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Ausgabe:

1889 Nr. 26

Spalte:

655-657

Autor/Hrsg.:

Berger, Samuel

Titel/Untertitel:

Les bibles provencales et vaudoises 1889

Rezensent:

Mueller, Karl

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Theologifche Literaturzeitung. 1889. Nr. 26.

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lieh unfere Kempt. Eibl, gar nicht in die Hand nehmen.
Dennoch ift diefe für den gewöhnlichen Gebrauch fchon
ihres Formates wegen handlicher; dafür hat die ameri-
kanifche Ausgabe den Vorzug, dafs man bei der Leetüre
eine moderne Prachtausgabe des Kirchenvaters mit Be- :
hagen durchblättert. Im Uebrigen verweife ich auf die j
angeführte Anzeige. Der Band ift hauptfächlich von
Rev. Stephens, Verfaffer einer Biographie des Chry- j
foftomus [the best biography nach Schaff), gearbeitet, der
nur bei den Homilien über die Bildfäulen die alte Oxforder
Ueberfetzung zu Grunde gelegt hat. Für diefe
ift denn auch ein befonderer Index geblieben. Als Mitarbeiter
werden genannt die Revs. Brandram und
Blackburn. Schaff hat die dem Ganzen vorausge-
fchickte Lebensbefchreibung des Chryfoftomus verfafst.

Giefsen. Guftav Krüger.

Berg er, Samuel, Les Bibles provengales et vaudoises. Avec
un appendice par Paul Meyer. Extrait de la Romania,
Tome XVIII. Paris 1889 (p. 353—438)-
In fehr erfreulicher Weife mehren fichdie Forfchungen
der heften Kenner über die Gefchichte der romanifchen
Bibelüberfetzungen. Nachdem vor kurzem W. Förfter
in GGA. 1888 Nr. 20 f. im Zufammenhange mit feinen
Erörterungen über die waldenfifche Tractatenliteratur
auch für die waldenfifchen und provengalifchen Bibeln
werthvolle Winke gegeben, tritt nun S. Berger mit einer
umfaffenderen Studie auf, die fich feinem ausgezeichneten
Werk über die Bibeln der Langtee d'oil ebenbürtig anreiht
und die Ueberfetzungen der Langiee d'oe behandelt.
Ich kann felbftverftändlich in diefen Fragen lediglich als
Berichterftatter auftreten und theile daher nur das Wefent-
liche der Ergebnifse Berger's mit.

B. geht von der Thatfache aus, dafs im franzöfifchen
Süden (Gebiet der Langtee d'oe) bis zur Zeit Ludwig's IX.
d. H. ein beftimmter Typus der Vulgata geherrfcht hat,
welcher fich von dem nordfranzöfifchen ebenfo beftimmt
als von dem der örtlichen Länder und Italiens unter-
fchied, aber mit dem fpanifch-katalanifchen identifch
war und aus den weftgothifchen Hff. flammt (vgl. darüber
die Antrittsvorlefung Berger's ,De Lhistotre de lä Vul-
gate en France1. Paris 1887. 16 S.). Diefe Hff. haben
u. a. im N. T., das in ihnen zum Theil gefondert vorkommt,
eine völlig andere Capiteleintheilung.

Aus diefer Gruppe flammen nun fämmtliche pro-
vengalifche Ueberfetzungen des N. T.'s. Berger unter-
fucht diefe einzeln. (Im Anhang S. 414—422 hat er eine
eingehende Befchreibung aller Hff. gegeben.)
A. Die Hff. von Lyon und Paris.

1. Das N. T. von Lyon (jetzt im Palais des Beaux-
arts zu Paris; jüngft im phototypifchen Druck von Cledat
veröffentlicht), ift wahrfcheinlich in der Langete d'oe gegen
Ende der 13-Jhs. gefchrieben; feine Ueberfetzung fchliefst
fich Wort für Wort, auch in der Wortftellung an den
lateinifchen Text der Languedoc-Vulgata an und ift —
B. führt dafür noch andere Beobachtungen an — höchft
wahrfcheinlich nichts anderes als die Abfchrift einer
interlinearen Ueberfetzung der Languedoc-
V ulgata.

2. Das N. T. von Paris {Eibl. nät. f. fr. 2425; früher
8086) ift dem von Lyon nahe verwandt, mit ihm
namentlich durch eine grofse Anzahl gemeinfamer wider-
finniger Ueberfetzungen verbunden. Doch beliehen auch
zahlreiche Abweichungen; das Parifer N. T. giebt ins-
befondere vielfach den Text in Paraphrafen oder im
Auszug.

