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Ausgabe:

1889 Nr. 24

Spalte:

601-604

Autor/Hrsg.:

Widmann, Simon

Titel/Untertitel:

Eine Mainzer Presse der Reformationszeit im Dienste der katholischen Litteratur 1889

Rezensent:

Enders, Ernst Ludwig

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Theologifche Literaturzeitung. 1889. Nr. 24.

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theilweifc wenig wahrfcheinlich. So wird man fchwerlich
für nöthig gehalten haben, die fämmtlichen Werke
Brunos zu befchaffen und zu unterfuchen (S. 291), da
ja einige wenige vollkommen genügten, ihn der Ketzerei
zu überführen, und noch weniger wahrfcheinlich ift es,
dafs durch Disputationen Bellarmin's mit Bruno über

Lebensgefchichte des bekannten Gegners Luther's Joh.
Cochläus fich darin befinden, deffen naher Anverwandter
der hier behandelte Buchdrucker Franz Behem war, und infofern
es uns zeigt, mit welchen Schwierigkeiten Drucker und
Buchhändler, die ihr Gefchäft in den Dienft der katho-
lifchen Sache ftellten, damals zu kämpfen hatten.

deffen ,neue Ketzereien', insbefondere über das Coperni- j Von den äufseren Lebensumftänden Behem's felbft
canifche Syftem, der Procefs verlängert fein follte (S. j weifs der Verf. im Ganzen nur wenig zu berichten; feine
324). — Die allerdings ganz bodenlofe Anficht, Bruno ; Heimath war Meifsen, ,wie er felbft auf fpäteren Drucken
fei gar nicht verbrannt worden, erwähnt Berti nur mit angiebt' (in dem vom Verf. gegebenen Verzeichnifs

drei Zeilen (S. 329), das Buch des Jefuiten Previti (Th.
L.-Z. 18S7, Nr. 16) gar nicht. — Die Acten des Venetia-
nifchen und, foweit fie bekannt find, des Römifchen
Proceffes, die Notizen über Bruno's Aufenthalt in Genf
und Marburg und der Brief des Scioppius find S. 375—467
abgedruckt, die Avvisi über Bruno's Hinrichtung S. 329.

Die wichtigften Stücke aus diefen Documenten find
bekanntlich in dem Tübinger Programm von Chriftoph
Sigwart von 1880 mitgetheilt. Von dem 1881 erfchienenen
erften Bande feiner .Kleinen Schriften', in welchem eine
Umarbeitung diefes Programms fleht, hat Sigwart kurz
vor dem Erfcheinen der neuen Auflage des Buches von
Berti eine zweite Ausgabe veröffentlicht (Freiburg 1889).
Der vortreffliche Auffatz .Giordano Bruno vor dem Inqui-
litionsgericht' fleht darin S. 49—124. In einer Beilage,
S. 293—302, befpricht Sigwart die auch von Berti S.
18 u. f. erwähnten Noroff'fchen Manufcripte. Die S. 297
als demnächft erfcheinend angekündigte Abhandlung
darüber von W. Lutoslawski ift mittlerweile in dem Archiv
für Gefchichte der Philofophie, Band 2, S. 526 ff. erfchienen.

Eine neue Ausgabe der italienifchen Schriften Bruno's
hat bekanntlich P. deLagarde beforgt (vgl. Gött. Gel. Anz.
18S9 St.4). Eine Gefammtausgabe der lateinifchen Schriften
hat 1S79 im Auftrage der Regierung FVancesco Fiorentino
begonnen; er ift nach dem Erfcheinen des zweiten Bandes
geftorben; nach Berti S. 20. 358 wird aber die Arbeit
von feinen Schülern fortgefetzt werden. Die Veröffentlichung
weiterer Documente über den Römifchen Procefs
ift vorerft nicht zu erwarten. Dr. Güttier in München
hat, wie er im Deutfchen Merkur Nr. 32 mittheilt, 1882
durch die Vermittlung des verdorbenen Cardinais Franzelin
von dem Papfte die Zufage erhalten, es würden ihm alle
einfchlägigen Acten, wenn fleh folche im Archiv der
Inquifition fänden, mitgetheilt werden; der Archivar und
der Commiffar der Inquifition haben ihm aber erklärt,
aufser den von Berti veröffentlichten Stücken finde fleh
im Archiv der Inquifition und im Vaticanifchen Archiv
nichts über Bruno. Dazu ftimmt freilich nicht, was Previti
in dem oben erwähnten Buche fagt: ,Der Römifche
Procefs befindet fich im Archiv der Inquifition, wo nach
einer weifen päpftlichen Verordnung niemand geftattet
ift, Documente irgend welcher Art zu fehen, zu lefen,
gefchweige denn abzufchreiben. Ich wufste diefes, habe
aber gleichwohl um eine Vergünftigung gebeten, welche

