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Ausgabe:

1889 Nr. 25

Spalte:

636-637

Autor/Hrsg.:

Quandt, Emil

Titel/Untertitel:

Die sieben pastoralen Sendschreiben der Offenbarung Johannis 1889

Rezensent:

Schnapp, F.

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Theologifche Literaturzeitung. 1889. Nr. 25.

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der ausgestreuten Körnlein danebenfällt?' (Sonft findet
fich in den Confirmationsreden nichts von deren anderwärts
häufigen Fehlern, z. B. zu starkem Hervorheben
der Perfönlichkeit des Geistlichen oder von Todesfällen
bezüglich der Confirmanden, oder der Unfchuld der
Kinder, oder der Verdorbenheit der Welt, in die fie nun
eintreten).

Obwohl wir in Abendmahlsreden keineswegs lange,
lehrhafte Auseinanderfetzungen über das Wefen der
Beichte, der Abfolution und des Sacramentes wünfchen;
obwohl wir fehr wohl wiffen, dafs auch darin zu viel
hervortretende Abficht nur verstimmt; obwohl endlich
die liturgifchen Formulare in diefer Beziehung das Nö-
thigfte bringen können, während Unterricht und Predigt
für ausführlichere Belehrung zu forgen haben: fo hätten
wir doch, befonders um dem kirchlichen Leben Entfremdeter
willen, manchmal über die Bedeutung jener
Handlungen einiges mehr gewünfcht.

Ebenfo hätten wir, wie das manchmal fehr gut ge-
fchieht, noch öfter über die kirchliche Stellung der Verstorbenen
, d. h. ihre Stellung zu Wort und Sacrament,
etwas zu hören gewünfcht. Einigemal erwartet man geradezu
ein Wort diefer Art, wenn fich über die Tüchtigkeit
im bürgerlichen Berufe und Familienleben fo eingehend
ausgefprochen wird (z. B. Nr. 10, 36, 37). Ueber
die religiöfe Stellung im Allgemeinen finden fich weit
öfter und recht gut Bemerkungen. Die Schwierigkeiten
unferer Forderung, fowie die fehr liebevolle Weife
Suppe's, Perfönlichkeiten darzustellen, verkennen wir
keineswegs, und eine weife Zurückhaltung fcheint auch
uns oft das Rechte. Aber in diefem Falle würden wir
auch fönst weniger über die Perfon als über den Text
reden.

Ueberhaupt werden nicht Alle in Cafualreden fo genau
auf die perfönlichen Verhältniffe eingehen dürfen,
wie Suppe. Wir finden es fehr anerkennenswerth, dafs
ein Geistlicher in einer grofsen Stadt fo genaue Kennt-
nifs vieler Perfonen hat. Wahrscheinlich und dann mit
Recht wurden vorzugsweife diejenigen Reden ausgewählt
, in denen auf Grund folcher Kenntnifs Anziehendes
über die Perfonen gefagt werden konnte. Indeffen
finden fich auch einige Reden, in welchen das Perfönliche
zurücktritt, dagegen im Anfchluffe an den Text die Erörterungen
fich allgemeiner halten, fo dafs auch für derartige
Reden treffliche Beifpiele vorliegen (z. B. Nr. 21
u. 24 der Traureden). Ueberhaupt werden diefe Reden
durch die Verfchiedenartigkeit der behandelten Fälle,
z. B. des Alters und Standes bei Beerdigungen, lehrreich.

Gern würden wir, wenn wir nicht den gestatteten
Raum zu überfchreiten fürchteten, noch andere Vorzüge
diefer Reden hervorheben, z. B. einige der häufigen befonders
zart oder fonft glücklich ausgedrückten Gedanken
anführen. Aber wir wagen nur noch die fehr gute,
durchaus nicht verletzende, mehr einer Entfchuldigung
als einer Anklage gleichende Art, in welcher in einigen
Leichenreden fchwächere Seiten angedeutet werden (vgl.
Nr. 21, 22, 26, 31), zu erwähnen, fowie die zwanglofe,
mannigfaltige, leicht übersichtliche Anlage und endlich
noch die verhältnifsmäfsige Kürze diefer doch an trefflichem
Inhalte reichen Reden. Nur die Confirmations-
und Befcheerungsreden dürften, nach den Verhältniffen
hier zu Lande gemeffen, etwas knapper fein.

