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Ausgabe:

1889 Nr. 22

Spalte:

555-556

Autor/Hrsg.:

Röhricht, Rhold.

Titel/Untertitel:

Deutsche Pilgerreisen nach dem heiligen Lande 1889

Rezensent:

Furrer, Konrad

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Theologifche Literaturzeitung. 1889. Nr. 22.

556

Joniton (Jonaton, Jonton, Jonitus) erfcheint urfpr.
blofs in der orientalifchen Verfion der ibg. Adamliteratur
als der vierte Sohn Noah's. Ihm wird die Kenntnifs der
Aflronomie, Aftrologie und Mantik zugefchrieben. Er
wird als Lehrer des Nimrod angefehen und erfcheint
demnach in Hinficht auf die Vergangenheit als Gründer
der altbabylonifchen Religion wie des Magierthums, in
Hinficht auf die Gegenwart als Vater der fabifchen, raan-
däifchen und elkefaitifchen Mifchreligion. Wenn im
,Buche der Erkenntnifs der Wahrheit' Hormizd als Name
der Gottheit erfcheint, im ,Buch der Biene' Zarathuftra
als Prophet auf Chriftum, der von ihm fagt: ,Ich bin er
und er ifl ich. Er ift in mir und ich in ihm', wenn in der
Schatzhöhle von Nimrod bei Anlafs des Jonton erwähnt
wird, dafs er lieh im Meere wufch, und bei Methodius
Jonitus das Horofkop ftellt, fo ift unverkennbar, dafs die
Sage von Joniton fabifchen Kreifen entflammt. Woher
der Name urfprünglich herkommt, vermag ich nicht zu
fagen; wahrfcheinlich fteckt ein perfifcher (Götter-)Name
darin.

Riehen-Bafel. L. E. Ifelin, Pfarrer.

Röhricht, Rhold., Deutsche Pilgerreisen nach dem heiligen
Lande. Gotha, F. A. Perthes, 1889. (XI, 352 S. gr. 8.)
M. 6. —

R. Röhricht, dem es an Kenntnifs der Gefchichte
der deutfehen Pilgerreifen nach dem h. Land wohl kein
Zweiter gleichthun wird, giebt uns in der vorliegenden
Schrift eine das 14—17. Jahrhundert umfaffende Dar-
flellung des Pilgerwefens. In kurze Worte drängt er
dabei die reichlte Pulle concreter Anfchauung zufammen.
Darauf läfst er Text und Melodie einiger vielgefungener
und einft weithin berühmter Pilgerlieder folgen. Die
Hauptarbeit aber befteht in einem Pilgerverzeichnifs vom
Jahr 1300—1699. Mit bewunderungswürdigem Eleifs hat
der Verfaffer aus ungedruckten und gedruckten Quellen
Alles, was nur irgend erreichbar war, zufammengetragen,
um ein möglichft vollftändiges Bild der Pilgerreifen aus
Ländern deutfeher Zunge zu fchaffen. Der Zug nach
der Heimath der Bibel war auch nach dem Verluft von
Akko 1291 für das deutfehe Gemüth viel mächtiger, als
man gewöhnlich annimmt. Auch die Reformation liefs
keineswegs den Pilgerflrom in Sand verlaufen. Im Ge-
gentheil befafsen nicht wenige Proteftanten Muth und
Sehnfucht genug, um die für fie doppelt gefährliche
Reife zu wagen. Wenn unter der Pilgerfchaar diefer
drei Jahrhunderte die Schweiz mit einer befonders ftatt-
lichen Zahl erfcheint, fo mag der Grund nur darin liegen,
dafs kein dreifsigjähriger Krieg die gefchichtlichen
Denkmale in der Schweiz verwüftet hat, wie in Deutfch- j
land, dafs alfo in der Schweiz noch Quellen zu Gebot
(landen, die anderwärts im Sturm der Zeit verfchwunden
lind. Einzelne Nachträge mögen immer noch hinzukommen
; aber das Standard work für die Gefchichte des
deutfehen Pilgerwefens hat Röhricht gefchaffen. Nur
wenige der zahlreichen Pilgerfchriften bieten für Gefchichte
und Geographie Paläftina's eine reichere Ausbeute.
In diefer Beziehung haben wohl Felix Fabri und Leonhard
Rauchwolf das gröfste Verdienft. Es uberrafcht,
dafs die Reifen von Eürften mit zahlreichem Gefolge,
worunter doch auch mancher gefchulte Mann, der Wif-
fenfehaft fall gar keinen Gewinn brachten.

Wer das Verzeichnifs des Verfaffers mit der Biblio-
grapliia geographica Palaestinac von T. Tobler vergleicht,
der kann erlt recht ermeffen, wie viel unferm Verfaffer
nach der claffifchen Arbeit jenes grofsen Paläftinakenners
noch zu entdecken und zu fammeln gelungen ift. Aus
mir nicht bekannten Gründen hat Röhricht unerwähnt
gelaffen: Hertel von Liechtenftain c. 1370, Joh. FYidach
v. Düffeldorf 1474, Wolfgang Gebhart v. Prüde 1570,
Conrad v. Pursberg 1614, Jak. Jollen c. 1650, Electus

Zwinner 1658, Konrad Hietling 1697, Vinzent Stern
aus Villingen 1697 fg. Möge Röhricht's Werk bei den
Freunden der Paläftinakunde die verdiente Anerkennung
finden.

