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Ausgabe:

1889 Nr. 22

Spalte:

554-555

Autor/Hrsg.:

Iselin, Ludwig E.

Titel/Untertitel:

Beitrag zur Sage von Joniton 1889

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Theologifche Literaturzeitung. 1889. Nr. 22.

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und wäre erft durch eine eingehende Prüfung fämmt-
licher einfchlagender Stellen zu erhärten gewefen. Die
Beobachtungen, welche befonders von Weifs und Pfleiderer
hinfichtlich der Verfchiedenheiten in der Beurtheilung
des Heidenthums bei den verfchiedenen Briefen gemacht
worden find, laffen fich durchaus nicht fo fchnell und
leicht erledigen, wie der Verf. annimmt. Ls kann nicht
geleugnet werden, dafs vor Allem Gal. 4 anders lautet
als Rom. 1. Urtheilt der letztere Brief über das Judenthum
mild, über das Heidenthum fcharf, fo findet das
umgekehrte Verhältnifs in beiden Beziehungen im Galbr.
ftatt. Braucht man in diefer Verfchiedenheit auch nicht
mit Pfleiderer den Ausdruck entgegengefetzter Welt-
anfchauungen zu fehen, fo wird man ihr andererfeits
auch nicht mit der an fich ja völlig richtigen Bemerkung
gerecht, dafs der Gefichtspunkt des Apoftels durch die
jedesmal vorliegenden Verhältnifse benimmt wird. Die
Beurtheilung im Römbr. ift offenbar beeinflufst durch
Erfahrungen, die der Apoftel vielleicht kurz vor Abfaf-
fun<T des Schreibens hinfichtlich des bodenlofen fittlichen
Verderbens des Heidenthums gemacht hatte. Im Uebrigen
aber treffen wir auch in diefer verfchiedenen Beurthei-
lun^sweife des Galbr. einerfeits, des Römbr. andererfeits
auf diefelbeErfcheinung, die fich fonft in den paulinifchen
Gedankengängen verfolgen läfst: Paulus betont auf der
einen Seite ebenfo fcharf, um nicht zu fagen einfeitig, die
alleinige göttliche Urfächlichkeit in allem menfehlichen
Gefchehen, wie andererfeits ebenfo nachdrücklich und
ernft die volle menfehliche Verantwortlichkeit. In diefem
Sinne fleht Gal. 4, 1 ff. neben Rom. 1, 18 f. — Dafs der
Verf. die letztere Stelle einfeitig bevorzugt und Gal. 4
zu wenig werthet, zeigt fich auch in einem anderen
Mangel. Die Frage, welche nicht nur durch Gal. 4, fondern
auch durch Rom. 2, 14k nahe gelegt war, ob nicht
P. auch die Heiden unter die bis zu Chriflus reichende
Oekonomie des Gefetzes mitgehörig gedacht hat (vgl.
Gal. 3, 13 f. 22—25), wird in der ganzen Arbeit nicht
erörtert. —

Im Einzelnen hat fich R. befonders um ein fchärferes
Verftändnifs von Rom. 1, 18—32 bemüht. Die Polemik
des Verf.'s gegen die herkömmliche Auffaffung, dafs hier
von der Schuld und Zornverfallenheit des Heidenthums
die Rede fei, ift mir hier angefichts der eigenen Stellung
von R., der ganz mit Recht betont, dafs der Ap. auch
diefes vom Standpunkte feiner Rechtfertigungslehre aus
fchreibe, zwar nicht ganz verfländlich geworden. Aber
im Uebrigen ift gerade die Erklärung diefes Abfchnittes
reich an vorzüglichen Bemerkungen. Herausheben möchte
ich nur die Unterfuchungen über t)ei6rr;g S. 10 f. und
üdoxiuos S. 43 f. — Daneben allerdings ift hier und an
anderen Stellen die Erklärung des Verf.'s geeignet, lebhaften
YViderfpruch hervorzurufen; fo feine Raffung von
t6 i'oyov toi rofiov = Aufgabe des Gefetzes, nämlich
das Gebieten und Verbieten. Ebenfo fchwer wird dem
Verf. der Beweis gelingen, dafs die eigentliche Ver-
fchuldung des Heidenthums nach Rom. 1 in dem Mangel
an iriarig beftanden habe. Diefe eigentümliche Behauptung
vermag R. zu ftützen nur durch die weitere,
in den paulinifchen Auslagen durchaus keinen Anhaltspunkt
befitzende Erfindung, als concretes Beifpiel für
den Zuftand des noch nicht abtrünnig gewordenen Heidenthums
könne Abraham gelten, ehe er von Gott be-
fonderer Offenbarungen gewürdigt wurde (vgl. S. 20. 21.
24. 301. Eine genügende Begründung vermiffe ich auch
bei der Behauptung, dafs P. die Ausfchreitung des ge-
fchlechtlichen Lebens immer in engem Zufammenhange
mit dem Götzendienfte denke (S. 63 f.). — Doch meine
Abficht ift durchaus nicht, durch diefe Ausftellungen den
Werth der Arbeit R.'s herabzufetzen. Auf dem Gebiete
des Paulinismus und auch fpeciell bezüglich des Aus-
fchnittes aus demfelben, welchem der Verf. feine Arbeit
widmet, find der Schwierigkeiten fo viele und grofse,
dafs ftets eine Menge Löfungsverfuche neben einander

I fich behaupten werden. Der Verf. hat fich durch den
vorliegenden Beitrag an der paulinifchen Forfchung mit
folcher Selbftändigkeit betheiligt, dafs feine Unterfuchung
aufmerkfame Lefer verdient.

