche Anfchauung zeichnen will. Er weift nach, wie
die orthodoxe Dogmatik von Anfang bis zu Ende durchflochten
ift mit jener Lehre von der Zurechnung, indem
dort erftens die Zurechnung von Adam's erfter Sünde
' für jeden feiner Nachkommen behauptet wird, zweitens
die Zurechnung der menfehlichen Sünde für Chriftus und
drittens die Zurechnung von Chrifti Gerechtigkeit für
jeden Gläubigen. Diefe drei Arten der Zurechnung flehen
und fallen miteinander; der Begriff der Zurechnung mufs
in allen dreien der gleiche fein. Diefen Begriff Hellt nun
der Verf. feft auf Grund eines typifchen Beifpiels, das
aus Philemon 18. 19 entnommen wird. Danach ift Zurechnung
die Uebertragung der Gebühr des ,debitum' von
einem auf den anderen, fei es nun Uebertragung der
Strafe für das Unrecht, oder Uebertragung des Verdienftes
für die Gerechtigkeit. Indem er nun jene drei theologifchen
Arten der Zurechnung an diefem Begriffe mifst,
kommt er zu dem Ergebnifs, dafs die theologifche Lehre
von der Zurechnung in allen ihren Formen abfurd und
unhaltbar ift. Er unterfucht darauf die biblifche Grundlage
der Lehre und findet in der Schrift keine einzige
directe Ausfage zu Gunften der Zurechnung. Aber auch
die indirecten Stützen diefer Lehre, die aus der Schrift
entnommen werden, zerbricht er durch Darlegung des
Begriffes der Rechtfertigung und der Heiligung. Der
Grund, aus dem die Rechtfertigung erfolge, fei immer
der Befitz wirklicher Gerechtigkeit; ör/.aiovj bedeute: jemand
als gerecht erklären, weil er gerecht fei, und diefe
forenfifche Rechtfertigung habe nichts gemein mit dem
Begriff der Zurechnung.

Der Verf. verfolgt nun mit unermüdlichem Kampfes-
eifer das ganze mit der Lehre von der Zurechnung zu-
fammenhängende Geflecht theologifcher Vorftellungen
durch Römerbrief,Hcbräerbrief und andere neuteft.Schriften
hindurch, bis ihn feine weitläufigen aber fchneidigen exe-
getifchen Secirungen zu dem Refultat kommen lallen,
dafs diefer gefammte theologifche Apparat ein Gemifch
von Vorurtheilen, Abfurditäten und phantaftifchen Erfindungen
fei. — Auf die .Theologen' ift der Verf. fehr übel
zu fprechen. Sie fcheinen ihm eine Menfchengruppe zu
fein, deren fpeeififche Art es mit fich bringt, allerlei Thor-
heiten und Phantaftereien zu verüben. Diefe mehr ftolze
als vornehme Haltung fleht nicht im Einklänge mit denjenigen
guten Gedanken des Buches, die der Verf. von
Theologen empfangen hat, wobei ich von deutfehen
Theologen Weifs und Pfleiderer nenne, noch weniger
fleht fie im Einklänge mit den Mängeln des Buches, welche
durch eine tiefere Kenntnifs theologifcher Wiffenfchaft
vermeidbar waren. Dabei foll kein Gewicht gelegt werden
auf einzelne exegetifche Gezwungenheiten, wie z. B. die
Auslegung von II Kor. 5, 21 auf S. 452: Gott hat Chriftum
für uns zur Sünde gemacht (nämlich in Adam d. h. durch
feinen Zufammenhang mit Adam); oder von Ephef. 2, 13
fr id) tduari d. h. durch Tod, der feiner Natur nach
identifch war mit dem Tode Jefu; — viel eingreifender
ift der Mangel an gefchichtlicher Würdigung der bekämpf-