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Ausgabe:

1889

Spalte:

545-547

Autor/Hrsg.:

Hupfeld, Hermann

Titel/Untertitel:

Die Psalmen. 3. Aufl 1889

Rezensent:

Smend, Rudolf

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof. zu Berlin, und D. E. SchÜrer, Prof. zu Giefsen.

Erfcheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

NE/ 22. 2. November 1889. 14. Jahrgang.

Hupfeld, Die Pfalmen, bearb. v. Nowack
(Smend).

Baudiffin, Die GefcMchte des altteftament-

lichen Prieftertums (Siegfried).
Wildeboer, Het ontstaan van den kanon des

ouden verbonds (Siegfried).
Knoke, Praktifch-theologifcher Kommentar zu

den Paftoralbriefen des Apoflels Paulus, 2 Thle.

(O. Holtzmann).
Rogge, Die Anfchauungen des Apoftels Paulus

von dem religiös-fittlichen Charakter des Heidentums
(Gräfe).

Beitrag zur Sage von Joniton (Ifelin).

Röhricht, Deutfche Pilgerreifen nach dem
heiligen Lande (Furrer).

Freybe, Martin Luther in Sprache und Dichtung
(Behaghel).

Waltz, Catalogue de la bibliotheque Chauffour
(Geigel).

Holder, Die chriftliche Glaubenslehre (Kaftan).

Tolftoi, Ueber das Leben (Loeber).

Felix, Entwicklungsgeschichte des Eigenthums,

3. Tbl.: Der Einflufs der Religion auf die

Entwicklung des Eigenthums (Loeber).
Kohlbrügge, Paffionspredigten (Baffermann).
Quandt, Gethfemane und Golgatha (Derf.).
Die Bibel, herausg. von Pfleiderer. 5—II.

Lfg. (Schloffer).
Dechent, Aus dem Leben einer Pfarrfrau,

Gedichte (Schloffer).

Hupfeld, weil. Prof. Dr. Herrn., Die Psalmen. Ueberfetzt
und ausgelegt. Für die 3. Aufl. bearb. von Prof.
Dr. Wilh. Nowack. 2 Bde. Gotha, F. A. Perthes,
1888/89. (IV, 680 u. LXX, 740 S. gr. 8.) M. 26. —

Hupfeld's Comtnentar zu den Pfalmen, in zweiter
Auflage (1867) von Riehm herausgegeben, ift in der
dritten Auflage durch Zufammendrängung des exege-
tifchen Stoffes und Befchränkung der Polemik dem
äufseren Umfange nach auf etwa drei Viertel der zweiten
Auflage reducirt. Bei diefer Kürzung ift überdies in
Anfchlag zu bringen, dafs der Bearbeiter den exege-
tifchen Stoff aus der Literatur der letzten zwanzig Jahre
vermehrt hat. Auch fonft hat die Bearbeitung inhaltlich
eingegriffen und zwar ftärker, als das in der zweiten
Auflage gefchehen war. Indeffen beziehen fleh diefe
Eingriffe zu allermeift auf die Einzelerklärung und bieten
für diefe wenig, was überhaupt neu wäre. Sie befchränken
fich vielmehr auf eine gelegentlich abweichende Auswahl
unter den vorhandenen Erklärungen, ohne dafs
dabei viel eigene exegetifche Methode entwickelt würde,
und wenngleich das Buch dadurch in manchen Einzelheiten
bereichert und verbeffert ift, fo ift es doch in
allem YVefentlichen immer noch Hupfeld's Arbeit, die
hier vorliegt.