Behem'fcher Drucke fuchte Ref. vergeblich darnach!),
Geburtsjahr und früheres Leben find unbekannt. Er
heirathete die Schweiler des Cochläus, welcher feit 1535
ein Canonicat in Meifsen begleitete. Bis zum Tode
Herzogs Georg von Sachfen fcheint er in einer Dresdener
Druckerei in untergeordneter Stellung thätig gewefen zu
fein, vielleicht um jene Zeit gerade die Abficht gehabt zu
haben, fich felbftändig zu etabliren, denn er hatte fich
fchon Typen angefchafift (vgl. die gleich anzuführende,
von Widm. überfehene Stelle). Da durchkreuzte die
Einführung der Reformation unter Herzog Heinrich die
Pläne des katholifch gefinnten Mannes. Zwar kann Ref.
hier der Widm.'fchen Anficht nicht beiftimmen, als ob
das Reformationsedict Herzog Heinrich's Behem zur
Auswanderung gezwungen, da diefer doch gewifs eine
zu unbedeutende und unbeachtete Perfönlichkeit war, um
bei längerem Bleiben für feine perfönliche Freiheit Gefahr
befürchten zu muffen. Auch darin fcheint ihn der
Verf. zu hoch zu werthen, wenn er S. 4 fagt: ,Hier (in
Mainz), an der Wiege der Druckkunft eine Preffe in
den Dienft der katholifchen Literatur [vom Verf.
felbft gefperrt!] zu Hellen, der Gedanke konnte recht wohl
dem Hirne des fpeculirenden Kaufmanns [!] entfpringen'.
Vielmehr verhält fich die Sache fo, dafs der fchreib-
felige Cochläus für den Druck feiner Schriften fich Sachfen
vcrfchloffen fah, und er nun den Plan fafste, in dem
katholifchen Mainz eine Druckerei in's Leben zu rufen,
welche ihm und der katholifchen Sache diene, und zu
diefem Zweck feinen Schwager kommen liefs, dem er,
als Canonicus zu St. Victor in Mainz, mancherlei Vortheile
bieten konnte, wie er ihm denn auch in der That
in einem dem Victorftift gehörigen Haufe Wohnung und
Werkftätte verfchaffte. Dafs es fich in Wirklichkeit fo
verhielt, ergiebt fich aus einer Widm. unbekannt gebliebenen
Stelle eines Briefes des D. Robertus Vancopius
Amarcanus aus Worms v. 26. Novb. 1540 an den Cardinal
Farnefius, worin er, nachdem er über den Mangel
an Druckern für katholifche Werke geklagt, alfo fortfährt:
yEvOcavÜ nuper umnn ex affiuibus suis Dom. Coc/tlaeus,
qui characteres integerrimos habet, fidelis est et in ea arte
expeditus, sed Iiis omnibus inopiam inimkam habet, et cum
reliquis neeessariis satisfiat, sumtui satisfacere non potest;
debebit plurimum Rev»<«t D. V. respubtica catholica, ae
etiam senptores fidei zelantissimi, si hunc typograplium

fo vielen anderen nicht gewahrt worden war' (S. 383). j (quem sufficientem et idoneum meus familians Dnus

,Zu glauben, dafs Bruno wirklich verbrannt worden ift, j fodoeus Hoestfilter Utbicensis Eeclesiae Praepositus nomine

beftimmt mich das Wort eines Mannes, der die Docu- Revmi Card. Moguntini in Iiis Comitüs Consiharius assenat)

mente in der Hand gehabt hat, welche fich im Archiv aut parte pecitmae, quae per Nuncium Poggium asportari

Erfolg

(S. 207). diefer Fürfprachc vernehmen wir übrigens nichts.

Hier in Mainz druckt nun Behem von 1540 an eine
Anzahl Werke, theils für eigenen Verlag, theils für andere
Verleger, fo für die beiden Kölner Firmen Quentel und

der Inquifition befinden, Documente, welche abzufchreiben 1 debet, aut aliqua quavis subventione juvari procurarit1
mir trotz aller Bemühungen nicht möglich gewefen ift, | (La e mm er, Monum. Vatic. p. 303). Von dem Erfolg
5. 207).

Bonn. F- H- Reufch.

Widmann. Dr. Simon, Eine Mainzer Presse der Reformations-

"lamdM"' 1 >z Birkmann, aber auch für einen Joh. Patruus, bibliofiol

zeit im Dienste der katholischen Litteratur. Ein Beitrag j p0Snaniensis. Diefer kommt auch in dem von R. Wackerow
Gefchichte des Buchhandels und der Litteratur ' nagel herausgegebenen Rechnungsbuch der BafelerBuch-
des 16. Jahrhunderts, auf Grund von bisher unbe- händler Froben und Episcopius vor als ,Patruus von Poffen'
kannten Briefen geliefert. Mit 2 Holzfchn. Paderborn, j oder J'ozen Ungarid. Widm. verwirft Wack.'s Ver-
r- u•• ■ xv, ,qq^ rvnr ,„ c „r <q m 7 m muthung, es fei hier die Stadt Pofega am Orylava in
F. Schon.ngh, 1889. (VIII, iii S. gr. 8.) M. 2. 40. ( slavon>n gemeint. mit Recht! aber ferne eigene Anfrcht

Für den Reformationshiftoriker liefert das Büchlein • dafs die polnifche Stadt Pofen gemeint fei. fcheint
einige Ausbeute, infofern mancherlei kleine Beiträge zur | ebenfowenig haltbar: fchon der Zufatz ,Ungaiid wider-

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