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Ausgabe:

1889

Spalte:

657-658

Autor/Hrsg.:

Springer, Ant.

Titel/Untertitel:

Der Bilderschmuck in den Sacramentarien des frühen Mittelalters 1889

Rezensent:

Ficker, Johannes

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Seite 1

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wohl, wie oben hervorgehoben, beide zur Languedoc- 1 mäfsige Entwicklung im Norden nach: Künfllerifch, in-
Vulgata gehören). 4) Ein Verwandtfchaftsverhältnifs dem aus der ornamentalen Weife nach und nach' die
wird durch das alles wahrfcheinlich. Nur in der Form hiftorifche Auffaffung fich losringt. Und ebenfo ftofflich.
einer vorläufig ganz unfichern Vermuthung bestimmt es B. Während im Vatikan. Sacramentar von der Wende des
folgendermafsen: aus der interlinearen provencalifchen VII. Jahrh. eine fefte Decorationsweife noch nicht er-
Ueberfetzung, aus welcher die Hf. von Lyon (A, 1) fichtlich ift und das von Gellone aus der zweiten Hälfte
flammt, wäre ein anderer Abzug gemacht worden, die des VIII. Jahrh. nur Anfätze dazu zeigt, ift der Künftler
Stammmutter von B. Er wäre nämlich einerfeits durch fchon um die Mitte des neunten Jahrhunderts, wie das
Umfetzung in die modernere, dem Latein näherkommende Sacramentar von Autun und das Sacram. Drogos beSprache
fowie in den Dialekt der Waldenfer, anderer- weifen, an die fefte Regel gebunden, die Anfangsbuch-
feits durch Aufnahme von Varianten anderer, auch la- ftaben der Präfatio und des Canon, letztere mit deut-
teinifcher Hff. zum jetzigen waldenfifchen NT. geworden, lichem Hinweife auf die Kreuzigung, durch künftlerifchen
Der Codex Tcplenfis flehe thatfächlich Zwilchen A, 1 Schmuck hervorzuheben. Diefer Vorfchrift wird unab-
einer- undA, 2 und B andererfeits, fei alfo nach einer Vor- ; änderlich Folge geleiftet. Jene Ornamente bleiben, fei
läge gearbeitet, welche auf dem Uebergang geflanden es dafs fich überhaupt die Schmuckweife auf fie be-
h.abe. t ' fchränkt, fei es dafs die Textesworte durch Darftellung der

Die waldenfifchen Fragmente desA. T.'s — es j einzelnen Sacramentshandlungen oder durch Uluftration
hat auch nach B. niemals ein ganzes waldenfifches A. T. der kirchlichen Fefte von Bildern begleitet werden. Frühe
gegeben — bezeichnen eine andere Stufe der Ueber- ; tritt auch noch zu dem leidenden Chriftus bei dem
fetzung. Sie ruhen auf dem Vulgatatext, der durch die j Canon, bisweilen auch ftatt diefes, der erhöhte. Jeden-
Parifer Correctorien feit dem 13. Jhr. in Frankreich durch- : falls hat fich am Anfange unferes Jahrtaufendes die
gedrungenift. Dagegen fcheintdieUeberfetzungdesHohen- | künftlerifche Entwickelung abgefchloffen. Wie bei Evan-
lieds eine Arbeit für fich darzuftellen. Denn die übrigen 1 geliarien und Pfaltem, fetzt fich der Inhalt auch bei dem
Fragmente flammen aus einem Vulgatatext ohne Inhalts- j Sacramentar auf dem Deckel fort. Drogo's Sacramen-
angaben (rubrieae), das Hohelied aber hat folche und zwar j tareinband fchildert die Vollbringung des Mefsopfers. Eine
Bimmen die der Hf. von Carpentras fall ganz mit denen
der bellen und älteften Hff. alkuinifchen Urfprungs, die
von Grenoble mit den älteften Languedoc-Hff. überein.

Beiläufig fei hier auch eine Notiz angebracht, welche
für die Gefchichte des Hermabuchs von Intereffe ift.
Schon aus den bisherigen Befchreibungen der waldenfifchen
Hff. von Cambridge wufste man, dafs dort Bruch-
ltücke einer Ueberfetzung des Hermabuchs im Dialekt
der Waldenfer vorhanden waren. Jetzt weift B. nach,
dafs auch diefes Stück aus dem Verkehr der Waldenfer
mit den Taboriten flammt. Denn in zwei taboritifchen

Reihe von Elfenbeinen mit der Kreuzigung werden ur-
fprünglich diefelbe Beftimmung gehabt haben.

Dies ift der Hauptinhalt der forgfältigen Ausführungen
, welche die früheren Unterfuchungen ergänzen,
deren Refultate bellätigen.

Leipzig. Johannes Ficker.

