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Ausgabe:

1889 Nr. 2

Spalte:

579-581

Autor/Hrsg.:

Winckelmann, Otto

Titel/Untertitel:

Politische Correspondenz der Stadt Strassburg im Zeitalter der Reformation. 2. Bd. 1531-1539 1889

Rezensent:

Kawerau, Gustav

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579

Theologifche Literaturzeitung. 1889. Nr. 23.

welche Cambridger Theologen dem ehrwürdigen Ver-
faffer zum 85. Geburtstage gewidmet haben1). Konnten
wir feinem Urtheile über den Werth der hier befchriebenen
Handfchrift auch nicht durchaus zuftimmen, fo find wir
ihm doch für diefe neue, in der äufseren Ausftattung
fowohl als inhaltlich elegante und gefchmackvolle Gabe
zu Dank verpflichtet.

Berlin. O. von Gebhardt.

Anm. Obwohl die dritte der oben befprochenen Publicationen fchon
in Nr. 21 der Litztg. zur Anzeige gekommen ift, glaubten wir doch auch
die obige, uns fpäter eingefandte Befprechung noch zum Abdruck bringen
zu follen, da in der früheren Anzeige auf den Text der Handfchrift nicht
näher eingegangen war. Die Redaction.

Winckelmann, Otto, Politische Correspondenz der Stadt
Strassburg im Zeitalter der Reformation. 2. Bd. 1531—1539-
[Urkunden und Akten der Stadt Strafsburg. 2. Abth.
2. Bd.] Strafsburg, Trübner, 1887. (XXXI, 736 S. Lex.-8.)
M. 18. —

Den erften Band des wichtigen Urkundenwerkes hatte
1882 Dr. Hans Virck bearbeitet (vergl. Theol. Lit.-Zeit.
1883, Nr. 4). Nachdem diefer in andere Thätigkeit berufen
worden ift, ift nach längerer Paufe 1887 der zweite
Band in Bearbeitung von O. Winckelmann ausgegangen 2).
Es ift ein umfängliches Material, das der Fleifs des neuen
Bearbeiters hier aus den Archiven Strafsburgs, fowie
befonders aus dem Staatsarchiv zu Marburg und dem
Stadtarchiv zu Ulm herbeigefchafft hat. Und aufs neue
treten uns aus diefer Fülle von Documenten die Bedeutung
und die Verdienfte Strafsburgs im Reformationszeitalter
glänzend entgegen. Man mufs dem Herausgeber
beiftimmen, wenn er unter dem unmittelbaren Eindruck
der gewaltigen politifchen Thätigkeit, wie fie Strafsburg
während der Blüthezeit des fchmalkaldifchen Bundes entwickelt
hat, freudig ausruft: ,Es war die politifch glanz-
vollfte Epoche feiner Gefchichte'. Sind auch im Ganzen
die Editionsprincipien die gleichen geblieben wie bei
Band 1, fo find doch einige dankenswerthe Neuerungen
hervorzuheben. Die gruppenweife Anordnung der Urkunden
nach gewiffen Materien und Vorgängen ifl im
allgemeinen aufgegeben; für die Hauptmaffe des Stoffes
ift rein das chronologifche Princip angewendet. Nur in
zwei Fällen ift eine Ausnahme gemacht. Am Schluffe
find nämlich zunächft alle Correfpondenzen fachlich zu-
fammengearbeitet, welche fich auf Strafsburgs Conflicte
mit feinem Bifchof aus Anlafs der Reformation beziehen.
Desgleichen find aus der Hauptmaffe ausgefchieden und

in befonderem Referate verarbeitet alle auf die Witten- [ burgifche Confeffion fei zunächft nur als ,religiöfe Bundes