Kiel. Ed. Gräfe.

Beitrag zur Sage von Joniton.

Prof. Wellhaufen fragt bei Anlafs der Befprechung
des von Kayfer edirten fyrifchen .Buches von der Er-
kenntnifs der Wahrheit' in Nr. 17 der Th. L. Z. Sp. 437:
AVer ift fHtDW, das Haupt der alten Weifen des Haufes
Nimrod?'

Ich bin im Falle, darüber Auskunft zu ertheilen.
In den Revelationes Method ii, welche dem Bi-
fchof Methodius von Olympus und Tyrus f 311 zuge-
fchrieben werden, wird ausführlich berichtet über einen
Jonithus als einen Sohn des Noah, der während der
Fluth geboren wurde (Cap. 6 des lat. Textes bei de la
Bigne, Max. Bibl. Vet.'Patr. 1677. /. III p. 727735. Im
griech. Text bei Fabricius-Harles, Bibl. t. VII p. 266 ss.
u. Fabricius, Cod. Pscudep. V. T. p. 276 lautet der Name
verdorben Movigwv). Nachdem zuerft mitgetheilt ift,
dafs im 109. Jahre des dritten Jahrtaufends als vierter
Sohn des Noah Jonithus geboren wurde und im Lande
Etham wohnte ,usque ad marc quod vocatur Eliochora, t.
e. regio solis, in quo solis ortus fuif, heifst es weiter: ,Hic
Jonithus aeeepit a Deo donum sapientiae ad omnes artes,
1 qui tun so/um literarum et aliarum artium verum etiam
omnis aslronomiac priinus fuit inventor. Ad hunc des-
: cendens Nemrotli, qui erat vir gygas et in multis eniditns
I a Deo, aeeepit a Jonitho eonsilium, in quibus influentüs
astrornm ineipiendum esset ei regnare super terrani. Nun
■ find bekanntlich diefe Revelationes von einem Pfeudo-
methodius. Ob gerade wie Rönfch (Jabiläen S. 346) meint,
von dem Patriarchen Methodius von Conftantinopel f 846
bleibt dahin geftellt. Doch ftimmt es mit diefer Zeitangabe
, dafs fein Werk im Katalog des Ebedjefu f 1318
erwähnt, von Glykas, Petrus Comeftor und Barhebräus
benützt und von Mar Salomon, Metropoliten von Baffora
{flor. c. 1220) in feinem ,Buch der Biene' (ed. Budge 1886
Cap. 53) citirt und ausgefchrieben wird. Aus derfelben
Quelle wird auch Gottfried von Viterbo im XII. s. die
Nachricht haben von einem Jonitus, einem Sohne Noah's
(Vgl. Wilh. Meyer, die Gefchichte d. Kreuzesholzes vor
Chriflus 1881. S. 15). Dafs die Legende felbft von Jonitus
oder Joniton bedeutend älter ift als Methodius von By-
zanz, wird verbürgt durch den Paffus in der fyrifchen
,Schatzhöhle', die, wenn auch nicht in der jetzigen Ge-
ftalt, doch dem Grundftock nach ficher aus dem IV. saec.
flammt: ,Und Nimrod ging nach Jokdora, welches Nod

ift; und als er zum Meere.....') kam, fand er dort

den Jonton, den Sohn des Noah. Und er flieg hinab
und wufch fich in demfelbigen Meere, opferte und betete
den Jonton an. — Und Jonton lehrte den Nimrod
die Weisheit und Gelehrfamkeit des Orakels und
fprach zu ihm: komme nicht wieder zu mir!' (Bezold,
Schatzhöhle I. 33). Aus der Schatzhöhle ift die Legende
dann auch in das äthiopifche Clemensbuch übergegangen.
Eutychius, der fonft die Schatzhöhle tüchtig benützt, hat
den Namen felbft nicht; doch kennt er die Tradition,
wonach der Gründer der fabifchen Religion zur Zeit des
Thurmbaus von Babel gelebt hat, was mit den Angaben
der Schatzhöhle über Jonton ftimmt. Wahrfcheinlich ift
auch der Name Junan, den er als Stifter der fabifchen
Religion angiebt, verdorben aus Jonton (Vgl. Schatzh. I.
78 Anm. 115 u. Eutychius ed. Pococke I. 63). Im Buch
der Biene (p. 33) erfcheint er unter dem Namen Jonaton.
Hält man dies alles zufammen, fo ergiebt fich
folgendes:

1) Die von Bezold nicht verftandene Lesart 5—ift eben das
Eliochora des Methodius.

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