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Ausgabe:

1889 Nr. 5

Spalte:

107-111

Autor/Hrsg.:

Schwartz, Eduard

Titel/Untertitel:

Tatiani oratio ad Graecos 1889

Rezensent:

Jülicher, Adolf

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107 Theologifche Literaturzeitung. 1889. Nr. 5. 108

grofses fein, der Verftofs gegen die gefchichtliche Wirk- ; und höher als den der Textausgabe von fämmtlichenapofto-
lichkeit nicht allzu flark. Für mich, wie für viele Aus- ; lifchen Vätern; zumal die Ausftattung gar nicht hervorleger
, hängt die Zahl 62 mit einem Irrthum des Ver- ragend glänzend ift: oft genug find halbe und ganze
faffers des B. Daniel zufammen. Da uns aber die nöthigen Buchflaben, Lefezeichen und dergl. abgefprungen, und
Hülfsmittel fehlen, fo ift's eine unbillige Forderung, dafs wenn die im Text gewählten griechifchen Typen auch
wir nachweifen follen (S. 133), wie gerade diefer .Rechen- , grofs find, fo ift der Abftand der Reihen doch fo gering,
fehler' (vgl. meine Chronol. der hebr. Kön., S. 53) ent- dafs z. B. ütto's Tatian fich angenehmer lieft, von eng-
Itanden ift, während wir natürlich wiffen, dafs 62 der lifchen Ausgaben zu gefchweigen.

durch Abzug der 7+1 von 70 gewonnene Reft ift. Eine Ueberfetzung hat Schwartz feinem Texte nicht

Uebrigens fcheitert die .fymbolifche' Auffaffung (S. 148), j beigefügt. Seine Verhandlung mit den Lefern führt er
wenn der Verf. der Zahl 62 weder einen fymbolifchen, j in lateinifcher Sprache, wodurch er feine Arbeit allen
noch einen ftreng chronologifchen Werth zuerkennt, ; Nationen zugänglich macht.

fondern mit Reichel fagt, diefe Zahl an fich habe gar 1 Die Anmerkungen follen blofs über das Verhältnifs
keine Bedeutung. des fchliefslich conltituirten Textes zu dem handfehrift-

Der Raum verbietet mir, dafs ich in eine Befprechung , liehen Befunde unterrichten, mit ütto's unleidlicher Ver-
von Einzelheiten näher eingehe. Diefe Jdroefschrif? ge- mifchung textkritifcher und exegetifcher Anmerkungen
reicht im Ganzen der holländifchen Theologie nur zur bleiben wir verfchont; commentarium scribere, erklärt der
Ehre. Von des Verfaffers Gelehrfamkeit und merkwür- Herausgeber auf S. IX der Vorrede, neevoluineepotui. Frei-
diger Literaturkenntnifs, der auch das Abgelegenfte nicht lieh weifs ich damit nicht zu reimen, wie auf dem Umfchlag
leicht entgeht, legen auch die angehängten Thefen ein des Heftes als IV, 2 der .Texte und Unterfuchungen'
fchönes Zeugnifs ab. Es fei mir der Hinweis aufThefe VII angekündigt werden kann: ,Commentar zu Tatiani oratio
geblattet, worin die gewöhnliche Erklärung von 2 Sam. ad Graecos von Ed. Schwartz'. Ift diefe Notiz auf dem
12, 31, nach welcher David die gefangenen Ammoniter Umfchlag zu, Aphrahat' (III, 3.4) vielleicht ablichtlich wie-
zerfägen läfst, gegenüber der von mir (Evang. Ge- j der fortgeblieben? Sollte ein Commentar von Schwartz
meindeblatt für Rheinland und Weftfalen 1884 Nr. 9— ! geliefert werden, fo wäre er um vieles praktifchcr nach
11) mit Georg Hoffmann u. A. vertretenen Auffaffung dem Mufter der grofsen Ausgabe der Apoftolifchen Väter
als die richtige bezeichnet wird. Ich möchte nämlich fortlaufend beim Text und hinter der Rubrik der kri-
diefem Hinweife kurz die Bemerkung eines medicinifchen tifchen Noten anzubringen gewefen, auch hätte dann der
Collegen beifügen, dafs es fich a. a. O. um lebendige1 Index von vielem Stoff entladet werden müffen, der ledig-
Menfchen handelt, nicht etwa um Leichname, welche lieh als Vorarbeit für einen folchen Commentar ,ab aliis
mit Wickersheimer'fcher Flüffigkeit (vgl. Brockhaus' Con- superstruendum' dienen will.

verfations-Lexikon 13 XVI, S 602) präparirt waren. Wenn alfo Schwartz bezüglich der Auslegung und

t, „ a, v „ _ _ u _ „ c | Verwerthung der Tatian'fchen Apologie bewufst Anderen

Bonn. Ad. Kampnaulen. ... , ., 5 ... . , rr , gr & , . . ,

1 Viel zu thun übrig geladen hat, fo ift das nicht der hall

betreffs der Ausnutzung der Manufcripte. Soweit man

ohne Einficht in die Handfchriften urtheilen darf, fcheint

hier Volkommenheit erreicht ; von den 3 Manufcripten, die

allein Autorität befitzen, werden alle Varianten genau

In Betreff des Rechenfehlers bei Daniel, der für den Zeitraum zwifchen
Cyrus und Antiochus Epiphanes etwa 70 Jahre zu viel anfetzt, möchte
ich nur noch bemerken, dafs auch Jofephus für diefen Zeitraum etwa
40—50 Jahre zu viel anfetzt, und der jüdifche Hellenift Demetrius fo-
gar genau wie Daniel etwa 70 Jahre zu viel. S. meine Gefchichte des

jüdifchen Volkes im Zeitalter Jefu Chrifti II, 616. 731. notirt; über ihren Charakter, gegenfeitiges Verhältnifs

