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Ausgabe:

1889 Nr. 23

Spalte:

571-573

Autor/Hrsg.:

Workman, George Coulson

Titel/Untertitel:

The text of Jeriah 1889

Rezensent:

Hollenberg, Joh.

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Theologifche Literaturzeitung. 1889. Nr. 23.

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LXX mit Varianten der übrigen Verfionen am Rande.
Cod. 29 enthält Fragmente des Demofthenes aus dem
12. Jahrh. Beim Cod. 35 find die Spuren der älteren
Schrift dermafsen verwifcht, dafs der Verf. des Katalogs
nichts zu entziffern vermochte. Cod. 46 endlich enthält
Fragmente eines liturgifchen Buches aus dem 12. Jahrhundert
.

Nach einer Bemerkung im Vorworte war das Manu-
fcript des vorliegenden Bandes fchon im Jahre 1882 vollendet
. In die Zwifchenzeit fällt die Bearbeitung und der
Druck des Kataloges der Codices Palatini. Da letzterer
bereits im Jahre 1886 erfchien, fo ift man begierig zu
erfahren, wie weit die Arbeit feitdem fortgefchritten ift,
und welche Abtheilung wir demnächft zu erwarten haben.
Hierüber jedoch fchweigt das Vorwort, und aus einer
Notiz auf der Rückfeite des Umichlages geht nur foviel
hervor, dafs ein weiterer Band des Kataloges der griechi-
fchen Hff. fich noch nicht unter der Preffe befindet.
Möchte die hiernach naheliegende Befürchtung, dafs eine
Stockung in der Arbeit eingetreten, fich bald als ungegründet
erweifen.

Berlin. O. von Gebhardt.

Work man, Prof. George Coulson, M. A., The text of
Jeremiah; or, a critical investigation of the Greek
and Hebrew, with the variations in the LXX. retrans-
lated into the original and explained. With an intro-
ductory notice by Prof. Franz Delitzfch, D.D. Edinburgh
, T.&T. Clark, 1889. (Leipzig, Hinrichs.) (XLIV,
398 S. gr. 8.) geb. M. 9. -

Der Verfaffer, Profeffor der altteftamentlichen Exe-
gefe zu Cobourg in Canada, hat durch das vorliegende
Werk den altteftamentlichen Studien einen grofsen Dienft
erwiefen. Er will zeigen, dafs im Jeremias die Abweichungen
der LXX vom maforethifchen Text weder
der Willkür und Unwiffenheit der Ueberfetzer, noch der
Nachläffigkeit und Gleichgültigkeit der Abfchreiber ihren
Urfprung verdanken, fondern einer befonderen Text-
recenfion zuzufchreiben find. Unter dem Einflufs des
ziemlich oberflächlich begründeten Urtheils von Graf (in
feinem fonft fehr gründlichen Commentar zu Jeremias)
war trotz der Bleek'fchen Unterfuchung eine Geringfehätzung
des LXX-Textes bei uns herrfchend geworden.
Daher war eine erneute gründliche Unterfuchung diefer
Frage (auch nach Scholz und Kühl) ein entfehiedenes
Bedürfnifs. Am werthvollften für die Exegefe ift ohne
Zweifel S. 282—398 des Werkes. Der Verf. bietet hier
in der Spalte links eine Rücküberfetzung fämmtlicher
Stellen des Propheten, in welchen die LXX abweichen,
und in der Spalte rechts den entfprechenden maf. Text,
wobei er die abweichenden Worte auf beiden Seiten
möglichft vocalifirt. Noch erwünfehter wäre es gewefen,
wenn er den Text ganz abgedruckt hätte. Der Verf.,
welcher von feiner 3' Jährigen mühfamen Arbeit mit
grofser Befcheidenheit fpricht, ift fich wohl bewufst, dafs
eine folche Rücküberfetzung immer etwas Unficheres hat,
und dafs man über den Wortlaut, welchen das hebr.
Original des Ueberf. gehabt hat, oft anders urtheilen
kann. Ueberall aber verdienen die mit guter Kenntnifs
des hebr. Sprachgebrauchs und mit Sorgfalt gemachten
Annahmen des Verf.'s die eingehendfte Erwägung. Leider
hat er zwifchen diefer Ueberficht und feinen beweifenden
Ausführungen, die als Commentar zu ihr nöthig find,
keinen Zufammenhang hergeftellt, fo dafs man fich oft
die Beweggründe, die ihn bei feiner Ueberfetzung geleitet j
haben, mit Mühe zufammenfuchen mufs. Zwei Bedenken I
kann ich jedoch gegen die Arbeit nicht unterdrücken.
Der Verf. legt Tifchendorf's Abdruck der Sixtina zu
Grunde und lehnt die Unterfuchung der Befchaffenheit
des griechifchen Textes, obwohl er feine Unficherheit
wohl kennt, ausdrücklich als nicht zu feiner Aufgabe