Der Herausgeber hat eine längere Einleitung voraus-
gefchickt, in welcher er über den Werth und die Bedeutung
der neu erfchloffenen Urkunden zufammen-
hängend berichtet. Er regiftrirt hier für die einzelnen
Ereignifse jener Jahre den Gewinn, den die Gefchichts-
forfchung aus diefen Correfpondenzen ziehen könne, hebt
die neuen Erkenntnifse hervor, die hier erfchloffen find.
Der Recenfent würde daher diefe Einleitung ausfchreiben
müffen, wenn er feinerfeits im Einzelnen über den Ertrag,
den diefer Urkundenband der Reformationsgefchichte
bietet, referiren wollte. Es mag daher genügen, unter
Hinweis auf diefe Einleitung hier zunächft nur dem allgemeinen
Eindruck Worte zu geben, den der Einblick
in diefe Correfpondenzen hervorruft. Es ift der Eindruck
von der Tüchtigkeit und Energie, dem politifchen Weitblick
wie der Entfchiedenheit fürs Evangelium, die in
Strafsburgs Mauern unter der geiffigen Führung von
Männern wie Jakob Sturm und Martin Buzer zur Entfaltung
kommen, dafs man feine helle Freude daran hat.
Nicht allein, dafs Strafsburg in Bezug auf die evange-
lifchen Gemeinden im Süden in Verforgung mit Predigern
und in mafsgebendem Einfiufs auf die Geftaltung der
kirchlichen Dinge fich eine ähnliche dominirende Stellung
verfchafft hat wie Wittenberg mit feinem Luther und
Melanchthon für das norddeutfche Kirchengebiet, fondern
was für ein politifcher Weitblick zeigt fich auch hier,
wie wird hier die Sache des Proteftantismus unter grofse
Gefichtspunkte gebracht, fo gar nicht nach den engen
Erwägungen einer Kirchthurmspolitik gemeffen! Und was
find es für charakteriflifche Antipoden, der Kurfürft von
Sachfen mit feinem grundehrlichen, aber zugleich fo engen
und kleinlichen Confeffionalismus, und Strafsburg mit
feinem ausgeprägten Sinne für eine grofse, weitherzige,
weitausfchauende politifche Behandlung der Zeitfragen!
Kein Wunder, dafs Strafsburg und Landgraf Philipp fobald
fich fanden und fo viel gemeinfame Sache gemacht haben.
Man verfteht aber auch, wie in der Strafsburger Luft
gerade eines Sleidan Reformationsgefchichte hat reifen
können. Nur einige wenige Stücke aus dem reichen Inhalt
feien hervorgehoben. Eine Prachtfcene wird uns S. 117,
118 vorgeführt in einer Unterredung Jakob Sturm's mit
Cardinal Albrecht; letzterer verfucht in Schweinfurt den
Strafsburger feinen Verdrufs darüber fühlen zu laffen,
dafs feine Stadt kurz entfchloffen der Augsburgifchen
Confeffion beigetreten ift; aber jeder Anlauf, den er
nimmt, um Sturm in Verlegenheit zu bringen, wird mit
fo überlegener Geiftesgegenwart zurückgefchlagen, dafs
Albrecht den Verdrufs und den Spott noch dazu davonträgt
. — Wenn neuerdings betont worden ift, die Augs-

berger Concordie bezüglichen Documente. Diefe zweite
Beilage erweckt in viel höherem Mafse das Intereffe des
Theologen als die erfte. Es fei hier gleich hervorgehoben
, dafs Winckelmann fein Referat verftändigerweife
an die neuefte, treffliche Darftellung anlehnt, welche jene

Urkunde' der Schmalkaldener, noch nicht als das ,Lehr-
gefetz' der lutherifchen Landeskirchen angefehen worden,
nach aufsen verwerthet worden, höchft feiten dagegen
nach innen, fo wird doch auf den hier S. 321 ff. publi-
cirten ,Abfchied der Einigungsverwandten zu Schmal-

Verhandlungen durch Theodor Kolde in Herzog's Real- kaiden' vom 24. Dec. 1535 verwiefen werden dürfen, in

Encyklopädie2 XVII gefunden haben. Befonders für die
Stellung einzelner füddeutfcher Städte zum Concordie-
Werk werden, neben fonftigen kleinen Berichtigungen,
durch die Strafsburger Acten werthvolle Auffchluffe geboten
. — Hat der Herausgeber im Uebrigen rein das
chronologifche Princip angewendet, fo hat er doch dafür
Sorge getragen, dafs fachlich Zufammengehöriges auch

welchem allen dem Bunde neu Beitretenden folgende
Bedingung geftellt wird: ,dafs fie dem heilwerthigen
Gotteswort und Evangelium anhängig, demfelben und
der reinen Lehre unferer Confeffion, zu Augsburg kaifer-
licher Maj. und allen Ständen des Reiches übergeben,
in ihren Landen und Gebieten gleichförmig
lehren und predigen laffen, auch darob feftiglich

leicht zufammengeftellt werden kann, indem er in Mar- halten follen und wollen'. Das heifst doch wohl für
ginal-Noten forgfältige Verweifungen auf frühere Acten | Jen ganzen fchmalkaldener Bund die Bundesurkunde zugleicher
Materie gegeben hat. Dadurch ift die Orientirung j gleich als Lehrgefetz proclamiren.— Von grofsem Intereffe
unter den 664 Urkundennummern erheblich erleichtert. < ift auch der auf S. 430 mitgetheilte Brief Landgraf Philipp's
Aber noch einer werthvollen Zugabe mufs gedacht werden. j an jakob Sturm über Luther's fchmalkaldifche Artikel.

Wir erfahren hier, dafs derfelbe Melanchthon, der diefen

1) Ein Verteilen bemerkten wir nur S. 20, wo die Lesart Atyst avroTg. Artikeln fejn appnbo llt pios et ckristianOS' gegeben
bt& Ml nme Mt 26, 71 »nter denjenigen aufgeführt ,ft, welche in ^ ^ Luther4 Rücken den Artikel vom
anderen Handfchnften nicht nachgewiefen lmd. * , , . t 1 r , ■ ^ ja

2) Dem Referenten ift erft vor einigen Wochen der Auftrag zuge- Abendmahle dem Landgrafen denuncirte unter der An-
gangen, jetzt noch über diefe Publication Bericht zu erftatten. gäbe, Luther felbft habe ihn gar nicht io Ichart lallen