Zürich. Konrad Furrer.

Freybe, Gymn.-Oberlehr. Dr. Alb., Martin Luther in
Sprache und Dichtung. Gütersloh, Bertelsmann, 1889.
(VIII, 157 S. gr. 8.) M. 2. —; geb. M. 2. 50.

Das Bede an dem vorliegenden Buche find die von
dem Verfaffer ausgefchriebenen Quellen; manches wichtige
Hülfsmittel ifl freilich ungenutzt geblieben. Was
Freybe aus Eigenem dazuthut, ift gröfstentheils Phrafe,
Unverlland, Unwiffenheit. Ein auch nur einigermafsen
vollftändiges und anfehauliches Bild der Luther'fchen
Sprache wird nicht gegeben. Die Anfchauungen des
Verfaffers über die gefchichtliche Stellung der Sprache
des Reformators find völlig verkehrt; dafs die Bibel
Luther's das unvergängliche Gefetzbuch der Sprache fei,
ift eine Lächerlichkeit. Die Schrift ift ein trauriges Bei-
fpiel des bücherfabricirenden Dilettantismus; wir bedauern
nur die ehrenwerthe Verlagsbuchhandlung, die ihm zum
Opfer gefallen.

Giefsen. Otto Behaghel.

Waltz, A., Cataloguedela bibliothequeChauffour. (72i)Manu-
feripte und (14329) Druckwerke betreffend Elfafs und
die angrenzenden Länder. Colmar, Barth, Lang &
Rafch, 1889. (LX, 770 S. gr. 8.) M. 8. —

Auf Anordnung des Stadtraths Colmar, welcher die
Druckkoften hoffentlich bald auch für die Fortfetzung des
Verzeichnifses der, als Nachfolgerin der dortigen Klöfter
und der Abteien Lützel, Münfler, Murbach und Pairis
(S. VI—XXVI) felbft an Incunabeln und insbef. elfäf-
fifchen Seltenheiten reichen Stadtbibliothek bewilligen
wird, verzeichnet Stadtbibliothekar W. den wiffenfehaft-
lichen, der Stadt gefchenkten Nachlafs des (f 1879) App.-G.
Adv. Ig. Chauffour, in deutfeher Sprache herrührend insbef
. von den evange Ii fchen Pfarrern und Colmarer Gym-
nafialdirectoren Sig. Billihg (f 1796, S. XIX—XXXVII u.
3, Verfaffer einer 547 Bl. flarken ,Gefchichte des Elf.',
welche Bl. 50x3 u. ff. (Waltz, S. 30, 433 ff.) die Einführung
des Augsb. Bek. zu Colmar i. J. 1575 behandelt), und
Chr. Kirchner (f 1638, S. 2, Verf. einer gleichfalls noch
nicht veröffentlichten, 325 Bl. flarken ,Elf. Chronik', vielfach
auf den älteften Auffchreibungen der Dominikaner
und derBarfüfser zu Colmar beruhend), in franzöfifcher
Sprache dagegen namentlich von Chauffour's Ahnen
(S. X, XXI u. XLIV) herrührend, welche fchon feit 1698 am
Cons. souv.d'Als. (S. 13, 21, 173, 636 fr.) thätig waren. —
Die ältelle deutfehe, bisher den Forfchungen gänzlich
entgangene Handfchrift (S. 189) ift ein 453 (zweifpaltige)
Blätter Itarkes Predigtenbuch aus dem Ende des XV.
Jahrhunderts in einem, der Schrift nach, dem XIV. Jahrh.
angehörenden Umfchlage; der Verfaffer (etwa Gall von
Ruffach f 1517 oder Ulr. Surgant f 1503 von Altkirch,
vgl. Lächeux ,Jcan Geiler', 1876, p. 5 u. 567) diefer auf
alle Sonn- und Felttage des Jahres vertheilten, volkstümlichen
Kanzelvorträge ift endgültig noch nicht feftgeftellt.
Sehr viele, bisher noch nicht veröffentlichte Handfchriften
beziehen fich auf die Reformation im Elfaffe von 1521
ab, wie S. 192, 21 25—41 u. 61 (betreffend Strafsburg,
Hagenau, Mülhaufen, Kayfersberg, Mömpelgard ff.), S. 93,
97,103,105,122—131 u. 136 (betreffend Colmar 1575 —1795),
endlich S. 156—161 (betreffend die württemb. Herrfchaft
Reichenweier). Die franzöfifche Sprache beginnt erft
gegen 1660 (S. 13, 97 fr.), und zwar nur im Verkehre
mit den Staatsbehörden; die erften fran/.öfifchen Kirchengefangbücher
und Katechismen reichen hier (S. 452 ff.)
nicht über den Anfang des laufenden Jahrhunderts zurück