Wenn wir nach alledem diefe Reden befonders
wegen ihrer glücklichen Texteswahl und Benutzung,
überhaupt wegen ihres fowohl dem positiven Chriften-
thum als den allgemein-menfchlichen Gefühlen volles
Recht gebenden Inhaltes in klarer, edler Form und wegen
ihres gefchickten liebevollen Eingehens in die perfönlichen
Verhältniffe auf das wärmste als Vorbilder empfehlen
, fo rathen wir im letzteren Punkte den Nachfolgern
Vorficht an. Das Wünfchens- und Erftrebenswerthe ift
gewifs, dafs der Geiftliche auch in diefem Stücke fo
reden kann wie Suppe, aber er unterlaffe es, wenn ihm

die fichere Kenntnifs fehlt oder wenn ihm fein Gewiffcn
bei unchriltlichen Leuten Zurückhaltung gebietet.

Friedberg. Diegel.

Kleinschmidt, f Pred. F. E., Der Brief an die Römer, erläutert
. Gütersloh, Bertelsmann, 1888. (IV, 189 S. 8.)
M. 2. —; geb. M. 2. 80.

Eine kurze erbauliche Erklärung des Römerbriefes,
vom Sohne des Verf.'s auf Wunfeh feines im Jahre 1882
verftorbenen Vaters herausgegeben. Die Betrachtungen
waren zunächst für einen Freundeskreis in Holland ge-
fchrieben. Daher ift es zu erklären, dafs die Paraphrafe
zwar durchweg fich an die lutherifche Bibelüberfetzung
anfchliefst, aber auch die holländifche Ueberfetzung mit
berückfichtigt. Zuweilen wird auch der Urtext herangezogen
, wie denn der Verf. überhaupt dem Römerbrief
ein wiffenfehaftliches Studium zugewandt hat. Exege-
tifche Controverfen werden jedoch nur feiten berührt
und wo es gefchieht, werden die verfchiedenen Anflehten
zumeift neben einander gestellt, ohne dafs eine bestimmte
Entfcheidung erfolgte. — Der Verf. war Prediger der
Brüdergemeinde, doch tritt fein Standpunkt nirgends
fchroff hervor, vielmehr zeigt fich überall eine wohl-
thuende Milde und Weitherzigkeit.

Viel Eigenartiges enthalten diefe Betrachtungen
nicht. Die Gedanken des Apoftels werden in populärer
Form umfehrieben, und wo es angeht, wird eine kurze
Anwendung auf die heutigen Verhältnifse gemacht. Man
wird es dem Verf. von feinem Standpunkt aus nicht verargen
, wenn er in Rom. 1, 3 f. die übernatürliche Geburt
Jefu gelehrt findet, oder wenn er S. 21 äufsert: ,Bei
menfchlichen Schriften fragt man fich beständig: Ift denn
das auch Wahrheit, was ich eben jetzt lefer Beim A. T.
aber wiffen wir: Alles ift Wahrheit, was es lehrt und
bekennt, die Schrift kann nicht gebrochen werden
(Joh. 10, 35)'. Bedenklicher fchon ift es, wenn er fich
in der Rolle eines Propheten verbucht S. 12: ,Diefelbe
Sünde (Unkeufchheit) wird auch den europäifchen Völkern
den Untergang bereiten, und der Leuchter wird
von ihrer Stätte weggerückt und, worauf uns der Gang
des Reiches Gottes und die heil. Schrift hinweift, wieder
nach Afien verfetzt werden'.

Doch find dergleichen Auslaffungen nicht häufig.
Die Betrachtungen werden in den Kreifen, für welche
fie gefchrieben find, gewifs nicht ohne fegensreiche Wirkung
bleiben.

Bonn. F. Schnapp.

Quandt, Superint. Dir. Emil, Die sieben pastoralen Sendschreiben
der Offenbarung Johannis. Für Amtsbrüder
ausgelegt. Wittenberg, Herrofe, 1888. (108 S. 8.)
M. 1. 80.

Die praktifche Auslegung eines biblifchen Schrift-
ftückes hat ihre befonderen Schwierigkeiten. Einmal ift
die rechte Grenze zwifchen der ftreng wiffenfehaftlichen
und der erbaulichen Erklärung fchwer inne zu halten,
und fodann liegt die Gefahr beftändig nahe, die hiftorifch
bedingte Form des Ausdrucks und Eigenart des Gedankens
zu verwifchen, um leichter eine Anwendung auf
die Gegenwart machen zu können.

Von beiden Einfeitigkeiten hat fich der Verf. nicht
freigehalten. Wozu die Auseinanderfetzungen über
Jezabel (2, 20), akXo ßaqoq (2, 24), über das jcequzactlv
iv ksvKOlg (3, 4) u. f. w., wenn es doch nicht angeht, die
gegentheilige Anficht genügend zurückzuweifen und die
eigene Meinung gehörig zu begründen? Hält man derartige
exegetifche Ausführungen für durchaus erforderlich
, fo bringe man fie in gelehrten Anmerkungen am
Schluffe des Buches.