gehörig und noch nicht möglich ab. Aber wenn eine
fichere Conftituirung desfelben auch noch unmöglich in,
fo find doch Annäherungen an ihn auch fchon mit
unferen Mitteln zu erreichen. Die Arbeit des Verf.'s
bedarf alfo nach diefer Richtung eine entfehiedene Ergänzung
, und man wird fich diefe Sachlage bei der
Benutzung des verdienftvollen Werkes ftets gegenwärtig
halten müffen, wenn man nicht zu einem falfchen Urtheil
über das Original der LXX gelangen will. So kann es
doch z. B. kaum zweifelhaft fein, dafs in 9, 21 (Citat
nach dem hebr. Text) nicht eoovcai, fondern neaoivi-ui
zu lefen ift, alfo nicht ^n* als Original anzunehmen ift;
34, 5 ift nicht exXavaav und y.Xavoovtai, fondern exavauv
und v.avOovai, 38, 22 nicht v.accdcoouoi, fondern v.uru-
dvamoL zu lefen (fo Geret); auch 51, 27 ift ßaailtig agazs
nicht "m~T D^bba zu überfetzen, fondern griechifche Ver-
derbnifs für ßuaiXeiug Agagux infolge des vorhergehenden
ügaxe = ttfip. 11, 16 ift wahrfcheinlich doppelte Ueberfetzung
. Aehnliche Fälle werden fich bei genauerer
Prüfung des Einzelnen, die mir jetzt nicht möglich ift,
vermuthlich noch öfters finden. Zweitens hat der Verf.
ein zu günftiges Vorurtheil für das Wiffen der Ueberfetzer
. Er beftreitet mit vollem Recht, dafs fie willkürlich
und nachläffig gewefen find, aber er macht fie
mit Unrecht zu gründlichen Kennern des Hebräifchen.
Für eine wiffenfehaftliche Erfaffung der Sprache fehlten
ja alle Vorbedingungen und die Tradition war unficher.
Man wird viel häufiger, als der Verf. thut, annehmen
müffen, dafs den Ueberfetzern kein anderer Text vorlag,
fondern dafs fie fich fo gut zu helfen fuchten, als fie
konnten. Sicherlich falfch ift es z. B., für die Ueberfetzung
von mny 52, 8 durch neguv bei den LXX die
Lesart ~i23i? (nT"üyz:) vorauszufetzen. Jofua 5, 10 findet fich
diefelbe Ueberfetzung in einer Dublette. Auch der Ueberfetzer
von Numeri, Jofua, Arnos überfetzt das Wort
wiederholt falfch. Es mufs alfo feine Bedeutung ziemlich
unbekannt gewesen fein. So ift denn die Rücküberfetzung
des Verf.'s mit Vorficht zu gebrauchen, dann
aber ift fie von grofsem Nutzen.

Die Unterfuchung felbft betrachtet nacheinander Weg-
laffungen, Zufätze, Umstellungen von Wörtern, Buchstaben
und Abfchnitten, Aenderungen von Modus, Tempus etc.,
Substitutionen von Redetheilen u. f. w. (Diefe Ausdrücke
find natürlich im Sinne der Gegner vom Standpunkte
des maf. Textes gemeint; er felbft hält die Abweichungen
nicht dafür.) Der Verf. widerlegt hier mit fehr klaren
und zum Theil fchlagenden Beifpielen die Vorwürfe Grafs
und anderer. Er erörtert dann pofitiv den Grund der
Abweichungen und, nachdem er dann den Charakter der
Ueberfetzung dargelegt hat, fafst er die Ergebnifse feiner
Unterfuchung zufammen, wobei er feine Anflehten über
die altteftamentliche Textgefchichte entwickelt. Die Art
feiner Unterfuchung ift für unferen Gefchmack vielfach
zu breit und zum Theil in Folge der Anordnung nicht
frei von Wiederholungen. Aber mit den oben gemachten
Einfchränkungen ift dem Verf. der Beweis für feine Behauptungen
durchaus gelungen, befonders zeigt er ge-
fchickt die grössere Urfprünglichkeit der Anordnung bei
den LXX. Sehr gut weift er z. B. S. 126 nach, dafs
10, 5 das Mehr des maf. Textes fpäterer Einfchub ift.
Auch die Tabellen befonders S. 133. 175—181. 194 fr.
find für den Kritiker von grofsem Werth, wenn man
auch hier zu manchem ein Fragezeichen machen mufs.
Uebrigens leugnet der Verf. durchaus nicht, dafs im
allgemeinen der maf. Text beffer ift als das Original
der LXX, und dafs der Ueberfetzer in Folge des mangelhaften
Zuftandes feiner Vorlage viele Mifsgriffe gemacht
hat; um fo entfehiedener kann er aber dann betonen,
dafs jener an zahlreichen Stellen der Verbefferung durch
die LXX bedarf. Natürlich gelingt es ihm nur theilweife,
die Entstehung der Abweichungen in der maf. Recenfion
zu erklären. Plier bleibt noch viel Arbeit für die Zukunft
übrig. Einem Theile diefer Aufgabe widmet fich der