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Ausgabe:

1889 Nr. 23

Spalte:

582-585

Autor/Hrsg.:

Glogau, Gust.

Titel/Untertitel:

Abriss der philosophischen Grundwissenschaften 1889

Rezensent:

Besser, M.

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Theologifche Literaturzeitung. 1889. Nr. 23.

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wollen, fei aber durch Bugenhagen zu diefer Formulirung
beftimmt worden. Es ift fehr wohl möglich, dafs diefe
Machination Melanchthon's dazu beigetragen hat, dafs
man bei den Berathungen in Schmalkalden von einer
förmlichen Annahme der Artikel Luther's ganz abge-
fehen hat. Ich hebe weiter hervor die fcharfen Klagen
über Schnepf's die confeflionellen Gegenfatze fchärfendes
Auftreten in Württemberg S. 220 ff. Sodann die Mit-
theilungtn über das Leipziger Religionsgefpräch von
T539 & 53- ff. Ebenfo die intereffanten Berichte über
den Eindruck, den die Nachricht von Herzog Georg's
Tode auf Landgraf Philipp machte, wie _diefer jetzt

überzeugen von der Wahrheit feines Unheils: ,Es ift
ungefchichtlich, zu behaupten, die Freiheit des Gedankens
fei durch die Reformation zum Theil vernichtet worden.
Der Humanismus grub ihr felbft das Grab, und, wenn
die heutige Zeit in der freien Forfchung einen fchätzens-
werthen Befitz erblickt und fich ihrer freut, fo verdankt
fie dies der Reformation. Sie hat der Erkenntnifs die
Feffeln gelöft, dadurch, dafs fie ihre principielle, religiös-
fittliche Berechtigung, ja Nothwendigkeit erkannte und
nachwies'. Dem Verfaffer hat feine Arbeit über Pirkheimer
die erregte Polemik eines modernen Vertreters huma-
niftifcher Weltanfchauung in verfchiedenen Nürnberger

einen Handftreich Herzog Heinrich's von Wolfenbüttel j Blättern eingetragen. Diefer Vortrag ift die befte Antwort

befürchtet und fofort die Schmalkaldener Bundesgenoffen
zu militärifchen Rüftungen veranlalten will, vgl. S.607, 612.
Zu der Nachricht auf S. 559 von einem Gefchenk ,guten
Trinkweines', mit welchem die Strafsburger Luther ,aus
fonderer freundfchaft zu längerem ufendhalten feins alter
und leibs' beehren, wäre C. R. III, 648 zu vergleichen
gewefen. In dem forgfältig gearbeiteten Regifter ift mir
nur aufgefallen, dafs Joachim Camerarius als .Prediger
und Humanift' aufgeführt wird. Dem Herausgeber fei
herzlich gedankt für feine werthvolle Gabe.

Kiel. G. Kawerau.

darauf, indem er klar und unumwunden, und dazu im
Lichte der Gefchichte, die Gewiffensfrage ftellt: .Aefthe-
tifche oder religiöfe Weltanfchauung:'

Kiek Kawerau.

Drews. Pfr. Lic. P., Humanismus und Reformation. Vortrag,
auf der .Meifsner Konferenz in Zwickau geh. den 22. Juni
1S87. Leipzig, Grunow, 1887. (32 S. gr. 8.) M. —. 60.

Die Anzeige diefes Vortrages hat fich gegen meine
Abficht unliebfam verfpätet, aber ich hoffe, ein warmer,
empfehlender Hinweis auf die gedankenreichen und feinfinnigen
Ausführungen, die hier zu finden find, werden
auch jetzt noch, in fpäter Stunde, eine gute Stätte finden.
Dafs Lic. Drews fich mit gutem Verftändnifse an das
Studium des Humanismus und feiner geiftigen Phy-

fiognomie^gemacht hat.^davon hat er in feiner vortreff- j Um jedoch dem Verdacht zu begegnen, der von

Glogau, Prof. Dr. Guft., Abriss der philosophischen Grund-
Wissenschaften. 1. u. 2. Bd. Breslau, Koebner, 1SS0 u. 88.
(XXII, 397 u. XII, 477 S. gr. 8.) M. 20. —
Bei der gegenwärtigen Blüthe der Specialdisciplincn
und des wiffenfehaftlichen ,Alexandrinismus', der eine
unnatürliche Kluft zwifchen Wiffenfchaft und Leben aufrichtet
, athmet man frei auf beim Anblick einer geiftigen
Leiftung, die auf das Ganze geht und die nothwendigen
Baugerüfte nicht mit dem zu bauenden Haufe verwechfelt.
Unferem Verfaffer ift die Philofophie die Gefammtwiffen-
fchaft, die zugleich Weltwiffenfchaft fein will und Erhebung
zu Gott. Das ganze Werk ift ein Zeugnifs, dafs
trotz exaeter Naturwiffenfchaft und trotz engbrüftiger
Gefchichtsforfchung, die das Ganze der Gefchichte in
Bruchftücke einzelner Jahrhunderte zerfplittert, der wiffen-
fchaftliche Idealismus in unferem Volke noch nicht erlahmt
ift.