Dalton, Herrn., Zur Gewissensfreiheit in Russland. Offenes
Sendfehreiben an den Oberprokureur des ruffifchen

Synods,Herrn Wirkl. Geh.-R. Konftantin Pobedonoszeff
Hff. fei der Pastor Hermae enthalten. (Die eine davon , Ld . Duncker & Humbl 8g , ö
erwähnt auch v. Gebhardt nach Denis, Einleitung zur %' ö '

Ausgabe des Pastor Hermae S. XVIII n. 3; welches
die andere Hf. fei, fagt B. nicht.)

Im Anhang zu diefer Abhandlung Berger's hat Paul
Meyer die Sprache der Hff. von Lyon und Paris (A 1

und" 2) zu beftimmen gefucht. In Bezug auf jene trifft I Feder hier vertritt, haben längft für fich felbft ge-
er fall völlig mit W. Förfter überein (den er übrigens fprochen. Statt aller Empfehlung fei ihm ein fchlichter

M. 1. 80.

Einer Empfehlung wird diefes Sendfehreiben für

unfere Lefer nicht mehr bedürfen. Der gute Name

des Verfaffers und die gute Sache, die feine beredte

nicht erwähnt): ihre Heimath find die heutigen Depar
tements Tarn und Aude, insbefondere das letztere und
zwar wahrfcheinlich feine weltliche Hälfte, alfo die Gegend
von Carcaffonne. Dagegen weift die Sprache von Cod.
Paris, in den Süden oder Südweften der Provence. — In
einem weiteren Anhang veröffentlicht derfelbe Gelehrte
Bruchftücke einer bisher unbekannten provencalifchen
Ueberfetzung, die von A I und 2 abweicht, etwa aus der
erften Hälfte des 14. Jhs. flammt und der füdlichen Hälfte
der Provence zuzuweifen ift.

Giefsen. Karl Müller.

Springer, Ant, Der Bilderschmuck in den Sacramentarien
des frühen Mittelalters. (Des XI. Bandes der Abhandlungen
der phil.-hift. Claffe der k. Sächf. Gef. der
Wiffenfch. Nr. IV.) [Mit 5 Abbildgn.] Leipzig, Hirzel,
1889. (42 S. gr. 8.) M. 2. —
In Verfolg der Arbeiten über die Bibeln, Evangeliarien
und Pfalter des frühen Mittelalters in den Erörterungen
über die Pfalterilluftrationen (1880) und die Gene-
fisbilder (1884) unterfucht die vorliegende Abhandlung
die officiellen gottesdienftlichen Urkunden, die Sacramentarien
, auf ihre malerifche Ausfchmückung hin, nachdem

Delisle in feinem Memoire sur d'anciens Saeramentatres | der Glaubensbrüder "vor jenen heimlichen UeberTritten

Dank gefagt! Es koftet Ueberwindung, ruffifchen wie
römifchen Winkelzügen und Gewaltfamkeiten nachzugehen
. Dalton hat es in diefem Falle doppelte Ueberwindung
gekoftet. Denn der Mann, an den fich fein
Schreiben richtet, deffen Unwahrhaftigkeit in Reden
und Schweigen, in Handeln und Gehenlaffen hier mit
unnachsichtiger Strenge aufgedeckt wird, diefer Mann
ift ihm in früheren Jahren in befferem Lichte erfchienen.
Das Sendfehreiben lieft fich zum Theil wie der Ausdruck
bitterfter Enttäufchung über die Entwickelung diefer
Perfönlichkeit, der an höchster Stelle zum Unheil für
Rufsland und feine Kirche eine tiefeinlchneidende Wirksamkeit
auszuüben verltattet ift. Die Schrift hat, wie verlautet
, trotz nachträglichem Verbote, ihren Weg nach
Rufsland gefunden. Möchte fie dort zumal den Gleichgültigen
, den ruffificirten Deutfchen in die Hände fallen,
deren Kinder wohl lebhaft die Frage erörtern, ob es
ihnen zustehe, im ruffifchen Schulgottesdienfte das Kreuz
zu fchlagen oder nicht? Die lutherifche Propaganda, fo
klagt Pobedonoszeff, repand le trouble da/is /es plus pai-
sibles communes lutheriennes des autres pari/es de f Empire.
Als Wunfeh möchte man fich diefe Worte aneignen.
Wenn die freie Wirkfamkeit evangelifcher Lebensan-
fchauung in Schule und Kirche auf immer gröfsere Hin-

dernifse ftöfst, fo möge denn die Kunde von dem Jammer

j__/-1___1____1—— ■ ......

U886; das Material zufammengeitellt und namentlich bewahren, deren fich keine Statistik rühmen kann, weil
vom paläographifchen Gesichtspunkte aus geprüft hatte, fie im unmerklichen Umfchwung der Ueberzeugung fich
Springer gruppirt die Handfchriften und weift eine gleich- vollziehen.