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Ausgabe:

1889 Nr. 26

Spalte:

647-648

Autor/Hrsg.:

Loofs, Friedrich

Titel/Untertitel:

Leitfaden für seine Vorlesungen über Dogmengeschichte 1889

Rezensent:

Harnack, Adolf

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647

Theologifche Literaturzeitung. 1889. Nr. 26.

648

Loofs, Prof. Dr. Friedr., Leitfaden für seine Vorlesungen
über Dogmengeschichte. Halle, [Niemeyer], 1889. (XII,
303 S. gr. 8.) M. 3. 60.

Der Verfaffer diefes Leifadens hat in der Vorrede
über das Verhältnifs gevviffenhaft Rechenfchaft abgelegt,
welches zwifchen dem erden Drittel feines Buches und
meinem Collegienheft von 1877 (refp. 18823) bedeht,
welches übrigens der aufmerksame Lefer auch aus den
beiden bisher erfchienenen Bänden meines Lehrbuchs
der Dogmengefchichte fedzudellen vermag. Ich würde
daher keinen Grund haben, diefes Verhältnifs auch nur
mit einem Worte zu berühren, wenn ich es nicht für
meine Pdicht hielte, meinerfeits ansdrücklich zu confta-
tiren, dafs der vordehende Leitfaden in allem Uebrigen,
d. h. von S. 99—302, eine durchweg originale Arbeit id.
Wenn man nach dem Erfcheinen meines dritten Bandes
finden wird, dafs unfere Beurtheilung des Verlaufes der
Dogmengefchichte feit Auguftin vielfach zufammendimmt,
und dafs wir auch in der Auswahl des mitgetheilten
Stoffes nicht feiten zufammentreffen, fo liegt der Grund
für diefe Erfcheinungen lediglich in der wefentlich gleichen
Gefammtauffaffung der Gefchichte, über welche wir berichten
, und in der Identität des erden Anfatzes, der den
Fortgang der Gefchichtserzählung nothwendig bedimmen
mufste. Im Uebrigen id die Anlage der beiden Werke
eine vielfach verfchiedene.

Der Verf. id mir mit der Fertigdellung des Leitfadens
zuvorgekommen. Ich bedauere das nicht; denn
der dchere Eindruck, dafs wir in diefem Buche einen ausgezeichneten
Führer erhalten haben, fchlägt jede andere
Erwägung nieder. Auf dem gefammten Gebiet der hi-
dorifchen Theologie befitzen wir keinen fo gründlichen,
ficheren und zweckmäfsigen Leitfaden, wie den hier vorliegenden
, ja ich meine, fagen zu dürfen, dafs er in feiner
Art überhaupt der bede Leitfaden id, den irgend eine
theologifche Disciplin aufzuweiten hat. Nach ihm läfst
fleh wirklich dudireri — der Student wird in gleicher
Weife in die Quellen eingeführt wie in die Sache felbd;
er erhält weder zu viel noch zu wenig Anleitung, und er
wird von einem Lehrer geführt, der einen ebenfo ficheren
Blick für das Einzelne wie für die grofsen Zufammen-
hänge verräth, und der überall den Geid in den Erfcheinungen
zum Ausdruck bringt, ohne den feden Boden
der Thatfachen zu verlaffen oder die Verknüpfung des
Einzelnen zu überfehen. In methodifcher Hinficht halte
ich diefen Leitfaden für ein Meiderwerk, und ich zweide
nicht, dafs die Fachgenoffen diefem Urtheile freudig
beidimmen werden. Verräth aber der Verfaffer in der
Auswahl des Einzelnen die glücklichde Hand und in der
knappen prägnanten Formulirung der Gedanken eine
ungewöhnliche Klarheit und Schärfe des Urtheils, fo zeigt
er nicht minder — und zwar gilt das fad gleichmäfsig in
Bezug auf das gefammte Gebiet — eine ungewöhnliche
Gelehrfamkeit. Der Kenner wird überall finden, dafs er
aus dem Vollen gefchöpft hat, dafs er mit den Haupt-
perfonen, welche die Dogmengefchichte gemacht haben,
wirklich vertraut id, dafs er die grofsen geidigen Strömungen
vom Piatonismus bis zur Reformation beherrfcht,
und dafs er auch die Niederungen der Gefchichte mit
eigenen Augen befchaut hat. So id diefer Leitfaden nicht
nur ein Lernbuch für Studirende, fondern er bezeichnet
auch einen Fortfehritt in der wiffenfehaftlichen Erforfch-
ung der Dogmengefchichte felbd. Mit Recht klagt man
über die Zerfahrenheit auf dem Gebiet der theologifchen
Arbeit; aber angefichts der Arbeiten auf dem Gebiet der
Dogmengefchichte darf man wohl von einer Ausnahme
fprechen. Diefe Disciplin hat in den hundert Jahren ihres
Bedehens eine detig fbrtfchreitende Entwickelung erlebt.
Hier id verhältnifsmäfsig wenig Kraft in's Leere ver-
fchleudert worden; die Irrgänge dellen fich gröfstentheils
als nothwendige Umwege dar, damit bei dem langen und
mühfamen Aufdieg nichts überfehen würde. In der Aufeinanderfolge
Münfcher, Neander, Baur, Thoma-
fius, Nitzfeh, Loofs id wirklich ein ficheres Fort-
fchreiten bemerkbar, und der Reichthum der Gefichts-
punkte, der in die Disciplin aufgenommen id, hat Schritt
gehalten mit der Fülle der monographifchen Unterfuch-
ungen auf dem Gebiete der Gefchichte der alten Kirche
und des Mittelalters.