liehen Arbeit über W. Pirkheimer's Stellung zur Kcfor
mation, Leipzig 1887, den erfreulichften Beweis gegeben.
Der Gedanke, den er dort an einem Einzelbilde durchgeführt
hatte, von dem wefentlich äfthetifchen Charakter
der humaniftifchen Weltanfchauung und daher ihrem
Unvermögen, zu Luther's Reformation die rechte Stellung
zu finden, ift hier auf den Humanismus als Gefammt-
Erfcheinung angewendet. Und zwar thut dies Drews in
berechtigter Abwehr ebenfo fehr der ultramontanen
Neigung, Humanismus und Reformation in den genea-
loMfchen Zufammenhang von Mutter und Tochter zu
bringen, wie der Gefchichtsbetrachtung, wie fie heutigen
Tages von Anhängern einer humaniftifchen Weltanfchauung
vertreten wird, als fei die Reformation dem Humanismus
CTe^enüber ein Zurückfinken in die Anfchauungen
des Mittefalters, ein unerfreuliches Hemmnifs für die
Verwirklichung einer neuen glänzenden Culturftufe gewefen
Mit vollem Rechte macht er meines Erachtens
geltend dafs das Verhältnifs, in welches der Humanismus
zur Bibel und ihren Wahrheiten trat, im günftigften Falle
das der katholifchen Religiofität gewefen ift, nämlich
das einer Behandlung der Bibel als eines Moralcodex.

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vornherein dem idealiftifchen Philofophen in Erinnerung
an Sendling und Hegel droht, dafs er der concreten
Wirklichkeit abgewandt fich in leeren Speculationen ergehe
, mag zunächft ein gedrängter Ueberblick über den
Inhalt der beiden Bände folgen.

Dem Verf. ift die Wiffenfchaft die logifche Interpretation
des Lebens. Darum dürfen die Einzelwiffen-
fchaften nicht gegeneinander abgefperrt bleiben, fondern
fie müffen, wie es der einheitliche Zufammenhang des
Lebens fordert, fich zufammenfchliefsen zu einer Ge-
fammtwiffenfehaft, zur Philofophie. Dicfe empfängt die
thatfächlichen Elemente, die lie bearbeitet, fämmtlich aus
den Schatzkammern der concreten Wiffenfchaften und
ift demgemäfs ihrem letzten Zwecke nach regulativ,
nicht conftitutiv. Will aber die Philofophie alle concreten
Wiffenfchaften in einer einheitlichen Wiffenfchaft
gipfeln laffen, fo hat fie die Frage zu beantworten: wie
ein Wiffen von äufseren Gegenftänden mit denfelben
Erkenntnifsmitteln möglich fei, welche für ein Wiffen
vom fubjectiven Leben des Geiftes zureichen mögen;
oder in etwas veralteter Fällung: welches das Verhältnifs
von .Denken' und .Sein' ift und wie fich diefe hetero-

So fehr der Verfaffer die gefchichtliche Bedeutung des 1 genen Gebiete im Erkenntnifsproceffe begegnen können.
Humanismus zu fchätzen weifs, fo nöthigt ihn doch die Die mit diefer Aufgabe gebotene Kritik des Erkenntnifs-

Tendenz feiner Arbeit, hier befonders die Schwächen,
welche diefer ganzen Richtung anhafteten, in fcharfe
Beleuchtung zu bringen. Es wird fich mancher darüber
entrüften wenn dem Humanismus hier nicht einmal das
Verdienft ungefchmälert bleibt, der fiegesgewiffe, charaktervolle
Vertreter und Bürge freier Forfchung gewefen zu

Vermögens foll zeigen, dafs die Coordination jener beiden
Gebiete nach der hergebrachten (und von der Naturwiffenfchaft
feftgehaltenen) Anfchauungsweife in der That
nicht zu halten fei, fondern dafs die Lehre vom Ge-
genftande einer Umbildung im Kantifchen Sinne
bedürfe. In der Stellung der Aufgabe folgt der Verf

fein; aber nicht allein die Beifpiele haltlofer Unter- 1 mithin Kantifchen Spuren, in der Ausführung aber
würfigkeit unter fremde Autorität, wie fie die Lebens- ! weicht er von Kant ab, fofem feine Auffaffung nicht
gefchichte des Erasmus in erfchreckender Deutlichkeit ontifch, fondern genetifch ift. Es gelte nicht blofs das
bietet, fondern auch die Beleuchtung der hier in Betracht .Nothwendige und Allgemeine', nämlich Ethik Mathe
kommenden Principien, wie fie der Verfaffer unternimmt, matik und Naturwiffenfchaft auf die Bedingungen feiner