Schurer. un(J yve,.^ ]iat 4er Herausgeber fich ein begründetes Urteil
gebildet; aufserdem hat er für die aus Tatian in

Schwartz, Ed., Tatiani oratio ad Graecos, recensuit E. Sch
| Texte u. Unterfuchungen zur Gefchichte der alt-
chrifti. Literatur, hrsg. von Ose. v. Gebhardt u. Adf.

Eufeb's Kirchengefchichte und Praeparatio evang. aufgenommenen
Abfchnitte alle befferen Handfchriften diefer
Werke verglichen, forgfam hat er den Sprachgebrauch
feines Schriftftellers beobachtet und dadurch, z. B. aus
Harnack, 4. Bd. 1. Hft.J Leipzig, Hinnchs, 1888. (X, 1 fdner AengftHchkeit in Vermeidung des Hiatus Hülfs-

105 S. gr. 8.) M. 3.60. mittel für die Reconftruction des Urtextes gewonnen.

Zwei deutfehe Philologen, O. von Gebhardt und E. ! Denn dafs fchon dem Eufeb Tatian in recht corrumpirter

Schwartz, haben fich zufammengethan, um das längft I Geftalt vorlag, ift ebenfo ficher wie dafs die 3 Hand-

fchmerzlichgefühlteBedürfnifs einer modernen Anfprüchen j fchriften des loyog xoog EUijvag aus einer einzigen, dem

genügenden Textausgabe der Werke der griechifchen Apo- Arethascodex des 10. Jahrhunderts, gefloffen find, daher

logeten — von ütto's Corpus Apolosretarum bot nicht zufammen nur eine fpäte Autorität reprafentiren. Wenn

nicht einmal durchweg den handfehriftlichen Text, ge
fchweige den urfprünglichen — zu befriedigen; Gebhardt,
längft als vortrefflicher Herausgeber bekannt, übernahm
die grofsen j'uftinifchen Schriften, Schwartz den Tatian,

irgendwo mufs alfo hier der Editor zum Emendator werden
; einen lückenlofen, befriedigenden Text von den
Manufcripten zu erwarten wäre Unverftand, undfo fchmerz-
lich für uns Theologen die Worte .auf S. VII find, mit

Athenagoras, Theophilus und die pfeudojuftinifche Cohor- j denen Schw. die emendirende Arbeit an libri Christiane)
tatio ad Graecos. Der Anfang, der mit Tatian gemacht [ rum — im Unterfchied jon den Jibnjaganorum — als
worden ift, beweift, dafs auch Schwartz feiner Aufgabe
vollkommen gewachfen war: beinahe mit Spannung fehen
wir der hoffentlich rafcher erfolgenden Fortfetzung des
verdienftlichen Werkes entgegen. Nur kann ich den Wunfeh
nicht zurückhalten, dafs andere Beftandtheile des Otto'fchen
Corpus, wie des Hermias Irrisio, die Fragmente der verlorenen
Apologien, die opera Justini addubitata und
spuria von diefer Sammlung nicht möchten ausgefchloffen
bleiben; denn wenn nicht hier, werden fie überhaupt nicht
neu edirt, und fo wäre ütto's Werk doch noch nicht
entbehrlich. Beide zu befitzen wird aber den meiften

res integra et intacta fchildert*), find wir ihm gerade für
die Energie den gröfsten Dank fchuldig, mit der er fich
von dem überlieferten Texte emaneipirt, gleichviel ob
er durch glückliche Conjectur die richtige Lesart an
Stelle der bisherigen in den Text einfetzt oder nur durch
ein Signum lacunae auf die Schadhaftigkeit des Textes
aufmerkfam macht. Uebrigens begnügt er fich auch in
letzterem Falle feiten damit, eine Stelle einfach für ver-

) Doch fcheint mir hier eine Uebertreibung vorzuliegen; einzelne von
Schw. adoptirte Emendationen hat ja auch Otto ausgeführt, Lücken im Text

Theologen'unmöglich fein wenn doch der neue Tatian- bat Harnack nachgewiefen, und ift der krilifcheScharffinn von Theologen

j , 7 ~l■ -1 n.T t u u u , f,;, 0;r,Pr, Ff-LW i w>e Ro«'b, de Lagarde etwa nicht den libri Chnsltanorum zu Gute ge-

text allein 3,60 Mk. koftet. Ich halte es für einen b ehler, ; kommen? $*6ymv uimatv 26) 25 ft &loyov hat fchon Maian vor.

den Preis hier verhältnifsmäfsig ebenfo hoch ZU ltellen, gefchlagen, nicht erft, wie Schw. notirt, Wilam. und es wird das nicht die

wie bei einer Unterfuchung Über Leontius Von Byzanz, I einzige gute Conjectur älterer Theologen fein.