Deshalb mufs man fragen, ob eine neue Ausgabe
von Hupfeld's Commentar überhaupt wünfehenswerth
war. Urfprünglich ift derfelbe im Gegenfatz zu denen
von Ewald und Hitzig einerfeits und denen von Heng-
ftenbero" und Delitzfch anderfeits entftanden. Kritifche
Nüchternheit lehnte fleh hier auf gegen das falfche
Hiftorifiren der Einen, und gut bürgerliche Religiöfität,
die dabei ihre rationaliftifche Herkunft nicht verleugnete,
o-egen das Dogmatifiren und die unangebrachte Erbaulichkeit
der Andern. In beider Hinficht hat Hupfeld's
Commentar feiner Zeit befreiend gewirkt und durch die
Streichung der betr. Polemik in der 3. Auflage hat das
Buch feinen genuinen Charakter in hohem Mafse
eingebufst. Ein befferes Verftändnifs der Pfalmen hat
Hupfeld dagegen nur in geringem Mafse gegeben. Seine
Exegefe ift wefentlich gloffatorifch, auch fo freilich von
o-rofsem Verdienft, aber zu einer Gefammtauffaffung der
einzelnen Lieder, zu einer Reproduction ihrer jeweiligen
befonderen Stimmung hat er es nicht gebracht. Seine
Begabung lag nicht in diefer Richtung, zur Auslegung
von Poefie war er weniger beanlagt, als vielleicht irgend
einer feiner Gegner. Ueberdies hatte er fich felbft das
Verftändnifs der Pfalmen in hohem Mafse erfchwert.
Mit rühmlicher Folgerichtigkeit behauptete er die völlige
Unzuverläfflgkeit der Verfafferaugaben, mit Recht betonte
er, dafs die Exegefe nirgendwo von ihnen ausgehen
dürfe — aber dadurch fetzte er fich feinen Gegnern gegenüber
lediglich in Nachtheil. Während diefe die meiften
Pfalmen aus dem Leben David's oder anderer Perfön-
lichkeiten der altteft. Gefchichte deuteten und damit für
ihre Erklärung einen feften Hintergrund gewannen, meinte
Hupfeld es mit lauter unbekannten Individuen zu thun
zu haben, über die man nichts wiffen könne. Das bedeutete
aber in den wichtigften Fällen den Verzicht auf
ein Verftändnifs. Denn die Ich-Pfalmen, auf die es hier
ankommt, fetzen nicht nur die befondere Situation, der
fle entflammen, fondern auch das redende Ich felbft mit
allen feinen Qualitäten durchweg als bekannt voraus.
Deshalb enthalten diefe Lieder bei Hupfeld's Auffaffung
im Einzelnen nur allzu viele unlösbare Räthfel, vor allem
aber fehlt dann jeder Mafsftab für ihre innere Wahrheit.
Daher die abfälligen Urtheile Hupfeld's über die meiften
Pfalmen, der Mehrzahl nach gelten fie ihm für blofse
Compofitionen aus gangbaren Phrafen. InderThat läfst
uns jene lange Reihe von unbekannten Privatleuten, die
fich, obendrein in höchft unklarer Weife, über lauter
individuelle Kränkungen beklagen, ziemlich gleichgültig.
Ein befferes Verftändnifs der Pfalmen war dagegen von
Olshaufen angebahnt, fofern er das Ich der Pfalmen auf
die wohlbekannte jüdifche Gemeinde deutete, aber
Hupfeld's übernüchterner Sinn konnte fich hierin nicht
finden und feine auf anderem Gebiet wohlbegründete
Autorität ift daher dem Verftändnifs der Pfalmen wohl
ebenfo fehr nachtheilig geworden, als er es in anderer
Hinficht gefördert hat. Die Exegefe der Pfalmen fchien
ihr Intereffe verloren zu haben.

In den einleitenden Unterfuchungen (Bd. II. S.I—LXX)
hat der Herausgeber der dritten Auflage die Abfchnitte
über den Rhythmus der hebräifchen Poefie (§ 5 B) und
über die Entftehung der Pfalmenfammlung ($ 8) einiger-
mafsen umgeftaltet. Unverändert ift dagegen die Claffi-
fication der Pfalmen (§ 1) und die Schilderung ihres re-
ligiöfen und fittlichen Charakters ($ 2), beides Producte
eines abftracten Schematismus. Vor allem hätte der
Herausgeber fich mit der Annahme Olshaufen's bezüglich
der Ich-Pfalmen auseinanderfetzen müffen, fchon
wegen der grofsen Vortheile, die diefelbe verfpricht.
Von vornherein hat aber diefe Frage für ihn gar nicht
beftanden. Zu Pf. 23 eignet er fich die Worte Hupfeld's
an: ,Die Deutung des Pf. auf die Gemeinde . . . oder
die bewufste Beftimmung für die Gemeinde . . . würde
ihm alle perfönliche Wahrheit nehmen und feinen Charakter
zerftören' (I. S. 381). Erft während des Druckes
des zweiten Bandes ift er durch mich (ZATW 1888. 49 ff.)
veranlafst, fich mit diefem Gegenftande zu befchäftDen,

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