Das Lyoner N.T. enthält bekanntlich auch die katha-
rifche Liturgie des Consolamentum. Aber, wie B. zeigt,
benutzt diefe Liturgie in den biblifchen Citaten zwar
diefelbe Ueberfetzung, nicht aber eben diefe Hf. Die
Ueberfetzung felbft zeigt ebenfowenig häretifche Färbung

wie die des Cod. Paris. Aber verfchiedene hinweifende
(des 15. Jhs.) in diefer letzteren, laffen nach B. durch
den Inhalt der auf diefe Weife hervorgehobenen Stellen
vermuthen, dafs die Hf. im Gebrauch waldenfifcher Prediger
war. Damit wäre alfo zum erften Male für den waldenfifchen
Gebrauch diefes Cod. Paris, der Nachweis geliefert
, den ich in Theol. Stud. und Krit. 1887 S. 582—585
vermifst habe.

B. Die einheitliche Gruppe der fogenannten
waldenfifchen Ueberfetzungen: Hff. von Carpen-
tras (erwähnt von Lelong; bisher nicht näher befchrieben),
Dublin, Grenoble, Cambridge und Zürich. Hier ift mir
nur aufgefallen, dafs Berger von den Ausführungen
Förfter's über das Alter der waldenfifchen Hff. gar keine
Kenntnifs nimmt, fondern feinen zum Theil fchon früher
ausgefprochenen Anfätzen folgt.

1. Hff. von Carpentras und Dublin. Diefe wäre
geradezu als Abfchrift von jener zu bezeichnen, wenn fie
nicht vom B. Sirach etwas mehr hätte als jene. Zu den
einzelnen Büchern find Einleitungen gegeben, wie fie fich
fonft in den lateinifchen Hff. nicht finden.

2. Piff, von Grenoble und Cambridge, gleichzeitig
und mit demfelben Text. Die Einleitungen von
Grenoble find andere als in Nr. 1. Auch der lateinifche
biblifche Grundtext, der in den Einleitungen hervortritt,
mufs ein anderer gewefen fein, als dort: nämlich der
feit dem 13.Jh. gewöhnliche Text. Die Hf. von Cambridge
ift abgekürzte Bearbeitung derjenigen von Grenoble. Die
Einleitungen fehlen.

3. N. T. von Zürich. Wie fchon Reufs feftgeftellt
hat, ift diefe Ueberfetzung nach dem N. T. des Erasmus
von 1522 durchcorrigirt. B. kann nur noch hinzufügen
, dafs die urfprüngliche Ueberfetzung ganz diefelbe

i war wie in 1 und 2.

Alfo befteht in diefer ganzen Gruppe diefelbe Ueberfetzung
. Was nun deren waldenfifchen Urfprung

i betrifft, fo ftellt B. von neuem mit gröfstem Nachdruck
feft, dafs in der Ueberfetzung als folcher nicht die
geringfte Spur von beftimmter Tendenz wahrzunehmen
fei, ebenfowenig als in irgend einer andern üblichen
Bibelüberfetzung. Dagegen laffe fich nachweifen, dafs
fämmtliche 5 Hff. in waldenfifchem Gebrauch gewefen.
Für die Hff. Dublin, Cambridge, Zürich ift dies allgemein
anerkannt. Für die Hff. von Carpentras und Gre-

! noble dagegen fehlten bisher die Beweife. Von jener
wufste man überhaupt nichts; von diefer aber hatte, nachdem
ich kurz zuvor die völlige Unzureichenheit der bisherigen
Ueberlieferung aufgedeckt hatte (a. a. O. 585 f.),
Förfter a. a. O. die Zugehörigkeit zur waldenfifchen
Gruppe in Ueberfetzung und Sprache erwiefen. Jetzt
zeigt Berger für die Hf. von Carpentras aus Aeufser-
ungen über die Apokryphen, dafs fie nach dem Eindringen
der Reformation in den Waldenfergemeinden in deren
Gebrauch gewefen fein mufs. Noch intereffanter liegt
die Sache bei der Hf. von Grenoble. Diefe fchliefst
nämlich ein Lectionar in fich, deffen eigenthümliche Feft-
lektionen nach dem von B. angerufenen Ausfpruch des
Abbe Miffet fämmtlich auf Böhmen, insbefonderc Prag
und feinen Pleiligen weifen und theilweife früheftens vom
Endedes I4.jhs. flammen können. Damit ift der hufitifche
Urfprung der Vorlage diefer Hf. fo gut wie erwiefen und
.eben damit auch der waldenfifche Gebrauch diefer Hf.!

Was nun das Verhältnifs der provengalifehen
Ueberfetzungen (A) und der waldenfifchen (B)
betrifft, fo ftellt Berger folgendes feft: 1) B ftrebt mehr
als A nach buchftäblicher Genauigkeit und engem An-
fchlufs an den lateinifchen Ausdruck. 2) Daneben befteht
ein grofses Gebiet gemeinfamer Eigenthümlichkeiten
der Ueberfetzung (z. B. die berühmten fena für gehenna,
fil/e de la Verge für filitts hominis, lo Filfür Verbum u. f. w.)
und von Lesarten der lateinifchen Vorlage. 3) Die Ueberfetzung
in B fcheint ebenfo eine etwas fpätere Stufe dar-
zuftellen, wie der zu Grunde liegende Vulgatatext (ob-