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Ausgabe:

1889

Spalte:

573

Autor/Hrsg.:

Jacobs, Jos.

Titel/Untertitel:

Are there Totem-Clans in the Old Testaement? 1889

Rezensent:

Schwally, Friedrich

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574

intereffante Auffatz von Prof. Franz Delitzich, welcher
der Unterfuchung vorgedruckt ift. Er fucht die Beweggründe
zu erkennen, von welchen der Urheber der jetzigen
maf. Ordnung der Weisfagungen geleitet wurde, als er
die urfprüngliche Ordnung verliefs und die chronologifchen
und fachlichen Zufammenhänge zerrifs. Referent kann
lieh im Uebrigen nur dem fehr anerkennenden Urtheile
anfchliefsen, welches Delitzfch am Schluffe diefes Auf-
fatzes über die Arbeit des Verf.'s ausfpricht. Er bemerkt
dabei auch, dafs der Verf. hier und da zu günftig über
die LXX urtheilt, dafs aber dies nur das Ergebnifs der
liebevollen Hingabe ift, mit welcher er fich in dem
Studium des alexandrinifchen Textes verzehrt hat.

Bielefeld. Joh. Hollenberg.

Jacobs, Jos., Are there Totem-Clans in the Old Testament?

(The Archaeological Review, Vol. III, Nr. 3.) London,
Nutt, 1S89. (S. 145—164. gr. 8.) 2 s. 6d.

Schon Mc Lennan vermuthete in einem Auffatze der
Fortnightly Review von 1870, dafs auch die Ifraeliten
durch die Stufe des Totemismus oder Thierahnencultus
hindurchgegangen feien. Aber erft zehn Jahre fpäter unternahm
es W.R.Smith, jene Vermuthung zu begründen, indem
er im neunten Bande des Journalof Philology den Artikel
Jimmal Worship and Aniinal Tribes among the Old Arabs
and in the Old Testament1 veröffentlichte. Seine fcharf-
finnige und geiftreiche Beweisführung hatte zur Folge,
dafs eine Reihe der namhafteften Gelehrten auf feine
Seite traten. In den letzten Jahren ift indeffen wieder
eine Ernüchterung eingetreten. Befonders für das arabifche
Alterthum wird der Totemismus von den beften Kennern,
Nöldeke und Wellhaufen, mit gutem Rechte geleugnet.

Herr Jacobs unterzieht jene Hypothefe in Bezug auf
die ifraelitifche Religionsgefchichte einer fehr forgfältigen
und befonnenen Kritik. Er kommt dabei zu der Anficht,
dafs nicht nur die Namen der edomitifchen, fondern
auch der ifraelitifchen Stämme, ferner die Speifeverbote,
gewiffe Perfonennamen, Familienfchmäufe möglicherweife
auf ehemals vorhandenen Totemismus fchliefsen
liefsen. dafs jedoch von einer lebendigen Exiftenz des-
felben in hiftorifcher Zeit nicht die Rede fein könne. —

Zu einer ausführlichen Auseinanderfetzung mit dem
Herrn Verfaffer kann felbltverftändlich hier nicht der Ort
fein. Ich will deshalb nur an einem Punkte meine Bedenken
geltend machen, den ich für den fchwächften
der ganzen Arbeit halte. Es heifst unter VI. Blood Feud:
, To conclude our investigation, we must consider the practica
! side of the totem-clan Organisation. The Utility of
this arrangement in ancient times was, that a man would
find almost everywhere he went (von mir gefperrt)
kinsfolk who would take Iiis part in any quarret, avenge
Iiis death, and support Iiis children tf he where killed.
A tribe composed of families made up of totem-clans
could not be dissolved, since in each family there zuould
be members of the different clans'. Hier müfste doch ge-
fagt fein, dafs dies nur eine Möglichkeit der Erklärung
irl und dafs diefe Möglichkeit fehr unwahrscheinlich ift.
Denn diefelbe fetzt einen Verkehr der Stämme unter
einander voraus, der nach allen Analogien niemals beftand.
Es liegt viel näher, die Inftitution des jUj*c» oder
zur Erklärung heranzuziehen, über die J. L. Burckhardt an
irgend einem Orte gehandelt hat.

Darmftadt. Friedr. Schwally.

r. Batiffol. Prötre Pierre, Les manuscrits Grecs de Berat
d'AIbanie et le Codex Purpureus <P. Extrait des Archives
des missions scientifiques et litteraires, troisieme Serie,
— tome treizieme. Paris, Imprimerie nationale, 1886.
126 S. 1 Taf. gr. 8.)