Auf eine Befprechung des Inhaltes des Loofs'fchen
Leitfadens mufs ich zur Zeit verzichten; denn ich könnte
nicht umhin, Dinge oberüächlich zu dreifen, die ich in
meinem demnächd erfcheinenden dritten Bande der Dogmengefchichte
ausführlicher begründet habe. Warum ich
unter folchen Umdänden die Anzeige diefes Leitfadens
nicht einem Anderen überlaffen habe, id im Eingang zu
diefen Zeilen angedeutet. Nur den einen Eindruck vermag
ich angefichts diefes vortrefflichen Buches nicht zu
unterdrücken, dafs in ihm die kritifche Kraft unterer
Disciplin in Bezug auf die gegenwärtige Gedalt der Theologie
nicht fo deutlich ausgeprägt id, wie es wünfehens-
werth id, wie die Sache es verlangt und wie es dem
Verf. felbd aufgegangen id. In diefem Zufammenhang
halte ich auch die Abgrenzung des Stoffs (Evangelifche
Kirche) bis zum Ende des 16. Jahrh. für einen Fehler.
Doch mag gerade hier der mündliche Vortrag Vieles er
gänzen.

Berlin. A. Harnack.

Miodoriski, Dr. Adam, Anonymus adversus aleatores (gegen
das Hazardfpiel) und die Briefe an Cyprian, Lucian,
Celerinus und an den karthaginienfifchen Klerus.
(Cypr. epist. 8. 21—24.) Kritifch verbeffert, erläutert
und ins Deutfche überfetzt v. A. M. Mit einem Vorworte
von Prof. Ed. Wölfßin. Leipzig, Deichert
Nachf., 1889. (128 S. 8.) M. 2. —

Die von Wölfdin angekündigte neue Ausgabe der
pfeudoeyprianifchen Schrift gegen das Hazardfpiel id
rafch genug erfchienen, ein hübfeh ausgedattetes Büchlein
, in welchem auch wenige Errata dehen geblieben
find: S. 52 Z. 4 lefe man Krueger datt Krieger, S. 74
not. 4 jcävrcov, S. 77 Z. 2 ,foh" d. ,folle', S. 108 Z. 13
furacisslmos; S. 60 fehlt am Rande eine Bezeichnung
des § 2, und völlig unverdändlich find die letzten Worte
der Anm. auf S. 69: ,aber in engerem Anfchlufs an
die LXX'.

In einem Vorwort S. 5—9 fpricht Prof. Wölfdin dem
Verfaffer zu den Ergebnifsen diefer Arbeit feine beglück-
wünfehende Billigung aus und zugleich feine Freude
darüber, ,wenn Philologen, fich wieder an der Löfung
kirchengefchichtlicher Fragen betheiligend, das avucpikn-
loyelv zum ovvirEnXnytiv erweitern und die Theologen ihr
wohlgemeintes Wort anhören'. Wir theilen folche Freude
durchaus und wünfehten fie recht häufig zu geniefsen.
An Miodofiski's dankenswerther Arbeit aber haben wir
gerade nur das Eine auszufetzen, dafs er es zu fehr beim
oipufilo/.oyuv im engeren Sinne beladen hat.

Unftreitig ift die neue Textrecenfion (S. 56—-in)
denen von Härtel und Harnack vorzuziehen (vgl. Nr. 1
und 13 diefer Zeitung), das Vulgärlatein des Originals
ift mit Recht gegen den Codex D wiederhergeftellt, die
befte Handfchrift M noch einmal verglichen, dazu durch
fcharffinnige Conjecturen — Wölfflin's. Dombart's undMio-
dohski's — über die mangelhafte Tradition hinaus das
Urfprüngliche aufgefucht worden. So hilft Dombart
durch die Verbindung der Schlufsworte von Cap. 2
(nam ut constaret sqq.) mit dem § 1 von Cap. 3 zu einem
Satze fehr anfprechend über eine exegetifche Verlegenheit
hinweg, und ich zweifle nicht, dafs mit Miod. in c. 3
§ 4 est agens und in 10 § 2 peccat vir (ftatt peccatur,
peccator oder peceaverit vir der MSS.) zu lefen fein wird.

Andere Conjecturen Rheinen mir freilich nicht genügend
motivirt, fo die Streichung von ^Scabies1, und ,/ioc