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Ausgabe:

1889 Nr. 22

Spalte:

550-551

Autor/Hrsg.:

Wildeboer, G.

Titel/Untertitel:

Het ontstaan van den kanon des ouden verbons 1889

Rezensent:

Siegfried, Carl

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Theologifche Literaturzeitung. 1889. Nr. 22.

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für die Zadokiden einen eigenen aaronidifchen Stammbaum,
durchweichen Zadok auf Pinehas, den Sohn des Aaroniden
Eleafar. zurückgeführt wird (S. 275). Nur die Angehörigen
diefer Familie gelten als Priefterthumsberechtigte, alle
andern Functionäre des Heiligthums find Leviten, eine
Bezeichnung, über deren Tragweite der Redactor von P
fich felbft noch nicht recht klar ift (S. 177); namentlich
wird es ihm fchwer, eine Grenze zwifchen ihnen und den
Netinim zu finden, woraus der Verf. fchliefst, dafs unfere
Schrift vorexilifch fein müffe, da man nach dem Fxil
darüber bereits ganz fefte Grundfätze gehabt habe
(S. 27S f.). — Gegen diefe Schrift, namentlich gegen ihre
Bevorzugung der Zadokiden, tritt nun das bald darauf
cntftandene Deuteronomium (D) auf, welches für die nicht-
jerulalemifchen Aaroniden gleiche Rechte mit den Zadokiden
erkämpfen will. Fs könnte auffallen, dafs eine
folche Schrift gerade die Unterftützung des Zadokiden-
hauptes, des Hohenpriefters Hilkia, fand, aber einerfeits
überwog damals das Streben nach der Alleinberechtigung
des jerufalemifchen Cultus, für welche ja auch das Deut.
eintrat, andererfeits mochte Hilkia denken, dafs er ja
jedenfalls Hoherpriefter bleibe, und dafs feine Collegen
immerhin eine Schmälerung ihres Einkommens vertragen
könnten (vgl. S. 284). — Deshalb trat Ezechiel wieder
gegen diefe Ordnung der Dinge auf und zog eine ftrenge
Grenzlinie zwifchen jerufalemifchen und aufserjerufale-
mifchen Prieftern. Letztere find ihm .Leviten, welche
von lahve abfielen'. Sie find nur zu niederen Dienften
am Heiligthum berechtigt, ganz wie die Leviten des P.
Die Netmim werden ganz beleitigt. Merkwürdiger Weife
aber auch der Hohepriefter (S. 118 f.). — Erklärlich ift
es hiernach, dafs man es nach der Rückkehr aus dem
Exil ganz anders machte. Man griff über Ez. und D.
hinweg wieder auf P zurück, mit Ausnahme einiger Einzelheiten
, die unausgeführt blieben, wie die Anordnung
über die Levitenftädte, fowie einzelner Abänderungen,
wie die Zulaffung der Itamariden zum Priefterdienft
Efr. 8, 2. Efra las das Gefetz, welches bis dahin ,in der
Hand der Priefter' verblieben war, dem Volke vor. Die
Chronik zog dann die letzten Confequenzen von P.
Sie kennt nur Priefter und Leviten. Unter den letzteren
find Sänger und Thorhüter mit befafst. Netinim werden
nicht einmal mehr erwähnt. —

Der fchwächlte Punkt in diefem Aufbau ift offenbar
die Stellung von D hinter P. Man begreift nicht, wie,
wenn P da war, der Hohepriefter Hilkia der Schrift D
feine Unterftützung leihen konnte, da ja das Intereffe
der Cultuscentralifation in P ebenfo gut gewahrt war, als
in D. Und man begreift noch weniger, wie die übrigen
Zadokiden fich einer Reform fügen konnten, die ihren
in P feit Jahrhunderten bereits gebuchten Privilegien ein
Ende machte. Was konnte fie hindern, gegen das ihre
Standesintereffen verrathende Haupt vorzugehen, wenn
fie eine heilige Urkunde, die ebenfalls Mofe's Namen an
der Stirne trug, befafsen. Unter diefen Umftänden die
letztere als Privatfchrift geheim zu halten, wäre eine
Thorheit gewefen, welche man fchwerlich einer im Be-
fitzftande befindlichen Hierarchie zutrauen darf. — Ein
zweiter Fehler in der Conftruction des Verf's liegt in
der Stellung des Ez. hinter P. Dafs Ezechiel, wenn er
P kennt, den Hohenpriefter ffreicht (S. 286), ift ganz ungeheuerlich
. Diejenige Perfönlichkeit, welche das von
ihm fo eifrig vertheidigte Zadokidenprivilegium am vvirk-
famlten fchützen konnte, hätte er unmöglich befeitigen
dürfen wenn fie eben da war. .Welche Motive den
Ezechiel zu der Befeitigung eines Oberpriefters bewogen
. . • wiffen wir nicht' fagt der Verfaffer S. 286.
Das ift ein Eingeftändnifs eines Fehlers in der hifto-
rifchen Conftruction. Der Hiftoriker mufs die für wichtige
Wendepunkte entfeheidenden Motive aufzeigen
können. Die Graf'fche Hypothefe kann das; denn, wenn
P fpäter als Ez. liegt, fo erklärt fich auf die natürlichfte
Weife das Fortfehreiten der hierarchifchen Gliederung