2. Omont, M. H., Notice sur un tres ancien manuscrit Grec

en onciales des epitres de Saint Paul, conserve ä la
bibliotheque nationale (H ad epistulas Pauli). Extrait
des Notices et extraits des manuscrits de la bibliotheque
nationale, etc. Tome XXXIII, ire partie. Paris,
Imprimerie nationale, 1889. (56 S., 2 Taf. gr. 4.)

3. Reuss, Ed., Notitia codicis quattuor evangeliorum Graeci
membranacei viris doctis hueusque ignoti quem in
museo suo asservat E. R. Cantabrigiae, typis aca-
demicis exeudebant C. J. Clay A. M. et filii, (1889).
(24 S. kl. 4.)

1. Nicht lange nachdem Ref. in diefer Zeitung (Jahrg.
1885, Col. 601 ff.) eine vorläufige Mittheilung Batiffol's
über den Codex Bcratinus angezeigt hatte, erfchien in
den Archives des missions scientifiques et litteraires die
vollftändige Ausgabe des Textes, und fchon damals ging
dem Unterzeichneten ein Recenfionsexemplar zu. Hatte
die vorläufige Mittheilung die Erwartungen ziemlich hoch
gefpannt, fo bereitete das abfchliefsende Werk eine um
fo herbere Enttäufchung. Hiermit bittet Ref. es zu ent-
fchuldigen, dafs er fo lange gezögert hat. fich der unter
diefen Umftänden wenig lockenden Anzeigepflicht zu
entledigen.

Zu der Ueberfchätzung des Cod. Berat., welche ziemlich
verbreitet zu fein Scheint, hat vielleicht die Eingangs
erwähnte Anzeige infofern mit beigetragen, als Ref. dort,
unter dem Eindruck einiger ausgewählten Stellen, der
Handfchrift einen hohen textgefchichtlichen Werth beilegen
zu dürfen glaubte. Jetzt, wo der Text vollfländig
vorliegt, erfcheinen jene Stellen gleichfam wie Oafen in
einer Wüfte, welche des Intereffanten und Merkwürdigen
ausserordentlich wenig bietet. Schon die lange Reihe
der dem Berat, eigenthümlichen Lesarten (S. 26 ff.) ift
wenig geeignet, ein günftiges Vorurtheil für denfelben
zu erwecken; denn, abgefehen von Flüchtigkeits- und
Schreibfehlern, erklären lieh jene allermeist aus der Eintragung
von Worten und Wendungen des einen Evangeliums
in den Text des anderen. Allerdings ift dies eine
Erfcheinung, welcher wir in der Textesgefchichte fehr
früh begegnen: fchon die Itala und der Cureton'fche
Syrer find bekanntlich voll davon. Man follte fich aber
wohl hüten, Solchem Zufammentreffen einen entscheidenden
Einflufs auf die Beftimmung des Verwandtschaftsverhältnisses
nach diefer oder jener Seite hin zu geftatten1).
Die Thatfache allein, dafs in bunteflem Wechfel, in der
einen Handfchrift hier, in der anderen dort, in der einen
Stärker, in der anderen Schwächer der Einflufs der Parallelen
fich geltend macht, müfste davor bewahren. Prüfen
wir unter diefem Gesichtspunkte die Belege, welche der
Herausgeber zum Erweife des von ihm im Cod. Berat.
gefundenen occidentalifchen Elementes beigebracht hat,
fo werden wir zu einem wefentlich abweichenden Urtheile
gelangen. Auf eine vollftändige Zufammenftellung aller
hierher gehörigen Lesarten hat B. verzichtet. Um fo mehr
dürfen wir uns an die angeführten halten, welche uns
als die markantesten bezeichnet werden, und welche
wefentlich zu vermehren oder durch entscheidendere zu
erfetzen Schwerlich gelingen dürfte. Von den angeführten
29 Lesarten fallen aber nicht weniger als 21 in
die bezeichnete Kategorie, und nur eine einzige befindet
fich darunter, welche befonderer Aufmerkfamkeit Werth
ift, nämlich der längere Zufatz hinter Mt 20, 28.-' Denn
diefer Zufatz ift nicht einfach aus Lc 14, 7 ff. herübergenommen
, fondern weift auf eine andere Quelle. Aber
derfelbe Zufatz findet fich nicht nur in D und den

1) Ref. felbft ift vor zehn Jahren beinahe in diefen Fehler verfallen,
vgl. Evangeliorum Codex Graecus Purpureus Rossanensis. Seine Entdeckung
u. f. w. dargeftellt von O. v. Gebhardt u. Ad. Harnack Leipzie
1880, S. XX. v 61

2) Zu beachten ift außerdem nur etwa noch das (irxi Mt 14 2,
welches nicht aus Mc 6, 16 flammt.