zu einer monarchifchen Spitze. Wenn aber der Verf.
das Vcrhältnifs umkehrt, fo darf er den entfeheidendften
Punkt nicht ohne Begründung laffen. Die thatfächlich
im alten Reich beftehenden erlten Priefter am Heilig-
thume von Jerufalem (S. 214 f.) darf der Verf. nicht als
Gegengrund geltend machen. Der Hohepriefter von P
ift nicht primus inter pares, fondern ein durch facrale
Weihe über alle andern Priefter hinausgehobenes Wefen.
Eine folche Stellung einfach ftreichen, würde etwa fich
fo ausnehmen, als ob im 14. Jahrh. jemand hätte eine
Kirchenverfaffung ohne den Papft entwerfen wollen. —
Aufserdem können wir uns auch nicht mit der Anfchau-
ung des Verf.'s vom älteften Cultus befreunden. Von
patriarchalifcher Zeit und von der Wüftenperiode haben
wir, wie uns fcheint, keine wirklich hiftorifchen Nachrichten
, fondern nur fehr verfchiedenartige Vorftellungen
und Sagen fpäterer Perioden. Wir können uns nicht
denken, dafs die Ifraeliten während der Wüftenwanderung
nur ein einziges Heiligthum befeffen haben füllten (S. 73I,
da fie in diefem Falle wohl fchwerlich nach der Befie-
delung des h. Landes zu einer Vielheit heiliger Orte
übergegangen fein würden. — Zum Schlufs können wir
nicht unterlaffen, auf einzelne Unterfuchungen des Verf.'s
hinzu weifen, welche uns befonders werthvoll erfchienen
find. Wir rechnen dahin die Unterfuchungen über Zadokiden
und Itamariden, über die verfchiedenen Phafen
der Benennung Leviten [der Etymologie f. o. können wir
nicht beitreten], über den Sprachgebrauch von no, TOB
u. a. cultifchen Ausdrücken S. 29 fr., über Korachiden
S. 34 ff. und noch manches Andere, auf das wir hier
nicht naher eingehen können.

Jena. C. Siegfried.

Wildeboer, G., Het ontstaan van den kanon des ouden Verbunds
. Historisch-kritisch onderzoek. Groningen, J. B.
Wolters, 1889. (V, l$6 & 8.)

Der Verf. verfolgt in der vorliegenden Schrift einen
doppelten Zweck: einmal, ein knappes Handbuch der
Gefchichte des Canons zu geben, fodann aber auch für
eine haltbare Anfchauung von der thatfächlichcn Ent-
wickelung, welche zu der Canonifation der heiligen Bücher
des A. T.'s hinführte, den Grund zu legen. Um des
erften Zweckes willen war es nöthig, das gefammte lite-
rarifche Material, wie man es auch fonft in den Einleitungen
in dasA. T. findet, vorzulegen, und der Verf. hat
es nicht unterlaffen, die hiftorifch wichtigften Belege aueu
in ihrem Wortlaute mitzutheilen. — In Verfolgung des
zweiten Zieles kam es dem Verf. vor allen Dingen darauf
an, die wiffenfehaftliche Forfchung endlich einmal von
der jüdifchen Ueberlieferung gänzlich frei zu machen.
Das Refultat feiner beachtenswerthell Unterfuchung ift
in der Kürze folgendes.

Die erfte Urlache, welche zur Canonifation heiliger
Schriften hinführte, war der Entfchlufs des Volkes, nach
Jahve's Willen zu leben, wie folcher durch feine Propheten
geoffenbart war. Als eine folche Offenbarung
nahm man zuerft das Dt. auf. an welches nach dem
Exil der PC. fich anfchlofs. So ward das Gefetz, als
eine Quinteffenz des Jahvewillens, die erfte heilige Schrift
von mafsgebendem Anfehen. Aber man befafs ja daneben
auch Weisfagungen der Propheten und alte Ge-
fchichtsbücher, welche augenfeheinlich auch den Jahve-
willen zum Ausdruck brachten. Es war unmöglich, ihnen
die Geltung zu verweigern. Es bildete fich alfo der
2. Canon ca. 200 v. Chr., in welchem das fromme Volk
die Stimmen feiner grofsen Propheten aus der Vorzeit
erkannte, während die Schriftgelehrten diefe Schriften

blofs als Auslegung des Gefetzes werthfehätzten. _

Aber es beilanden gleichzeitig noch andere Schriften
die durch ihren Inhalt oder durch ihre Abkunft in hohem
Anfehen ftanden und welche als Antwort der gläubigen
Gemeinde auf Gefetz und Propheten galten, allen voran